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Naturkosmetik im Test

Verschiedene Naturkosmetik-Produkte auf Tisch
© Syda Productions / Shutterstock
Autorin Angelika Brodde hat sich dem Test von Naturkosmetik gestellt. Wie fühlt sich ihre Haut an? Sitzen ihre Haare noch? Ist sie nun ein besserer Mensch?

Der Test zur Naturkosmetik - das Tagebuch

2. Januar

Alle, aber auch wirklich alle schwärmen von Naturkosmetik. Von überall höre ich: Bio-Beauty ist gut. Gut für die Haut, weil bei ihr statt umstrittener Konservierungsstoffe, Mineralöl, synthetischer Düfte, Farben und Emulgatoren nur die reine Natur in den Tiegel kommt. Und gut für die Welt, weil die Hersteller achtsam mit der Natur, den Menschen und den Ressourcen umgehen. Das, was ich gelesen habe, klang jedenfalls überzeugend: Wala zum Beispiel, die Firma hinter Dr. Hauschka Kosmetik, unterstützt gerade in Burkina Faso rund 500 Kleinbauern-Familien beim Aufbau einer eigenen Produktionslinie. Wenn die Anlage steht, gewinnen alle Beteiligten: Die einen bekommen Bio-Erdnussöl in Pharmaqualität, die anderen sichere und fair bezahlte Arbeit. Ebenfalls dank Bio-Beauty wachsen in der afghanischen Provinz Nangarhar jetzt Rosen für Naturkosmetik anstatt Mohn für Opium; und unterprivilegierte Kinder in Afrika bekommen auf der ägyptischen Sekem-Farm endlich die Chance zum Schulbesuch, weil sie halbtags beim biodynamischen Kräuteranbau helfen. Mit jedem Bio-Tiegel kann ich mir also das schöne Gefühl leisten, Teil einer guten Sache geworden zu sein. Das ist es, was ich will. Ich werde jetzt mein Leben verändern. Oder darf ich sogar sagen: fair-ändern?

3. Januar

Habe als Erstes im Bad aufgeräumt. So ganz leicht ist mir das nicht gefallen. Naturkosmetik mag gut sein für die Welt, dafür fühlt sich meine Tagescreme mit Silikon-Partikeln einfach perfekt an, außerdem hat sie diesen tollen, selbst in Neonlicht beständigen Weichzeichner-Effekt. Aber wer sich der reinen Naturlehre anschließt, benutzt nun mal keine synthetischen Öle. Ich lagere die Creme in den Keller aus, zusammen mit dem Anti-Aging-Augen-Gel, dem Volumenschaum, dem Nagellack, meinem teintadaptierenden Make-up, der Couperose-Creme, der Augenbrauenfarbe und verschiedenen anderen unbiologischen Beauty-Bomben. Falls es mit mir und der Naturkosmetik nicht klappt, kann ich immer noch auf meine alten Freunde zurückgreifen. Die Sachen halten garantiert. Sind ja Konservierungsstoffe drin.

5. Januar

Heute wollte ich in der Bio-Ecke meiner Lieblingsdrogerie die erste Ausstattung für mein neues, grünes Leben kaufen. Es gab dort gut zehn Regalmeter echte Naturkosmetik, und zwar Bio vom Anbau über die Fertigung bis zum Vertrieb - kein "Green-Washing", keine konventionellen Produkte, die sich hinter bunten Blumenbildern verstecken. Das garantieren zum Beispiel das französische Bio-Siegel "Ecocert" und das Siegel "Kontrollierte Naturkosmetik" des Interessenverbandes BDIH, versichert mir eine beratungsfreudige Angestellte. Sie klärt mich auch ausgiebig darüber auf, welche Pfl anzen etwas für meine trockene Haut übrig haben, und beschenkt mich reich mit Proben. Nur zum Stichwort Couperose fällt ihr nichts ein. Außer, dass es zwar spezielle Produkte gebe, die würden aber die Haut wegen ihrer Wirkstoffe reizen. Das hilft mir nicht viel weiter. Wirkung erwarte ich von Kosmetik, egal ob grün oder nicht. Ist Naturkosmetik am Ende nur etwas für Naturschönheiten, die keine Probleme haben?

6. Januar

Die grünen Cremeproben riechen alle irgendwie. . . grün. Ich bin morgens ja eigentlich eher auf Parfümerie gepolt. Trotzdem hat meine Haut einen neuen Favoriten gefunden: die Creme mit Iris ("Iris Feuchtigkeitscreme" von Weleda). Schön leicht, aber dennoch spannt die Haut auch nach Stunden nicht. Glücklicherweise dauert es nicht ganz so lange, bis ich nicht mehr nach Gärtnerei rieche. Muss jetzt unbedingt Bio-Volumen für meine Haare fi nden: Ohne Nachhilfe sind sie ein Notstandsgebiet, das heißt: Von "Stand" kann keine Rede sein, sie hängen schlaff herab. Brauche außerdem dringend Mascara, Make-up, Handcreme, Bodylotion, Deo, Duschgel und etwas gegen Couperose. Schade nur, dass Naturkosmetik zwar sehr modern ist, es aber nach wie vor viel mehr konventionelle Parfümerien und Drogerien gibt als grüne Beauty-Tempel.

7. Januar

Im Bio-Supermarkt gibt's zwar Naturkosmetik, aber niemanden, mit dem ich darüber reden möchte. Hatte ich auch nicht anders erwartet. Unweit der Tagescremes räumt der Inhaber erdige Demeter- Möhren in die Auslage. Soll ich ihn auf Couperose ansprechen? Lieber nicht. Ich kaufe schweigend eine erstaunlich günstige Handcreme ("basis sensitiv Handcreme" von Lavera) mit Ökotest-Urteil "sehr gut", die mich später dadurch überrascht, dass sie rasend schnell einzieht.

8. Januar

Der Bio-Laden an der Ecke entpuppt sich als Top-Quelle für grüne Kosmetiktipps. Eine bestimmte Creme sei "echt schön", versichert mir die Verkäuferin, und würde auch "echt vielen Kunden gut gefallen". Ob die Couperose haben, das weiß sie allerdings nicht. Sie persönlich würde übrigens bei der Haarpfl ege auf Wascherde ("Wascherde pur" von Tautropfen) schwören, fein gemahlene Tonerde, die man daheim mit Wasser anmischt und die alle Fett- und Schmutzpartikelchen an sich bindet. Das möchte ich gern mal testen, zumal die Wascherde so gut wie nichts kostet. Außerdem leiste ich mir meine erste Bio-Mascara ("Stone Colours Collection Volume Mascara" von Dr. Hauschka). Zu meiner Freude lässt sich die Wimperntusche genauso anwenden und sieht auch ebenso gut aus wie ihre konventionellen Kollegen.

9. Januar

Auf meinem Kopf knirscht es, als ich mir die Tonerde-Abreibung verpasse. Unter den Füßen auch. Der erdig riechende Schlamm landet nämlich nur zur Hälfte auf meinem nassen Haar, der Rest verteilt sich im Badezimmer. Um die Packung aus dem sonderbar stumpfen Haar auszuwaschen, brauche ich etwa so viel Wasser wie für ein Vollbad - nicht sehr ökologisch. Das Föhnen bringt allerdings eine positive Über raschung: nämlich glänzendes, seidenweiches und dennoch erstaunlich standhaftes Haar.

10. Januar

War heute endlich beim Naturkosmetik-Spezialisten. Es geht einfach nichts über Fachgeschäfte: Die Regale aus geölter Buche sahen zwar eher nach altem Lehrerzimmer als nach neuem Luxus aus, dafür hat die Beratung fünf Sterne verdient. Für die Wahl meiner Iris-Basiscreme wurde ich gelobt, die sei gut, doch die schwachen Blutgefäße in meinem Gesicht bräuchten aktive Hilfe, die es auch in der Natur gibt. Rosenwasser, Sole und Zaubernuss-Extrakte sollen in einer Intensivkur ("Intensivkur Nr. 3" von Dr. Hauschka) gefäßstärkend und abschwellend wirken. Das wird sofort ausprobiert. Beim Stichwort "Volumen" greift die Fachfrau zielsicher zu einem Schaum ("Volume Designer Schaumfestiger für starken Halt" von Wellments), der nach meiner nächsten Schlammschlacht zum Zuge kommen wird. Außerdem fällt mein Blick auf eine kleine Tube Augencreme ("Intensive Relax Eye Care" von Laveré), die ich ebenfalls kaufe.

12. Januar

Gut gemacht, Naturkosmetik: Dank meines neuen Öko- Volumenschaums sitzt mein Haar super. Sogar das Waschen verlief diesmal mit weniger Schäden, weil mein Tonerde-Mix weniger dünnfl üssig war. Vom Erfolg befl ügelt wage ich nach Feierabend grünes Luxusshopping in einer neu eröffneten Naturkosmetik-Nobelboutique. Hier werden die Tiegel enorm edel auf funkelnden Glasböden vor dunklem Holz präsentiert. Das teuerste Produkt kostet 300 Euro: eine straffende Körpercreme ("Anti-Ageing Firming Body Cream" von The Organic Pharmacy) aus dem neuen, in Hollywood so populären grünen "ecosexual" High-End-Segment. Sobald ich meinen ersten Oscar bekomme, werde ich sie mir leisten. Bis dahin begnüge ich mich mit einem feinen, Licht refl ektierenden Puder ("Loose Powder" von Organic Glam) und werde schwach bei einem herrlich duftenden Shampoo für trockene Haare ("Shampoo Nachtkerze- Cajeput" von Less is More). Man hat ja nicht jeden Tag Lust auf Schlamm.

13. Januar

So ganz harmlos sind auch Pfl anzen nicht in der Kosmetik. Heute beim Hautarzt schneide ich nichts Böses ahnend das Thema Naturkosmetik an, eigentlich nur, um mein leises Unwohlsein über das Inspiziertwerden bei der Krebsvorsorge zu überspielen. Doch mit dem Stichwort mache ich ein Fass auf: Der Doktor wettert über Teebaumöl, Propolis, Arnika und sogar über die mir bis dahin gänzlich unverdächtig erscheinende Kamille. Alles Kandidaten für eine Allergisierung, schimpft er, räumt allerdings auf meine Nachfrage ein, dass konventionelle Kosmetik mit ihren synthetischen Duftstoffen das Immunsystem ebenso oft durcheinanderbringen kann. Keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Wenn Pflanzenstoffe straffen, schützen und stärken können, dann können sie auch schaden.

17. Januar

Wie konnte ich am Anfang meines persönlichen Bio-Booms nur über ein mangelhaftes Angebot klagen? Jetzt stoße ich überall auf Natur, sogar zwischen den glitzernden Kaufhaus-Countern der großen Kosmetiktraditionalisten. Ich leiste mir spontan auf dem Weg zum Theaterkartenkauf einen Lippenbalm, der mit Ringelblume Winterschäden in Schach hält ("Baume de Lèvres" von Huiles & Baumes). Später sehe ich in einer Passage eine Creme mit Oliven-Extrakten ("Ma Crème Nature" von L'Occitane), die man daheim persönlich anrührt und dann im Kühlschrank aufbewahrt. Sie soll die Haut entgiften. Klingt spannend, mich packt die Neugier. Das Set muss mit.

19. Januar

Ein Glück, dass sich für morgen die putzende Nachbarstochter angekündigt hat. Das Oliven-Wirkstoffkonzentrat hat nach emsigem Schütteln mit Mineralwasser eine überraschend schaumige Konsistenz entwickelt, was bei dem empfohlenen gründlichen Unterrühren der Öl-Phase eine ganz schöne Sauerei nach sich zog. Dabei war es stilles Wasser. Immerhin sind die Flecken ökologisch.

20. Januar

Nach einer Nacht im Kühlschrank ist aus dem Schaum eine leichte, herrlich duftende Creme geworden. Winzige Bläschen sind immer noch drin. So eine Art Kosmetiksorbet. Es eiskalt aufzutragen ist ein Vergnügen. Ob meine Couperose die Kälte toll fi ndet, bezweifele ich allerdings. Ein Glück, dass die dafür empfohlene Intensivkur hält, was sie verspricht. Seit zehn Tagen trage ich die wässrige, absolut biologische Lösung morgens und abends auf - und bin begeistert! Spätestens seit gestern Abend. Zwei Glas Rotwein und Radeln bei Frost: Normalerweise hätte das auf meinen Wangen Feueralarm ausgelöst. Aber der blieb einfach aus! Die Natur kann also tatsächlich auch in schwierigen Beauty-Fällen helfen. Nachmittags stolpere ich ins nächste grüne Paradies - die Apotheke. Klassiker wie Dr. Hauschka, Tautropfen und Weleda stehen hier vereint mit jungem, zertifi ziertem Grünzeug wie Sanofl ore. Ich vervollständige meine Sammlung mit einer schön aromatisch duftenden Bodylotion ("Mandel-Körpermilch" von Sanoflore).

24. Januar

Bin beim Aufräumen im Keller auf meine ausgelagerten Ex-Lieblinge gestoßen. Die vergangenen Wochen bin ich prima ohne sie ausgekommen und habe sie überhaupt nicht vermisst - und nun bringt mich ausgerechnet die Augenbrauenfarbe in Versuchung. Das Set für permanente Farbe - in einem Fläschchen die Katalysatorfl üssigkeit, im anderen die Farbe - ist ein echter Chemiebaukasten, präzise das Gegenteil von Bio, aber sehr effi zient. Mixen, auftragen, ein paar Sekunden warten und zack! Das Gesicht hat für die nächsten Wochen Kontur. Naturkosmetik macht Spaß, dogmatisch sein nicht. Keine halbe Stunde später habe ich komplett unbiologisch, aber dafür markant gerahmte Augen.

25. Januar

Wenn man einmal mit Ausnahmen anfängt . . . Gestern wollte ich zum runden Geburtstag eines Freundes nicht biologisch aussehen, sondern umwerfend. Also ab in den Keller, High-End-Make-up und Concealer müssen her. Und zwar die alten Freunde: die mit den synthetischen Zauberpigmenten, die wie ein Alchemist Fältchen in Licht verwandeln. Zu meiner Freude vertrugen sich Bio-Puder, -Wimperntusche, -Lippenstift und -Lidschatten ganz hervorragend mit der konventionellen Nicht-Bio-Basis. Und auf die artigen Komplimente der Bekannten ("Deine Haut sieht aber toll aus!") antwortete ich trendbewusst: "Ja, weißt du, ich hab jetzt auf Bio- Kosmetik umgestellt, da gibt's wirklich gute Sachen mittlerweile. . . " So ganz korrekt war das in dem Moment ja nicht. Aber es hat viel Spaß gemacht, es auszusprechen.

Naturkosmetik im Test

Was bedeutet eigentlich Naturkosmetik?

Grüne Pflege boomt: Einst nur in Reformhäusern und Bio-Läden zu finden, ist Naturkosmetik längst in Edelparfümerien und Weltstadtkaufhäusern angekommen. Nahezu jede dritte Kosmetik-Konsumentin hat im vergangenen Jahr ein Naturkosmetik-Produkt gekauft. Viele Hersteller versuchen daher, auf die grüne Welle aufzuspringen. Allerdings werben viele Produkte zwar mit einzelnen, biologisch angebauten Naturstoffen, enthalten aber trotzdem zum Beispiel synthetische Duftstoffe oder Konservierungsmittel. Eine einheitliche Regelung, was "Naturkosmetik" oder "organisch" wirklich bedeutet, gibt es nicht - im Prinzip kann sich jedes Produkt so bezeichnen. Wer wirklich konsequente Naturkosmetik sucht, kann sich an verschiedenen seriösen Bio-Siegeln orientieren: Das Siegel

Kontrollierte Naturkosmetik

wird seit 2002 vom Bundesverband Deutscher Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und Körperpfl egemittel (BDIH) vergeben. Produkte mit diesem Siegel verzichten unter anderem auf synthetische Duft- und Farbstoffe, Silikone, Paraffi ne und andere Erdölprodukte, Pflanzen entstammen "soweit möglich" aus kontrolliert-biologischem Anbau. - Das französische Naturkosmetik-Label

Ecocert

ist mittlerweile auch in Deutschland sehr verbreitet. - Jetzt kommen die ersten Produkte mit

NaTrue

-Label auf den Markt. Das Siegel wurde auf Betreiben führender europäischer Naturkosmetik- Firmen (Weleda, Wala/Dr. Hauschka, Primavera, Santaverde, Logona, Laverana) ins Leben gerufen. Die besonders strengen Kriterien für dieses Label sind einsehbar unter www.natrue-label.de.


@ Und wie sind Ihre Erfahrungen mit Naturkosmetik?

Videoempfehlung:

Text: Angelika Brodde

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