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Müssen wir eigentlich immer zusammen sein?

"Zu mir oder zu dir?" So fing es einmal an. Seither liegen wir zusammen in einem Bett. Aber schlafen wir auch gut?

Für andere mag unser Bett ein Bettgestell mit Matratze, Kopfkissen und Plumeau sein - für uns ist es mehr: Rückzugsort und ureigenstes Reich. Es kennt uns besser als die beste Freundin. Fröhlich, dass die Kissen fliegen. Schniefend, mit dickem Schal und Triefnase. Versonnen, träumend, lustvoll oder tränenüberströmt. Wir trinken darin im Pyjama unseren Lieblingstee, frühstücken mit Champagner und frischen Brötchen, schreiben Tagebuch oder lesen einen dicken Schmöker. Nirgendwo sonst sind wir so unverstellt, ungeschminkt, so sicher vor der Welt da draußen. Eigentlich erstaunlich, dass wir überhaupt jemanden hineinlassen - in unser Bett.

Aber genau das tun wir. Verbringen, verliebt oder zerstritten, Jahr um Jahr, Nacht um Nacht neben einem anderen Menschen. Kuscheln, schmusen, flüstern uns im Dunkeln Heimeliges zu. Genießen die Nähe. Und fühlen uns genauso oft gestört. Weil er uns Arme oder Beine um den Leib schlingt, so dass wir uns kaum mehr rühren können. Oder schnarcht, dass sich die Balken biegen. Oder im Schlaf Gespräche führt. Uns penetrant an den Rand drängt. Dass wir beinahe herausfallen. Bis wir umziehen. Irgendwann. Zuerst vielleicht nur auf die Couch. Aber dann, endlich, in unser eigenes Bett. Mit der safrangelben Bettwäsche im Indien-Look, die er nie mochte. Dem Tüll-Himmel über unserem Kopf. Den knalligen Kissen, die wir von unseren Urlauben mitgebracht haben. Und wir fragen uns: Warum erst jetzt?

Wer gut schlafen will, muss darüber reden

Beate Küster* versteht das nur allzu gut. Sie musste 60 Jahre alt werden, um sich den Traum vom eigenen Bett zu erfüllen. "In meiner (* Namen von der Redaktion geändert) ersten Ehe war es so, dass mein Mann sich nachts drehte und wälzte. Ich hopste unfreiwillig auf und ab. Und dann sprach er auch noch im Schlaf!" Nach dem Tod ihres Mannes lernt sie ihren jetzigen Partner kennen. Und macht ihm noch vor der Hochzeit unmissverständlich klar, dass sie mit ihm nicht in einem Bett schlafen will. "Das ist ihm nicht leicht gefallen", sagt die Bonnerin. "Aber ich habe ihm gesagt: Es sei so, als ob der König seine Königin besuche."

Ein hübsches Bild. Solche Bilder sprudeln aus Beate Küster nur so heraus. Denn sie schreibt Romane, Liebesromane. Hat ihre besten Einfälle am Abend. Oder in der Nacht. "Schon deshalb brauche ich ein eigenes Bett", sagt die passionierte Hobbyschriftstellerin voll Überzeugung. "Denn was soll ich machen, wenn ich meine Ideen habe und liege neben so einem Frühaufsteher, wie es mein Mann ist?" Sie hat deshalb ein einladendes Bett in ihrem Schlafzimmer stehen, ebenso wie ihr Mann in seinem. Damit der König seine Königin oft besuchen kann. Oder umgekehrt. "Wir haben eine sehr leidenschaftliche Beziehung", lacht die quirlige Frau. "Manchmal reicht ein Wort, ein Blick, eine humorvolle Geste, und die Lust erwacht." - "Aber danach sage ich immer: Dann schlaf mal schön - stehe auf und gehe in mein eigenes Zimmer."

Für viele ist das Bett aber auch eine Oase im Alltag.

