Anzeige

Beziehung Warum wir Liebeskummer ernst nehmen sollten

Frau sitzt weinend auf Sofa und hat Liebeskummer
© leszekglasner / Adobe Stock
Liebeskummer tut weh. Körperlich und seelisch. Weshalb der Trennungsschmerz alles andere als eine Lappalie ist, wir mehr darüber reden und uns weniger schämen sollten? Unsere Autorin teilt ihre Gedanken.

Mit 16 hatte ich erstmals Liebeskummer. Mein erster Freund hatte mich an Silvester betrogen und eine meiner besten Freundinnen klärte mich einige Wochen später darüber auf. Als ich ihn zur Rede stellte, folgte keine Reue. Die Beziehung zerbrach und damit auch mein Herz. Da stand für mich fest: Ich will mich nie wieder verlieben und diesen Schmerz durchleben. Doch ist der Liebeskummer erstmal überstanden, weiß man schon gar nicht mehr, dass er wirklich die Hölle ist.

Es sollte fast zehn Jahre dauern, bis ich mich abermals unglücklich verliebte. Obwohl ich mir doch geschworen hatte, alles in meiner Macht Stehende dafür zu tun, nie wieder eine solch düstere Zeit zu durchleben – und dann auch noch für eine so abstrakte Angelegenheit wie die Liebe. Sind die Gefühle da, lassen sie aber nicht mit sich reden. Man kann ihnen nicht sagen, dass sie verschwinden sollen und dann gehen sie. Um Liebeskummer zu überstehen, braucht es Zeit. Und es bedarf Menschen, die für uns da sind, sich immer und immer wieder unseren Kummer anhören und uns ernst nehmen. Das fasst die Autorin Dolly Alderton in ihrem Buch "Alles was ich weiß über die Liebe“ schön zusammen: "Der Mensch im Zentrum einer Krise braucht die Hilfe seiner Familie und seiner besten Freunde, und diese wiederum brauchen ebenfalls die Unterstützung ihrer Freunde, Partner und Familien. Und dann müssen selbst diese Menschen, die zwei Schritte entfernt stehen, möglicherweise mit jemandem darüber reden. Es braucht ein ganzes Dorf, um ein gebrochenes Herz zu heilen."

Liebeskummer ist nicht nur Teenagern vorbehalten

Als ich vor wenigen Monaten meinen schlimmsten Liebeskummer durchlebte, war ich für nichts zu gebrauchen. Jeden Morgen suchte ich nach Gründen, weshalb es sich aufzustehen lohnte. Ich fand sie nicht. Ich war kaum in der Lage zu arbeiten. Ich konnte nicht essen. Nicht duschen. Alles, was ich wollte, war schlafen, um der Realität zu entfliehen. Mich in der Vergangenheit verlieren. Moment für Moment in meinem Kopf vor und zurückspulen. Küsse und Berührungen nachempfinden und mich so weniger allein fühlen. Anzeichen suchen, anhand derer ich doch hätte erkennen müssen, dass mir mein Herz erneut in Stücke zerrissen wird.

Umso dankbarer bin ich, dass ich ausgewählte Freund:innen an meiner Seite hatte, die sehr geduldig mit mir waren. Die meine Gefühle ernst nahmen. Doch ich weiß, dass das nicht die Normalität ist. Ich habe das Gefühl, dass Liebeskummer für viele immer noch etwas ist, worunter nur Teenager leiden dürfen. Zerbricht eine "erwachsene" Beziehung, bekommen wir vielleicht zwei Wochen Schonfrist, aber danach sollten wir bitte auch wieder zu gebrauchen sein. Liebeskummer ist aber keine Lappalie, die sich mit etwas Schoko-Eis abspeisen lässt. Liebeskummer ist ein tiefer, emotionaler Einschnitt in unser Leben und kann alles verändern.

Frauen leiden intensiver, aber kürzer als Männer

Laut einer heteronormativen Studie der Binghamton University in New York leiden Frauen intensiver, aber dafür kürzer an Liebeskummer als Männer. Letztere versuchen am Anfang eher zu kompensieren und zu verdrängen, weshalb sie am Ende länger leiden. Oft so sehr, dass sie auf lange Sicht keine neue, ernsthafte Partnerschaft zustande bringen. Natürlich ist Liebeskummer keine heteronormative Angelegenheit. Dieser Schmerz wird früher oder später jeden erreichen – im schlimmsten Fall sogar mehrmals im Leben – und kann bei jeder Person ernstzunehmenden Schaden wie Depressionen oder Bindungsstörungen anrichten. Daher ist es umso wichtiger, dass wir über den Schmerz und über die zerbrochene Liebe reden. Dass wir ihn nicht romantisieren, weil ja in zwei Wochen eh alles gut wird. Das ist vielleicht in RomComs so, aber nicht in der Realität.

