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Pflege einer Mimose

Empfindliche Haut braucht besonders behutsame Fürsorge, mit so wenig Reizung wie möglich. So lernen Sie die Pflege einer Mimose

Sie ist wählerisch, schnell eingeschnappt und reagiert gern mal reichlich übertrieben: Eine empfindliche Haut gehört nicht gerade zu den unkompliziertesten Weggefährtinnen. Und doch begleitet sie immer mehr Menschen durchs Leben. Vor allem Frauen. Bei einer Umfrage des Studiengangs Kosmetik und Körperpflege der Uni Hamburg im vergangenen Sommer gaben 44 Prozent der Frauen an, öfter unter Juckreiz, Spannungsgefühl, Rötungen oder Kribbeln zu leiden, bei den Männern waren es nur 30 Prozent. Ähnliche Zahlen gibt es für England und die USA. "Das könnte daran liegen, dass die Oberhaut von Männern etwas dicker und damit unempfindlicher ist", erklärt Nils Krüger von der Uni Hamburg. "Möglicherweise spielen auch hormonelle Unterschiede eine Rolle. Vieles spricht aber dafür, dass Männer ihre Empfindlichkeit einfach nicht so gern zugeben."

Ebenfalls noch nicht ganz geklärt ist, warum überhaupt die Zahl der Menschen mit sensibler Haut zunimmt. Wir kommen aufgrund unseres veränderten Lebensstils mit immer mehr Wirkstoffen in Berührung. Zum Beispiel mit einer ganzen Reihe von Kosmetika. Neun bis 20 Produkte haben wir in unserem Badezimmerschrank. Bei manchmal bis zu 80 Inhaltsstoffen pro Tiegel oder Tube ergibt das eine beeindruckende Zahl von Substanzen, die oft täglich mit der Haut in Kontakt kommen. Die meisten davon sind harmlos, schließlich durchlaufen Kosmetika in Deutschland strenge Verträglichkeits- und Sicherheitsprüfungen.

Empfindliche Haut protestiert sofort, und das wirkt manchmal wie eine Allergie

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Doch prinzipiell kann jeder Stoff die Haut reizen - sogar klares Wasser. Dr. Johannes Wohlrab, Dermatologe an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg, sieht deshalb im falschen Umgang mit Kosmetika einen ganz wesentlichen Faktor für die Zunahme von Hautproblemen. Vor allem das Ausprobieren ständig neuer Produkte belaste empfindliche Haut. "Wenn man ein Produkt gut verträgt, sollte man am besten dabei bleiben." Das gilt besonders für das Gesicht. Schließlich ist dort die natürliche Schutzbarriere Haut viel dünner als am restlichen Körper.

Einen weiteren Grund für die steigenden Zahlen Hautempfindlicher vermuten die Wissenschaftler in unserer älter werdenden Gesellschaft. Reife Haut ist meist trockener und damit anfälliger für das Eindringen von Reizstoffen als junge. Der Übergang von der trockenen Haut zur empfindlichen ist fließend. Die Wahrscheinlichkeit von Hautirritationen steigt deshalb im Alter an. Je rascher es kribbelt oder piekst, desto eher kann man eine Allergie als Ursache ausschließen. Die macht sich nämlich oft erst nach einigen Tagen bemerkbar. "Nur" empfindliche Haut protestiert dagegen sofort. Mit Spannungsgefühl, Juckreiz, Rötung - verwirrenderweise sind das ähnliche Symptome wie bei einer Allergie. Wer sich deshalb nicht sicher ist, sollte einen Test bei einer als Allergologin ausgebildeten Hautärztin machen lassen. Der liefert zwar auch nicht immer endgültige Gewissheit, kann aber zumindest bei der Spurensuche nach Reizstoffen helfen. Und wer die kennt, kommt auch mit der sensiblen Haut besser zurecht. Bei der hilft nämlich nur ein bewährter Pflege-Dreiklang: schützen, vermeiden, lindern.

Der Säureschutzmantel hält die Haut gesund

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Solange unsere Haut unbeschädigt und gut durchfeuchtet ist, haben Eindringlinge keine Chance: Ein Säuremantel neutralisiert Bakterien und Umweltgifte. Die Hornschicht wartet mit einem fast undurchdringlichen Bollwerk aus Zellen, Wasser und Lipiden (= Fette) auf, das gleichzeitig verhindert, dass zu viel Feuchtigkeit nach außen abdunstet. So bleibt die Haut straff und der Schutzhaushalt im Gleichgewicht.

Doch beide Abwehrmechanismen sind verletzbar. Zum Beispiel durch häufiges Waschen oder Baden mit heißem Wasser. Das öffnet die Poren und spült die Fette aus der Haut. Die Schutzschicht bekommt Lücken. Eine ähnliche Wirkung haben Gesichtswasser oder Deodorants mit Alkohol. Auch schäumende Waschlotionen oder Seife können schaden: Die darin enthaltenen Tenside (Schaummacher) zerstören den Säuremantel. Ebenso wie Peelings - egal ob sie chemisch (z. B. durch Fruchtsäure) oder mechanisch (z. B. durch Sand) wirken. Wer eine empfindliche Haut hat, sollte auf solche Rituale und Produkte am besten verzichten und auf Pflegelinien umsteigen, die die anspruchsvolle Diva mit Samthandschuhen behandeln und die Abwehr unterstützen.

Empfehlenswert sind dabei zunächst einmal Lotions, Shampoos oder Deos mit dem hauteigenen pH-Wert von 5,5. Sie greifen den Säureschutzmantel nicht an. Im Gegenteil: Forschungen haben ergeben, dass sie sogar dabei helfen können, die darunter liegende Schutzbarriere der Hornschicht wieder aufzubauen. Das tun auch reichhaltige Cremes und Bodybutter: Darin enthaltene Fette (z. B. Ceramide) lagern sich zwischen den einzelnen Hornschichtzellen ein, das Austrocknen der Haut wird verhindert, die körpereigene Schutzbalance wieder ins Lot gebracht. Nicht so gut bei trockener Haut sind dagegen zu leichte Feuchtigkeitscremes. Sie ziehen zwar schneller ein und kühlen angenehm, können der Hornschicht jedoch Wasser entziehen. Die Folge: Die Haut spannt stärker als vorher. Doch nicht nur Fette helfen, das Wasser in der Haut zu halten. Ein bewährter Feuchtigkeitsbinder ist Harnstoff (Urea), der als natürlicher Bestandteil der Hornschicht seit Jahrzehnten in Cremes eingesetzt wird. Ganz neu ist eine Körpercreme, die Urea besonders gut in die Haut bringt. Nur dann kann sie eine stabile Barriere aufbauen. Glycerin oder Hyaluronsäure wirken wasserbindend. Dexpanthenol unterstützt außerdem die Bildung neuer Lipide. Wenn die Haut sehr stark geschädigt ist, vielleicht sogar offene Stellen aufweist, schaffen natürliche Biopolymere (= Molekülketten) ein Milieu, in dem sich die Hautzellen erneuern können.

Gut ist Pflege mit möglichst wenig Inhaltsstoffen

Grundsätzlich gilt: mit so wenig Stoffen wie möglich in Berührung bringen! Also lieber nur abends das Gesicht mit einer milden Reinigungslotion waschen - aber auch nur dann, wenn man vorher Make-up benutzt hat. Sonst reicht lauwarmes Wasser. Wer sogar auf milde Reinigungsprodukte mit Irritationen reagiert, kann sich mit Milch oder Öl abschminken, bei Öl aber besser die besonders empfindliche Augenpartie aussparen. Beauty- Produkte in Spendern sind geeigneter als Tuben: Cremereste am Rand können die Haut reizen. Außerdem sollte man darauf achten, Kosmetika mit möglichst wenig Inhaltsstoffen zu benutzen. Vorsicht ist vor allem bei 26 Duftstoffen geboten, die besonders häufig Allergien auslösen. Seit 2003 müssen diese auf der Verpackung genannt werden, eine Liste finden Sie hier. Wer ganz sicher gehen will, kauft am besten Produkte mit dem Zusatz "duftstofffrei" (im Unterschied zu "duftneutral"). Auch einige Konservierungsstoffe (z. B. Parabene) können Probleme machen, ebenso wie Frucht- oder Salizylsäuren (z. B. in Peelings), die Salbengrundlage Propylenglykol oder der Wirkstoff Retinol (z. B. in Anti-Aging-Cremes). Wichtig: Nicht jede Creme, die solche Stoffe enthält, muss für empfindliche Haut tabu sein. Entscheidend sind Konzentration und Gesamtmischung. Wenn Sie sich vor dem Kauf Proben mitgeben lassen, können Sie in Ruhe testen, ob Sie ein neues Produkt vertragen.

Kaschieren mit Make-up ist erlaubt, aber mit speziellen Produkten

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Ist die Haut bereits gereizt, können Produkte mit beruhigenden Substanzen wie Thermalwasser oder Bisabolol Linderung verschaffen. Licochalcone, ein Extrakt aus der chinesischen Süßholzwurzel, hemmt Entzündungen. Und Extrakte aus bestimmten Rosenarten und aus dem afrikanischen Moringa-Baum neutralisieren Neurotransmitter, die für stressbedingte Hautirritationen verantwortlich sind. Auch bestimmte Moleküle des brasilianischen Sophorin-Strauchs können dazu beitragen, Überreaktionen der Haut zu regulieren. Rötungen kann man durchaus mit Make-up kaschieren - auch sonst ist Schminken bei empfindlicher Haut kein Tabu. Aber man sollte unbedingt spezielle Produkte für sensible Haut verwenden. Die enthalten nur wenig Puder, der die Haut austrocknet, verzichten auf Duftund Konservierungsstoffe. Sie sind sie mit beruhigenden und feuchtigkeitsspendenden Substanzen angereichert - Hautpflege für den ganzen Tag. Wer empfindliche Augen hat oder Kontaktlinsen trägt, meidet besser Lidschatten mit Glitterpartikeln und verwendet Mascara, die explizit für Kontaktlinsenträgerinnen geeignet ist und nicht bröckelt. Egal, wie schonend das Make-up aber ist, die wichtigste Regel lautet: Abends muss alles wieder runter. Natürlich ganz besonders behutsam, im Gesicht kann man zum Beispiel milde Reinigungsmilch verwenden, die keine starken Emulgatoren enthält. Für die Augen gibt es Make-up-Entferner, die keine Duft- oder Farbstoffe enthalten und dem pH-Wert der Tränenflüssigkeit angepasst sind.

Text: Kristina Maroldt Fotos: Ray Parker, Clipart, Photocase Produktion: Birgit Potzkai

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