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Wechseljahre oder Schilddrüse? Woher kommen meine Beschwerden?

Wechseljahre oder Schilddrüse?: Woher kommen meine Beschwerden?
© Boissonnet/BSIP/Corbis
Die Schilddrüse ist eine der wichtigsten Steuerzentralen unseres Körpers. Bei einer Störung kann es gefährlich werden. Die übersehen wir allerdings häufig, denn die Schilddrüse bereitet ähnliche Beschwerden wie die Wechseljahre.

Du schläfst schlecht, der Zyklus macht, was er will, und der 50. Geburtstag steht bevor. Willkommen in den Wechseljahren, denken viele Frauen. Doch diese typischen Symptome des hormonellen Umbruchs können auch eine andere Verursacherin haben: die Schilddrüse. Und das wird leicht übersehen.

Störungen dieses Organs sind weit verbreitet und treffen besonders häufig Frauen. Das Risiko dafür steigt ab der Lebensmitte. Mehr als die Hälfte der über 45-Jährigen ist von Veränderungen betroffen. "Aber auch in hormonellen Übergangsphasen erleben wir häufig Entzündungen und Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse", sagt die Hamburger Gynäkologin Dr. Katrin Schaudig. Das kann nach der Geburt eines Kindes der Fall sein, aber eben auch unmittelbar vor und in den Wechseljahren. Warum das so ist, wissen die Mediziner noch nicht genau.

Zum Verwechseln ähnlich: Symptome von Wechseljahresbeschwerden und einer erkrankten Schilddrüse

Fest steht aber: Die Symptome von Wechseljahresbeschwerden und diejenigen einer erkrankten Schilddrüse können sich zum Verwechseln ähnlich anfühlen. Und sie können einander verstärken. Eine Unterfunktion der Schilddrüse zeigt sich zum Beispiel durch Gewichtszunahme, Frieren und Müdigkeit; eine Überfunktion durch innere Unruhe, Schlafstörungen und Herzbeschwerden – alles Probleme, wie sie auch die Wechseljahre verursachen können. Unregelmäßigkeiten im Zyklus können sowohl der Menopause wie der Schilddrüse zugeschrieben werden. Stimmungstiefs sind ebenfalls in den Wechseljahren nicht ungewöhnlich, insbesondere in der Zeit vor der letzten Periode, können aber auch erste Anzeichen einer Schilddrüsenerkrankung sein. Und die Beschwerden bedingen sich gegenseitig: Depressive Verstimmungen können den Beginn einer Unterfunktion fördern, die Unterfunktion kann wiederum Depressionen verursachen oder in Gang halten.

Daneben gibt es Symptome, die sich je nach Ursache geringfügig unterscheiden, etwa das Schwitzen. "Typisch für die Wechseljahre ist eine im Körper aufsteigende Hitze, die spontan und ohne Anstrengung entsteht", sagt Katrin Schaudig. Wir empfehlen dir auch unseren Artikel über die typischen Hitzewallungen in den Wechseljahren. "Feuchte Haut und zittrige Hände weisen dagegen auf eine Überfunktion der Schilddrüse hin, die Frauen erleben die Hitzewallung nicht als aufsteigend." Für ein Schilddrüsenproblem spricht auch ein ständig verspannter Nacken.

Bis die richtige Diagnose gestellt wird, dauert es allerdings oft recht lange. "Der Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Beschwerden und einer Schilddrüsenerkrankung wird häufig nicht gesehen. Manchmal wird deshalb jahrelang falsch oder gar nicht behandelt", beklagt die Schilddrüsenexpertin Christina Sachse. Die Symptome treiben viele Frauen nicht einmal zum Arzt – die Mutter hatte das schließlich auch in den Wechseljahren.

Die Schilddrüse ist ein unterschätztes Organ

Manche Menschen wissen gerade mal von der Schilddrüse, dass sie im Hals sitzt und für einen Kropf verantwortlich sein kann. Doch die schmetterlingsförmige Drüse, bei Frauen höchstens 18 Gramm schwer und groß wie eine Walnuss, ist eine der wichtigsten Steuerzentralen des Körpers. Sie reguliert die Funktion von Nerven, Herz, Kreislauf und Muskeln und stellt dem Körper die Energie zur Verfügung, die er gerade braucht. Sie nimmt Einfluss auf die Verwertung der Nahrung, auf die Körpertemperatur, den Zyklus und die Psyche.

Ein fein justierter Kreislauf bestimmt ihre Arbeit. Mithilfe von Jod aus der Nahrung oder Nahrungsergänzungsmitteln bildet die Schilddrüse die Hormone Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3). Sinkt die Konzentration dieser Hormone im Körper, schüttet die Hirnanhangsdrüse einen Botenstoff aus, das Hormon TSH, das die Schilddrüse stimuliert. Es regt die Jodaufnahme an und so die Bildung und Abgabe der Schilddrüsenhormone. Ist dieser Kreislauf gestört, kommt der ganze Organismus durcheinander.

