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Liebeskummer Wie kann man den Trennungsschmerz überwinden?

Liebeskummer: traurige Frau steht am Fenster und blickt raus
© rawpixel.com / Adobe Stock
Wie lange dauert Liebeskummer, warum tut er so weh und was hilft? Alle Antworten findest du hier. Außerdem hat die Expertin Elena-Katharina Sohn wertvolle Tipps, um Liebeskummer zu überwinden.

Inhaltsverzeichnis

Die Liebe ist das schönste Gefühl, das wir erleben dürfen – aber leider gibt es wie überall im Leben eine Kehrseite der Medaille: Wird die Liebe nicht erwidert oder scheitert sie, bekommen wir Liebeskummer. Gefühle, die sich dann breitmachen, sind Trauer, Wut, Verzweiflung und Mutlosigkeit.

Wir fühlen uns zurückgestoßen, vernachlässigt und jede Sekunde schießt uns ein "Ich vermisse ihn so schrecklich" ins Herz. Praktisch jede:r von uns muss mindestens einmal im Leben so eine Phase durchmachen und überwinden. Das zu schaffen, ist gar nicht so einfach. Der Spruch "Die Zeit heilt alle Wunden" ist zwar meistens zutreffend, daran zu glauben, fällt aber ziemlich schwer in der Krise.

Liebeskummer: Die wichtigsten Inhalte auf einen Blick

  • Liebe ist ein unbeschreibliches Gefühl, aber unerwiderte Liebe und das Scheitern von Beziehungen führen zu Wut, Trauer und Liebeskummer.
  • Liebeskummer dauert im Durchschnitt etwa 12,5 Monate, wobei Männer etwa 11,9 Monate und Frauen etwa 12,8 Monate damit zu kämpfen haben.
  • Es gibt trotzdem keinen festgelegten Zeitraum, der als normaler Liebeskummer betrachtet wird. Jeder Mensch braucht unterschiedlich lange, um damit umzugehen. 
  • Liebeskummer tut weh, weil unser Gehirn bestimmte Hormone, wie Dopamin und Oxytocin, produziert, die uns glücklich machen. Bei einer Trennung sinken diese Hormonspiegel abrupt.
  • Es gibt verschiedene Tipps zur Bewältigung von Liebeskummer, darunter das Zulassen von Wut und Trauer, Ablenkung, das Schaffen neuer Erinnerungen und ein klärendes Gespräch mit dem Ex-Partner oder der Ex-Partnerin. 

Wie lange dauert der schlimmste Liebeskummer?

Eine ElitePartner-Studie aus dem Jahr 2021 ergab, dass Liebeskummer im Schnitt 12,4 Monate dauert. Für die Studie wurden rund 1.700 Singles zwischen 18 und 69 Jahren befragt, die mindestens eine Beziehung hatten. Dabei wurde in männlich und weiblich unterteilt. Männer gaben an, dass sie nach knapp 11,9 Monaten über die zerbrochene Liebe hinweg waren, während Frauen durchschnittlich 12,8 Monate mit dem Liebeskummer zu kämpfen hatten.

Lies hier mehr: Trennungsphasen und Phasen der Trennung bei Männern.

Wie viel Liebeskummer ist normal?

Normal ist die Zeit, die du brauchst. Genauso wenig wie es für die Partnersuche eine klare Richtlinie gibt, gibt es auch keine zeitliche Begrenzung von Liebeskummer. Während die einen schnell über eine zerbrochene Beziehung hinweg kommen, benötigen andere viel mehr Zeit. Lass dich nicht beirren, wenn deine Freund:innen anders mit dem Trennungsschmerz umgehen. Wie du deinen Liebeskummer überwinden kannst, liegt ganz bei dir. Wenn du jedoch länger als ein Jahr mit deinem Herzschmerz zu kämpfen hast, die Symptome einer Depression, Suizidgedanken oder eine Bindungsstörung aufweist, dann ist es ratsam, dir professionelle Hilfe zu suchen. Sei dir immer bewusst: Dies ist kein Zeichen von Schwäche. Ein gebrochenes Herz ist nichts anderes als ein gebrochenes Bein – und damit gehen wir schließlich auch zum Arzt. Wann Liebeskummer gesundheitlich gefährlich werden kann, liest du hier: Broken-Heart-Syndrom

Warum tut Liebeskummer weh?

Liebeskummer kann ähnlich viel Schaden anrichten wie physischer Schmerz. Es werden in beiden Fällen nämlich dieselben Gehirnareale aktiviert. Psycholog:innen bezeichnen Liebeskummer sogar als reaktive Depression – eine depressive Reaktion auf einen belastenden Vorfall. Weshalb Liebeskummer so sehr wehtut hängt außerdem mit unseren Hormonen zusammen. Wenn wir in einer glücklichen Beziehung voller Nähe und Vertrauen sind, produziert unser Hirn regelmäßig das Glückshormon Dopamin. Bei körperlicher Nähe wird zusätzlich das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet. Es sorgt dafür, dass Stresshormone abgeschwächt werden und kann die Paarbindung stärken. Unser Körper wird süchtig nach diesem Zustand der Zufriedenheit. Im Zuge der Trennung kommt es dann zu einem Abfall des Dopamin- und Oxytocin-Spiegels. Das gleicht einem kalten Entzug, mit dem unser Körper nicht gut zurechtkommt. So lassen sich Liebeskummer-Symptome wie Appetitlosigkeit, Konzentrationsschwäche, Antriebslosigkeit und Traurigkeit erklären.

Mehr dazu: Warum wir Liebeskummer ernst nehmen sollten und Depression nach Trennung

Was sind die Symptome für Liebeskummer?

Es gibt viele emotionale und mentale Anzeichen und Symptome für Liebeskummer, auf die du achten solltest:

  • ständiges Nachdenken über die Person, wegen der man Liebeskummer hat
  • viel Zeit damit verbringen, auf einen Anruf oder eine Nachricht der Person zu warten
  • sich unmotiviert fühlen
  • Tagträume oder das Wiederholen von Gesprächen oder Begegnungen im Kopf
  • Schlaflosigkeit oder schlechter Schlaf
  • Stimmungsschwankungen
  • Isolation von allen, die nicht der oder die Verflossene ist

Liebeskummer kann sich auch auf den Körper auswirken. Die Symptome können die Folgenden sein:

  • Fieber
  • Unruhe
  • Appetitlosigkeit
  • Kopfschmerzen
  • schnelle Atmung
  • Herzrasen

Was hilft bei Liebeskummer wirklich?

Tipps gegen Liebeskummer gibt es viele. Oft sind es nett gemeinte Ratschläge von Freund:innen wie "Andere Mütter haben auch schöne Söhne", "Du hast sowieso etwas viel besseres verdient" oder "Er ist es nicht wert." Und auch wenn diese Aussagen theoretisch richtig sind, so sind Binsenweisheiten ziemlich das Letzte, was man mit Beziehungsproblemen oder Herzschmerz hören möchte. Selbst der weiseste Spruch kann in dieser Situation nicht trösten. Ihr wollt eurer Freundin helfen? Dann findet ihr hier hilfreiche Ratschläge: Liebesschmerz - Tipps für die Freundin.

Liebeskummer überwinden

Manche Menschen wollen den Liebeskummer sofort loswerden und tun alles, um das Geschehene zu verdrängen, während sich andere wochenlang dem Schmerz hingeben. Als Individuen reagieren wir unterschiedlich auf den Trennungsschmerz. Es gibt kein Richtig und kein Falsch. Am Ende besteht die Heilung darin, dass wir den Schmerz akzeptieren, ihn verstehen und darauf vertrauen, dass es irgendwann nicht mehr wehtut. Die folgenden Tipps gegen Liebeskummer können dir dabei helfen, diesen Zustand zu erreichen:

  • Lass deine Trauer zu: Du hast allen Grund traurig, wütend, enttäuscht oder verletzt zu sein. Lass diese Gefühle zu. Sie haben ihre Daseinsberechtigung. Trennungen sind tiefe Einschnitte in unsere Leben. Wir haben das Recht, einer zebrochenen Beziehung nachzuweinen. Schenke dir Selbstmitgefühl.
  • Ablenkung: Liebeskummer ist purer Stress für unsere Körper. Versuche, dich hin und wieder abzulenken, dir etwas Gutes zu tun und deinen Bedürfnissen Gehör zu schenken.
  • Neue Erinnerungen schaffen: Alle Orte um dich herum erinnern dich an ihn? Keinen Grund, die Stadt zu verlassen. Schaffe neue Erinnerungen. Vielleicht besuchst du diese Orte mit deinen Freund:innen und nimmst so Abschied von dem Vergangenen. 
  • Das Gespräch suchen: Gespräche mit dem:der Verflossenen sind richtungsweisend. Nur wenn wir verstehen, weshalb wir verlassen wurden oder Beziehungen enden, können wir vernünftig damit abschließen. Fehlen uns Antworten, wird der Schmerz noch größer.

Hier findest du viele weitere Tipps: Neubeginn nach Trennung.

Ist der Liebeskummer größer, je länger die Beziehung gedauert hat?

Ob unglücklich verliebt, Pech bei der Partnersuche, aktuelle Beziehungsprobleme (z. B. fremdgehen) oder Trennungskrise – wir leiden aus verschiedenen Gründen. Warum wir den Liebeskummer erleben, sagt aber nichts über die Intensität des Schmerzes aus. Eine unerfüllte Liebe kann genauso wehtun wie eine Trennung nach 20 Jahren Ehe. Es wäre also falsch, den Schmerz von vornherein von der Länge der Liebe abzuleiten.

Wie gehen Männer und Frauen mit Liebeskummer um?

Eine heteronormative Studie der Binghamton University in New York ergab, dass Frauen intensiver, aber dafür kürzer an Liebeskummer leiden als Männer. Oft neigen Männer dazu, am Anfang zu kompensieren und zu verdrängen, weshalb sie am Ende länger leiden. Größtenteils so sehr, dass sie auf lange Sicht keine neue, ernsthafte Partnerschaft zustande bringen. Liebeskummer ist selbstverständlich keine heteronormative Angelegenheit. Dieser Schmerz wird früher oder später jeden erreichen – im schlimmsten Fall sogar mehrmals im Leben – und kann bei jeder Person ernstzunehmenden Schaden wie Depressionen oder Bindungsstörungen anrichten. Daher ist es umso wichtiger, dass wir über den Schmerz und über die zerbrochene Liebe reden.

Liebeskummer überwinden: Das Experten-Interview

Elena-Katharina Sohn berät seit fünf Jahren mit einem Team aus Psycholog:innen und Coaches Menschen mit Liebeskummer. Was sie aus den vielen Gesprächen gelernt hat: je komplizierter die Beziehung, desto größer der Trennungsschmerz.

BRIGITTE: Frau Sohn, Ihre Agentur heißt "Die Liebeskümmerer". Was wollen die traurigen Menschen, die sich bei Ihnen melden, genau von Ihnen?

Elena-Katharina Sohn: Alle wollen vor allem Hilfe gegen diesen Schmerz, dem sie so ohnmächtig gegenüberstehen. Viele haben sich schon im Freundeskreis ausgetauscht und suchen jetzt einen professionellen Rat. Aber es gibt auch Leute, die ihren Liebeskummer mit ihren Freunden gar nicht so sehr teilen, weil sie fürchten, nicht genug Verständnis zu bekommen. Oder weil sie schon so lange Liebeskummer haben, dass sie denken: Ich kann das keinem mehr zumuten.

Verständlich. Jeder, der schon mal Liebeskummer hatte, weiß, wie schlimm sich das anfühlt. Aber er wird unter Erwachsenen tatsächlich meist nicht besonders ernst genommen.

Ja. Ich sehe immer wieder die gravierende Diskrepanz zwischen dem, wie sich die Leute bei Liebeskummer fühlen, und wie er öffentlich angesehen ist. Ich hatte mal eine ältere Dame um die 70 in der Beratung, die vorher einen Partner durch Tod verloren hatte und nun einen durch Trennung. Sie sagte, das Verlieren des Partners durch Trennung sei für sie schlimmer gewesen. Natürlich ist das eine sehr provokante Aussage. Aber beim Verlust des Partners durch Tod wusste sie: Das ist unabänderlich. Nach dem Verlassenwerden quälten sie dagegen die ganzen Fragen und Zweifel: Warum hat er sich gegen mich entschieden? Hätte ich etwas anders machen können?

Gibt es eine Dauer und Intensität von Liebeskummer, von der Sie sagen würden: Das ist nicht mehr normal, da braucht es therapeutische Hilfe?

"Normal" ist ein schwieriges Wort, da es so viele falsche Faustregeln gibt, die man oft hört, wie zum Beispiel: Der Liebeskummer dauert halb so lang, wie die Beziehung gedauert hat. Das ist totaler Blödsinn. Meiner Erfahrung nach hat die Intensität des Liebeskummers kaum etwas damit zu tun, wie lang die Beziehung war. Und die Leute bauen sich durch solche Regeln noch zusätzlich Druck auf, weil sie denken, sie dürften nicht fühlen, was sie fühlen. Aber auf jeden Fall sofort Hilfe suchen muss man, wenn man Suizidgedanken hat. Was die Dauer angeht, kann man sagen, dass in der psychologischen Terminologie Liebeskummer als "Anpassungsstörung" definiert ist. Die gilt allgemein als therapiebedürftig, wenn sie länger als zwei Jahre anhält.

Den schlimmsten Liebeskummer haben Menschen, die aus sehr komplizierten Partnerschaften kommen.

Wer leidet am schlimmsten unter solch extremen Liebeskummer?

Den schlimmsten, wirklich existenziellen Liebeskummer haben meiner Erfahrung nach Menschen, die aus sehr komplizierten Partnerschaften kommen. Zum Bei­spiel mit einem narzisstischen Partner, wo keine Beziehung auf Augenhöhe geführt wurde. Oder Frauen, die eine Affäre mit einem verheirateten Mann hat­ten. Dahinter erkennt man ein gewisses Muster, das lautet: Den schlimmsten Liebeskummer haben Menschen, die in der Beziehung ihre eigenen Bedürfnisse sehr zurückgestellt haben, weil ihnen Partnerschaft wichtiger ist als alles andere. Und das sind umgekehrt auch genau die, die oft in eher schwierigen Beziehungen fest­ stecken. Weil sie eben um jeden Preis in einer Partnerschaft sein wollen und dafür sehr viel in Kauf nehmen.

Es gibt ja auch Leute, die hatten als Single ein glückliches Leben mit vielen Interessen und Freunden – und werfen alles über Bord, sobald sie jemanden kennenlernen.

Ja, und nach der Trennung fallen diese Menschen erst einmal in ein sehr tiefes Loch. Aber meiner Erfahrung nach sind die es auch, die es schaffen, da doch relativ schnell wieder raus zu kommen. Am aller schlimmsten erwischt es diejenigen, die kaum einen anderen Zugang zu Glück kennen als durch Partnerschaft. Ich habe hier Leute, die sich eigentlich immer noch mit jemanden liiert fühlen, der sie vor vier Jahren verlassen hat. Sie können nicht loslassen, weil sie gar nicht auf die Idee kommen, dass ihr Lebensglück nicht von jemand anderem abhängt, sondern ihre eigene Verantwortung ist.

Man muss sich eigene Glücksquellen erschließen.

Daher schreiben Sie auch in Ihrem Buch "Goodbye Herzschmerz", dass die Schwere des Schmerzes wenig mit der Beziehung, sondern vor allem mit einem selbst zu tun hat?

Liebeskummer ist nach einer Trennung normal. Aber ich habe mich oft gefragt, woran es liegt, dass der eine zwar leidet, aber es ihm relativ schnell wieder besser geht, während andere in einer vergleichbaren Situation an ihrem Kummer gerade zu zerbrechen. Ich habe daher unsere Kunden immer wieder gebeten, ihr "Glücksherz" zu zeichnen: ein Herz und darin anteilig groß all das, was zu ihrem persönlichen Lebensglück beiträgt, zum Beispiel Freunde, Familie, Hobbys, eine befriedigende Arbeit und natürlich auch Partnerschaft. Bei den Leuten, die den schwersten Liebeskummer hatten, war das Herz immer zu mindestens 50 bis 90 Prozent mit "Partnerschaft" ausgefüllt. Wenn ich mein Herz so aufbaue und mir dann der riesige Partnerschaftsanteil wegbricht, dann zerbricht das Herz völlig. Wenn man aber mehrere Glücksquellen jenseits von Partnerschaft hat, bricht zwar immer noch eine große Ecke heraus, aber das Herz als solches bleibt stabil.

Und die Kunden, denen Sie das mitteilen, sagen dann: Aha, ich soll Beziehungen also einfach nicht mehr so wichtig nehmen, na, schönen Dank auch.

Das ist tatsächlich oft die erste Reaktion: "Ach, ich soll Partnerschaft also nicht so ernst nehmen" oder "Ihr glaubt also nicht an die wahre Liebe". Aber das ist genau das Missverständnis. Denn jemand, der sein Lebensglück weitgehend abhängig von Partnerschaft macht, wird selbst nie ein guter Partner sein. Er wird immer zu einer Abhängigkeit neigen und daher mehr Zugeständnisse machen, als eigentlich für seine Beziehung gesund wären. Man muss sich daher andere, eigene Glücksquellen erschließen.

Das ist für viele Ihrer Kunden wahrscheinlich leichter gesagt als getan.

Ja, aber für viele Betroffene ist es ein Anstoß. Der geliebte Mensch ist weg, keiner kann ihn zurückholen. Aber an seiner eigenen Situation kann man etwas ändern. Und wenn man merkt, dass man Schwierigkeiten hat, sich neue Glücksquellen zu erschließen, weil man vielleicht Probleme mit Selbstliebe und dem eigenen Selbstwertgefühl hat, kann man an diesem Punkt weitermachen. Kein Therapeut der Welt wird jemanden wegschicken, der wegen Liebeskummer kommt.

Was empfehlen Sie Anrufern, die gerade erst verlassen worden sind und außer sich vor Kummer?

Ganz banal, aber wichtig: essen, trinken, schlafen. Es kommt sehr oft vor, dass hier Leute anrufen, die sagen, sie hätten drei Tage nichts mehr gegessen, und die körperliche Erschöpfung macht alles noch schlimmer. Ich rate außerdem, sich jeden Tag gezielt etwas Gutes zu tun. Und sich mit Menschen zu umgeben, denen man nicht vorspielen muss, dass es einem blendend geht, sondern denen man die ganze Wahrheit sagen kann.

Oft hört man den Rat, man solle der verflossenen Liebe einen Brief schreiben und ihn dann wegschmeißen. Sie dagegen empfehlen, den Brief tatsächlich abzuschicken. Warum?

Jeden mit Liebeskummer treibt die Frage um, ob man nicht doch noch eine Chance hat, wieder zusammenzukommen. Und nicht wenige fangen dann an zu taktieren: Sie versuchen, den Ex-Partner eifersüchtig zu machen, oder verhängen eine komplette Kontaktsperre, weil sie hoffen, dass so seine Sehnsucht wächst. Aber meine ganz praktische Erfahrung aus fünf Jahren Beratung ist: In den wenigen Fällen, wo Paare tatsächlich wieder zusammengekommen sind, lag es immer daran, dass sie ehrlich zu ihren Gefühlen gestanden haben, auch zu ihrem Schmerz. Aber ich möchte auch keine falsche Hoffnung machen. Denn vor allem hilft der Brief einem selbst, einen Abschluss zu finden und loszulassen: Ich habe jetzt noch einmal alles ausgesprochen, was mir wichtig war – mehr kann ich wirklich nicht tun.

Hat Liebeskummer auch was Gutes?