Das weiß die Wissenschaft über Liebeskummer

Dass Liebeskummer ähnlich viel Schaden anrichten kann, wie physischer Schmerz, ist darauf zurückzuführen, dass hier dieselben Gehirnareale aktiviert werden. Psychologisch gesehen gilt Liebeskummer sogar als reaktive Depression. Also eine depressive Reaktion auf einen belastenden Vorfall.

Zudem haben wir aus evolutionärer Sicht ein Sicherheitsbedürfnis. Daher schlafen wir zum Beispiel besser, wenn wir nicht allein sind. Obgleich wir heutzutage eher allein leben und nicht in großen Gemeinschaften unterwegs sind, hat sich unser Gehirn daran noch nicht angepasst. Das Einzige, was wir also gegen den Schmerz tun können, ist ihn zu akzeptieren, zu verstehen und darauf zu vertrauen, dass es irgendwann nicht mehr wehtut.

Warum tut Liebeskummer so weh?

Weshalb wir bei Liebeskummer so sehr leiden, hat außerdem mit den Hormonen zu tun. Sind wir in einer glücklichen Beziehung voller Nähe und Vertrauen, produziert unser Hirn regelmäßig Dopamin, also ein Glückshormon. Zudem ist da eine Person, mit der wir kuscheln können, die uns in den Arm nimmt. Dabei wird das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet. Es sorgt dafür, dass Stresshormone abgeschwächt werden, und kann die Paarbindung stärken. Unser Körper wird süchtig nach diesem Zustand der Zufriedenheit. 

Im Zuge der Trennung kommt es dann zu einem Abfall des Dopamin- und Oxytocin-Spiegels. Das gleicht einem kalten Entzug, mit dem unser Körper nicht zurechtkommt. Damit lassen sich unter anderem Appetitlosigkeit, Konzentrationsprobleme, Antriebslosigkeit und Traurigkeit erklären.

Fazit: Wie geht man mit Liebeskummer um?

Es gibt Menschen, die den Liebeskummer sofort loswerden wollen und alles dafür tun, das Geschehene zu verdrängen, genauso wie es Menschen gibt, die sich wochenlang dem Schmerz hingeben. Wir sind Individuen und reagieren unterschiedlich auf Liebeskummer. Und wir haben auch das Recht dazu. Es sind schließlich vor allem unsere Erfahrungen, die uns formen und darüber entscheiden, wie wir mit Trennungsschmerz umgehen. Daher gibt es nicht die eine, beste Reaktion auf Liebeskummer.

Ich für meinen Teil denke, dass es gesund ist, ordentlich zu weinen und sich dem Schmerz hinzugeben. Genauso wichtig ist es aber auch, sich abzulenken und schöne Momente zu erleben – denn Liebeskummer ist purer Stress für unseren Körper. Richtungsweisend sind ebenso Gespräche mit dem:der Verflossenen. Nur wenn wir verstehen, weshalb wir verlassen wurden oder Beziehungen enden, können wir vernünftig damit abschließen. Fehlen uns Antworten, wird der Schmerz noch größer.

Die beste Lösung ist daher vermutlich eine Kombination aus verschiedenen Ansätzen. Vor allem ist es aber der Fokus auf sich selbst. Sich zu reflektieren, das Erlebte einzuordnen, mit sich selbst ins Reine zu kommen, Stück für Stück die Freude am Leben wiederzufinden. Und am Ende die Erkenntnis zu gewinnen, dass Liebeskummer zwar schlimm ist, aber uns wachsen lässt. Doch das benötigt Zeit. Zeit, die wir uns nehmen sollten.

Verwendete Quellen: 

  • Fisher, H. (2006): Broken hearts: The nature and risks of romantic rejection
  • Liebeskummer: Wenn aus dem Wir ein Ich geworden ist, scilogs.spektrum.de (Stand: September 2022)
  • Alderton, D. (2019): Alles, was ich weiß über die Liebe
Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel