Für große Vielfalt ist die Modebranche normalerweise nicht bekannt - zumindest, was Schönheitsideale angeht. Die überwältigende Mehrheit der Frauen, die auf Laufstegen und in Anzeigen Kleidung präsentieren, sind schlank, jung und weiß. Gleichzeitig ist Auffallen auf diesem umkämpften Markt alles.
Wohl auch deswegen setzen einige Labels inzwischen gezielt auf ein vielfältigeres Schönheitsbild. Bei der Fashion Week in Berlin ließ das Label Umasan ältere und jüngere, schwarze und weiße Models gemeinsam über den Laufsteg gehen. Das New Yorker Luxuskaufhaus Barneys zeigt die neue Frühjahr-/Sommerkollektion an Transgender-Models. Und American Apparel wirbt neuerdings mit einer 62-Jährigen für Unterwäsche. Auf der Fotoplattform Instagram veröffentlichte die amerikanische Modekette eine Aufnahme der Schauspielerin Jacky O'Shaughnessy in einem trägerlosen Spitzenbustier und einem pinkfarbenen Spitzenhöschen. Die Bildunterschrift lautet: "Sexy has no expiration date" - sexy hat kein Verfallsdatum.
Selbstbewusst blickt die Frau mit dem langen grauen Haar, den dunklen Augenbrauen und den pinkfarbenen Lippen in die Kamera. Trotz des trostlosen Altbau-Hintergrunds strahlt sie eine betörende Eleganz aus. Entdeckt die Modebranche etwa die Erotik des Alters? Oder ist die Aufnahme nur eine weitere bewusste Provokation? Genau darauf ist American Apparel - neben knallengen Röhrenjeans, bunten Leggings und bauchfreien T-Shirts - spezialisiert. Das Label stellt Puppen mit Schamhaar ins Schaufenster oder lässt Mitarbeiterinnen ohne Slip für Kampagnenbilder posieren.
Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob Frauen, wie es der Slogan suggeriert, überhaupt sexy sein wollen. Trotzdem trifft die Kampagne einen Nerv: Anziehungskraft ist keine Frage des Alters - das gilt für die Mode und fürs Leben sowieso.