Ja, absolut! Ganz selten gibt es Phasen im Leben eines Menschen, in denen so viel Potenzial für Weiterentwicklung steckt. Verlassen zu werden ist erst einmal eine emotionale Katastrophe. Aber im Rückblick kommen viele Menschen irgendwann zu dem Schluss, dass der Liebeskummer eine so positive Entwicklung für ihr Leben in Gang gesetzt hat, dass sie dem Ex-Partner dafür fast dankbar sind.

Das klingt fast schon ein wenig zu erwachsen und reflektiert.

Ich glaube aber, dass es stimmt. Man wird durch Trennung und Liebeskummer gezwungen, sich sehr mit sich selbst, seinen Wünschen und Bedürfnissen auseinanderzusetzen. Und das führt immer zu einem Reifungsprozess, den viele im Nachhinein als positiv bewerten. Ich höre das immer wieder, und ich weiß es auch aus eigener Erfahrung: Meine Trennung vor sieben Jahren war schließlich der Anstoß, mein Leben zu ändern, mich selbstständig zu machen und "Die Liebeskümmerer" zu gründen.

Sie schreiben, dass Partnerschaft heute in der Gesellschaft überbewertet werde, gar eine Ersatzreligion sei. Andere Autoren beklagen die "Generation Beziehungsunfähig", die gar nicht mehr in der Lage sei, sich zu binden.

Das eine hängt, glaube ich, mit dem anderen zusammen. Die Leute, die immer nur kurz mit jemanden zusammen sind, machen das ja vor allem, weil sie verzweifelt und permanent nach etwas suchen, was noch größer, schöner, erfüllender ist. Partnerschaft wird heutzutage zu etwas hochstilisiert, was sie gar nicht erfüllen kann. In Filmen wird immer das Bild von der einen, ganz großen Liebe hochgehalten, die ein Leben lang halten muss. Ich finde das schwierig.

Ich glaube nicht, dass die große Liebe zwangsläufig auf einen bestimmten Menschen beschränkt ist. Ich denke, es macht sehr bitter, wenn man das so sieht.

Weil die Wenigsten sie finden?

Ich hatte gerade eine Frau in der Beratung, die vier Jahre lang eine wunderschöne Beziehung geführt hatte. Sie war noch nie so glücklich wie mit diesem Mann. Aber nun sind sie getrennt, und sie stellt jetzt im Nachhinein alles infrage: "Diese vier Jahre hätte ich mir schenken können, ich habe geglaubt, dass das meine große Liebe ist, und jetzt ist er doch weg..."Ich frage mich da: Bemisst sich eine große Liebe wirklich daran, dass sie ein Leben lang hält? Kann eine große Liebe nicht auch eine sein, die vielleicht nur sechs Monate gehalten hat, die aber unheimlich wichtig in meinem Leben war? Ich glaube nicht, dass die große Liebe zwangsläufig auf einen bestimmten Menschen beschränkt ist. Ich denke, es macht sehr bitter, wenn man das so sieht. Ich glaube, die große Liebe ist vor allem eine Fähigkeit, die wir als Menschen in uns tragen – nämlich, sie zu geben und sie zu empfangen.

Jetzt reinhören: "Paaradox" – der Beziehungs-Podcast

Im Podcast "Paaradox" spricht BRIGITTE-Redakteurin Nikola Haaks mit dem Paartherapeuten-Paar Claudia Clasen-Holzberg und Oskar Holzberg über Liebe, Beziehungsprobleme und Sex. Unbedingt mal reinhören!

Verwendete Quellen: 

  • "Liebeskummer dauert im Schnitt 12,4 Monate – wer verlassen wird, leidet länger", elitepartner.de, zuletzt aufgerufen: Juni 2023
  • "Study: Women hurt more by breakups but recover more fully", binghamton.edu, 2015
  • "Warum Liebe weh tut", Eva Illouz, 2011
  • "Goodbye Herzschmerz", Elena-Katharina Sohn, 2016
  • "Liebeskummer bewältigen in 99 Tagen", Michèle Loetzner, 2023
as, Interview: Sonja Niemann BRIGITTE 09/2016 Brigitte

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