Ein eigenes Bett, ganz selbstverständlich - das ist ziemlich ungewohnt. Haben wir doch andere Vorstellungen im Kopf, wenn wir an Ehe oder Beziehung denken. Liebe und gemeinsam schlafen, das gehört für uns zusammen. Erst bei einer Scheidung trennen wir uns schließlich normalerweise "von Tisch und Bett". Tatsächlich sind die wenigen Minuten vor dem Einschlafen oder nach dem Aufwachen für viele Paare Oasen in ihrem stressigen Alltag. Die Zeit, in der sie sich am nächsten sind. Das hat der US-Forscher Paul C. Rosenblatt herausgefunden, der ein Buch über das gemeinsame Schlafen verfasst hat, das zum Bestseller avancierte. "Paare erfahren oft erst da, was der andere während des Tages erlebt hat", schreibt der Universitätsprofessor aus dem amerikanischen Bundesstaat Minnesota. "Sie machen im Bett Pläne, treffen Entscheidungen, reden über ihre Situation, lösen Probleme oder versuchen, Konflikte zu lösen."

Aber müssen wir dafür die ganze Nacht nebeneinander liegen? Nicht unbedingt. "Intensiv lieben, getrennt schlafen" heißt die Variante, und dafür gibt es durchaus prominente Vorbilder: Der amerikanische Schauspieler Brad Pitt und Angelina Jolie etwa sind bekennende Getrennt-Schläfer. Und die Schauspieler Nadja Tiller und Walter Giller, einst Traumpaar der Deutschen, sollen in ihrer langjährigen Ehe kaum eine Nacht unter einer Decke verbracht haben.

Für Kerstin Busch*, 42, ist es vor allem wichtig, dass sie sich entscheiden kann, unter welche Decke sie schlüpfen möchte. Zu mir oder zu dir? Zu dir, das heißt in das 1,80 Meter breite Bett ihres Partners, mit dem sie seit knapp zwei Jahren zusammenlebt. "Da schlafen wir eigentlich am häufigsten", erzählt die Marketing- Fachfrau aus Passau. "Aber auch, wenn ich bei mir geschlafen habe, komme ich nach dem Aufwachen noch mal zu ihm herüber, zum Kuscheln, zum Erzählen, zum Guten-Morgen-Sagen."

Sie liebt ihn, diesen kleinen Moment der Entscheidung jeden Abend. Er bedeutet für sie: "Ich habe die Wahl." Und das ist für sie lebenswichtig, "sonst drückt es mir die Kehle zu".

Vielleicht spürt Kerstin Busch auch einfach, was Schlafforscher jetzt bestätigt haben: dass wir nämlich gemeinsam in einem Bett "vielleicht subjektiv besser, objektiv aber eindeutig schlechter schlafen". Deutschlands führender Schlafforscher, der Regensburger Universitätsprofessor Jürgen Zulley, erklärt das so: "Paare in einem Bett haben nicht nur weniger Tiefschlafphasen, sondern wachen auch leichter auf als Menschen, die allein schlafen."

Gut schlafen heißt für sie . . .

Frauen sind davon offenbar besonders betroffen. Der Wiener Verhaltensbiologe John Dittami hat Paare 249 Nächte lang beim Schlafen beobachtet. Und kam dabei zu dem Schluss: "Frauen reagieren auf die Anwesenheit eines Bettpartners wesentlich sensitiver - sie schlafen schlechter, wenn jemand neben ihnen liegt." Dittami erklärt diese Sensibilität mit der Evolutionsgeschichte. Seiner Meinung nach passen Frauen auch im Schlaf unbewusst auf ihre Lieben, vor allem ihre Kinder, auf. Und sie reagieren deshalb bereits auf die leisesten Geräusche.