Bluttest gibt Antwort

Ob eine Funktionsstörung vorliegt, zeigt in den meisten Fällen ein Bluttest. Der Laborwert für TSH gibt an, ob der Körper ausreichend mit Schilddrüsenhormonen versorgt wird. Darüber hinaus werden häufig die freien Schilddrüsenhormone gemessen (fT3 und fT4), die unmittelbar in den Zellen wirken. Wichtig ist außerdem eine Ultraschalluntersuchung, damit der Arzt Größe und Struktur der Schilddrüse sowie eventuelle Knoten darin sehen kann.

Ein erhöhter TSH-Wert und niedrige Werte für fT3 und fT4 weisen auf eine Unterfunktion der Schilddrüse hin. Es kursieren zu wenig Schilddrüsenhormone im Körper, die Stoffwechselprozesse laufen langsamer ab, die Verdauung funktioniert nicht richtig, der Herzschlag ist ebenfalls verlangsamt, die Konzentration leidet. Zeigen sich umgekehrt ein niedriger TSH-Wert und hohe Werte für fT3 und fT4, liegt eine Überfunktion der Schilddrüse vor; Gewichtsverlust, Schwitzen, Nervosität können die Folgen sein.

Anzahl und Schwere der Symptome variieren bei den Betroffenen. Manchmal treten typische Beschwerden schon auf, bevor die Blutwerte entgleisen. Andere Frauen spüren es kaum, wenn die Schilddrüse nicht mehr richtig arbeitet. Symptome wie Müdigkeit oder trockene Haut sind schwer zu fassen und werden leicht übersehen. Zwischen drei und 16 Prozent der Menschen in Deutschland sollen eine solche latente Unterfunktion haben, am häufigsten Frauen über 60. Manchmal merken die Patientinnen erst mit Beginn der Behandlung, dass vorher etwas nicht stimmte. "Der Körper gewöhnt sich an den niedrigen Energielevel", sagt der Nuklearmediziner Dr. Matthias Glawe aus der Gemeinschaftspraxis Cardiologicum Hamburg-Wandsbek.

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Die Hashimoto-Thyreoiditis kann eine Unterfunktion auslösen

Als häufigster Auslöser einer Unterfunktion galt früher Jodmangel. Inzwischen wissen die Mediziner, dass oft eine Autoimmunerkrankung schuld ist: die Hashimoto-Thyreoiditis. Dabei wehrt der Körper das eigene Schilddrüsengewebe ab und zerstört es, eine chronische Entzündung entsteht. Die Anlage für diese Krankheit liegt in den Genen, betroffen sind zehnmal mehr Frauen als Männer. Zeiten des hormonellen Umbruchs erhöhen das Risiko für ihren Ausbruch ebenso wie das Alter. Auch seelische Belastung, bakterielle und virale Entzündungen, Rauchen und Selenmangel können die Krankheit begünstigen. Heilbar ist sie bislang nicht, die fehlenden Schilddrüsenhormone müssen lebenslang durch die Einnahme von Tabletten ersetzt werden. Das Risiko, weitere Autoimmunerkrankungen wie eine rheumatoide Arthritis zu bekommen, ist erhöht.

Häufig deuten Antikörper im Blut auf die Hashimoto-Thyreoiditis hin, ohne dass eine Unterfunktion der Schilddrüse diagnostiziert wird. "Dann besteht noch kein Behandlungsbedarf, die Autoimmunerkrankung liegt aber vor und muss beobachtet werden", sagt die Professorin Dagmar Führer, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Zyklusschwankungen können zum Beispiel bereits auftreten, selbst wenn die Schilddrüsenfunktion noch intakt ist.

An einer Überfunktion sind häufig Knoten schuld

Eine Überfunktion der Schilddrüse entsteht dagegen häufig durch Knoten. Diese entwickeln sich aus Zellen, die sich den Botschaften des Gehirns widersetzen und autonom arbeiten. Während kalte Knoten keine Hormone bilden, sind heiße Knoten hochaktiv und produzieren Schilddrüsenhormone in großen Mengen. Auch das Risiko für Knoten wächst mit dem Alter. Studien zeigen, dass nur etwa zehn Prozent der 25-jährigen Frauen Knoten in der Schilddrüse haben, jedoch über die Hälfte der 70-jährigen. Begünstigt wird ihre Entstehung durch Jodmangel, eine genetische Veranlagung und Rauchen.

Behandeln lässt sich eine Überfunktion der Schilddrüse mit Medikamenten, die die Jodaufnahme behindern und so die Hormonproduktion begrenzen (Thyreostatika). Wegen ihrer Nebenwirkungen verschreiben die Ärzte sie allerdings nicht auf Dauer.

Bei heißen Knoten wenden die Mediziner oft eine Radiojodtherapie an. Dabei wird den Betroffenen radioaktives Jod verabreicht, das sich in den besonders aktiven Zellen der Schilddrüse anlagert, welche durch die Strahlung zerstört werden. Darüber hinaus finden pro Jahr in Deutschland rund 120.000 Schilddrüsenoperationen statt. Gründe dafür sind eine sehr große Schilddrüse, die auf den Hals drückt, heiße Knoten und Verdacht auf Krebs. Allerdings wird die hohe Zahl von Experten auch kritisiert. "Eine bessere vorherige Abklärung der Schilddrüse wäre wünschenswert", sagt Dagmar Führer.

Wichtig wäre nach Meinung vieler Ärzt:innen auch eine regelmäßige Vorsorgeuntersuchung der Schilddrüse, vor allem in den Wechseljahren. Denn gerade eine Überfunktion sollte möglichst schnell aufgedeckt werden; sie erhöht das Risiko für Herzrhythmus-Störungen, Schlaganfälle und Alzheimer. Bei Frauen nach der Menopause kann sie die Entstehung von Osteoporose, Knochenschwund, begünstigen. Dagegen sei eine Unterfunktion unangenehm, medizinisch aber nicht gefährlich, sagt Nuklearmediziner Matthias Glawe. Zumindest bei geringer Ausprägung – mit der Zeit steigt allerdings das Risiko für erhöhten diastolischen Blutdruck, einen erhöhten Cholesterinspiegel und Arteriosklerose. Deshalb gehen die Ärzte immer mehr dazu über, nicht nur manifeste Fehlfunktionen zu behandeln, sondern auch latente, bei denen nur der TSH-Wert abweicht, da auch sie negative Folgen haben können.

Wenig untersucht ist bisher die Auswirkung einer Hormonersatztherapie in den Wechseljahren auf die Schilddrüse. Sicher ist nur, dass durch eine Zufuhr von Östrogenen weniger freie Schilddrüsenhormone direkt in den Zellen wirken. "Frauen, die die Schilddrüsenhormone gleichzeitig mit Östrogenen bekommen, brauchen eventuell eine höhere Dosis", sagt die Professorin Alexandra Kautzky-Willer. Die Endokrinologin von der Medizinischen Universität Wien weiß, dass bei der Behandlung einer erkrankten Schilddrüse oft Geduld nötig ist. Besteht die Störung schon länger, kann es Monate dauern, bis der Hormonhaushalt wieder in Balance ist. "Nicht jede Frau spricht gleich gut auf die Behandlung an. Trotz einer Substitution des Schilddrüsenhormons kann es schwerfallen, abzunehmen oder aus einem seelischen Tief herauszukommen", sagt Alexandra Kautzky-Willer. Oft stellt sich auch erst dann heraus, dass nicht an allen Beschwerden die Schilddrüse schuld war. Manchmal sind es doch Anzeichen für die Wechseljahre.

Vorsicht, Jodmangel!

Die Schilddrüse braucht Jod, bei Jodmangel dehnt sie sich aus, ein Kropf (Struma) kann entstehen. Die Jodversorgung in Deutschland hatte sich seit Mitte der 1990er Jahre verbessert, vor allem durch die Verwendung von jodiertem Speisesalz und die Jodierung des Tierfutters. Studien zeigen eine durchschnittliche Jodversorgung hierzulande im "unteren optimalen Bereich". Nun scheint sich die Lage jedoch wieder zu verschlechtern: "Die Nahrungsmittelindustrie hat aufgrund internationaler Regularien den Jodgehalt ihrer Produkte vermindert", sagt die Endokrinologin Dagmar Führer. Um genug Jod aufzunehmen (180 bis 200 Mikrogramm am Tag), wird empfohlen, regelmäßig jodiertes Speisesalz zu verwenden, täglich Milch, Milchprodukte und Käse sowie ein-bis zweimal wöchentlich Seefisch zu verzehren.

Verschiedene Faktoren können jedoch die Aufnahme von Jod oder die Bildung von Schilddrüsenhormonen hemmen. Dazu gehören das Rauchen, ein Mangel an Selen, Zink und Eisen, aber auch der häufige Verzehr bestimmter Lebensmittel wie Kohl, Rettich, Mais und Hirse. Bei der Hashimoto-Thyreoiditis können größere Mengen Jod die Krankheit verstärken. Deshalb sollten Betroffene nicht regelmäßig Jodid-Tabletten einnehmen. Sie können sich allerdings normal ernähren und auch jodiertes Speisesalz verwenden.

Text: Natalie Rösner BRIGITTE woman 01/14 Brigitte

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