Vor allem in der zweiten Lebenshälfte kann dies zu einer echten Herausforderung werden. "Bis zu 60 Prozent der über 60-Jährigen schnarchen", weiß Schlafforscher Zulley. "Und das kann manchmal die Lautstärke eines Motorrads ohne Auspuff erreichen - bis zu 90 Dezibel." Hinzu kommt, dass wir in den späteren Jahren leichter um die Nachtruhe zu bringen sind. Wir schlafen weniger tief, wachen öfter auf. Und produzieren, erklärt Zulley, seltener die erholsamen Deltawellen, die uns das Gefühl geben, wirklich ausgeschlafen zu sein.

Vielleicht wird es deshalb für uns mit den Jahren leichter, ein eigenes Bett einzufordern - und nicht nur zu erträumen. Vielleicht auch, weil die Kinder aus dem Haus sind. Und ein Zimmer frei wird. Der nervenaufreibende Spagat zwischen Beruf und Familie vorbei ist. Und wir uns wieder auf uns selbst besinnen. Uns etwas gönnen können. Statt immer nur an die anderen zu denken.

Wie sage ich es meinem Mann?

"Ich kenne viele Frauen, die haben das Bedürfnis, mal allein zu schlafen", sagt Kerstin Busch. "Aber sie trauen sich nicht, es ihren Männern zu sagen." Auch im Internet sind die Communities zum Thema "Getrennt schlafen" voll von Frauen, die gern ein eigenes Schlafzimmer hätten. Aber, schreibt etwa eine Frau unter dem Pseudonym "Jogni": "Mein Mann kann sich an den Gedanken nicht gewöhnen." Und "LittleSun" meint: "Bei mir hat es drei Jahre gedauert, bis er zugestimmt hat." Sie hatte "schlicht und einfach Angst, dass er sich dann nicht mehr wohl fühlt".

Dabei kann es genau umgekehrt sein. Wie bei Christina Reichert. Vielleicht hätte ein eigenes Schlafzimmer sogar ihre erste Ehe retten können. Denn jahrelang kann sie neben ihrem damaligen Mann nicht schlafen. Liegt im klassischen Ehebett wach, stundenlang. Vor allem, wenn sie sich mal wieder gestritten haben. Sie kann dann kein Auge zutun. Starrt an die Decke, entwickelt - "während er neben mir schlief, tief und fest" - eine regelrechte Schlafstörung. Nicht nur, weil sie so einen leichten Schlaf hat. Sondern weil ihr der Rückzugsort fehlt. Ein Raum, wo "ich einfach nur ich selbst sein kann". Manchmal schleicht sie durchs Haus "wie ein wundes Tier". Und weicht irgendwann aus - ins Badezimmer: "Ich hatte eine klasse Beziehung zu meiner Badewanne", erzählt die 45-jährige Erzieherin aus dem pfälzischen Germersheim. Das Bad ist nämlich der einzige Raum im Haus, den niemand betritt, wenn sie mal die Tür zugemacht hat. Hier kann sie Abstand gewinnen, "einfach mal durchatmen".

Gut schlafen heißt für ihn . . .

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Beim zweiten Mal will sie es besser machen. Ein eigenes Bett, möglichst groß, und ein eigenes Zimmer - das sind ihre Bedingungen, als Christina Reichert mit ihrem neuen Partner zusammenzieht. Er versteht das erst nicht, akzeptiert es aber. Weil er sie akzeptiert. "In der Stadt gab es viel Gerede. Ich war ja angeblich sein Scheidungsgrund", erzählt sie. "Wenn ich da nicht mein eigenes Zimmer gehabt hätte, zum Abschalten, zum Krafttanken, auch mal zum Weinen - ich glaube, wir hätten es nicht geschafft."

Das eigene Bett als Rückzugsraum, als seelische Tankstelle? Für Anette Rapp, 44, ist es noch mehr: "Mein Bett ist mein Reich, meine Schutzglocke", sagt die Astrologin aus Wiesbaden. "Wenn jemand neben mir liegt, dann habe ich das Gefühl, ich fühle alle seine Gefühle und träume alle seine Träume." Und schnaubende, schnarchende Menschen neben sich zu spüren, das ist der Mutter von zwei Kindern nicht nur unangenehm, es ist ihr regelrecht zuwider. Deshalb hat sie ein eigenes Bett behalten - auch als sie mit ihrem Partner, der ebenfalls zwei Kinder hatte, zusammenzog.

Tatsächlich sehen bei den jungen Deutschen nur noch fünf Prozent der Frauen und elf Prozent der Männer in getrennten Schlafzimmern ein Zeichen von Distanz und "wenig liebevollem Umgang miteinander". Das hat die Online- Partneragentur Parship bei einer Befragung von 1000 Singles herausgefunden. Und: Auch ohne gemeinsame Nachtruhe kann eine Partnerschaft harmonisch sein, meinten 43 Prozent der Frauen und immerhin 34 Prozent der Männer.

Ich kann ganze Tage im Bett verbringen.

Vielleicht zeichnet sich hier ein neuer Trend ab - einer, der dem eigenen Schlafzimmer sein schlechtes Image nimmt. Denn ein Bett miteinander zu teilen, auch wenn es anfangs romantisch darin zugeht, ist keinesfalls einfach. "Zwei Menschen, die jede Nacht in einem Bett verbringen, müssen einen komplexen partnerschaftlichen Lernprozess durchlaufen", sagt US-Forscher und Autor Paul C. Rosenblatt. "Von den Signalen, wie und wann man ins Bett geht, über die Art, wo man seinen Kopf hinlegen sollte oder seine Beine, bis hin zum Umgang mit den Eigenheiten des anderen." Da kann es schon mal zu Irritationen kommen, und viele Schlafstörungen eines Partners haben mit dem Schlafverhalten des anderen Partners zu tun. "Lieber getrennt gut schlafen als gemeinsam schlecht", bringt es Frank Chudoba von Schlafkam pagne.de, einem Internetportal zum Thema Schlafen, auf einen Nenner. Auch Christiane Taphorn musste sich in ihrer neuen Beziehung erst daran gewöhnen, "dass man nicht mehr das ganze Bett hat, sondern nur noch eine Seite". Weil sie im Beruf fit sein musste und deshalb morgens ausgeruht sein wollte, hat sich die 41-jährige Polizeibeamtin aus Lüneburg mit ihrem Partner eine ganz besondere Lösung ausgedacht: zwei Wohnungen in einer. Ihr Reich, das sind zwei Zimmer, in denen knallige Farben und handgearbeitete Designmöbel dominieren. Er wiederum liebt einen gesetzten Kolonialstil: dunkle Möbel, Stuckdecken, Perserteppiche. Dazu: ein gemeinsames Schlafzimmer, mit einem XXL-Bett. Inzwischen ist ein Baby dazugekommen, und die Familie nächtigt seither meist zusammen. "Aber", sagt die Polizistin, "man kann eben auch mal ausziehen."

Kerstin Busch kann sich ein Leben ohne eigenes Bett nicht mehr vorstellen. Für sie ist es das Paradies auf Erden: "Ich kann ganze Tage im Bett verbringen", erzählt sie. "Ein bisschen lesen, ein bisschen fernsehen, etwas dösen, schreiben, essen - manchmal mache ich mir ein Tablett mit einem schönen Tee und gehe damit einfach in mein Bett."

Gut schlafen: zum Weiterlesen und -hören:

aul C. Rosenblatt: "Two in a Bed. The Social System of Couple Bed Sharing" (228 S., 17,99 Euro, State University of New York Press)

Jürgen Zulley:"Mein Buch vom guten Schlaf" (248 S., 19,95 Euro, Zabert Sandmann Verlag)

Jürgen Zulley und Jochen Waibel: "Schlaf gut!" (3er-CD-Box-Set, 41,59 Euro, G&H Gesund Verlag)

Text: Maria Speck und Evelyn Horsch Fotos: PR

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