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Safari in Namibia: Im Land der großen Flüsse

Safari in Namibia: Im Land der großen Flüsse
© Andrea Jeska
Für eine Safari in Namibia eignet sich die Region Caprivi - eine kaum gebändigte Wildnis aus mäandernden Flüssen und weitem Buschland. Im Kernland des größten Nationalparks Afrikas planschen Hippos, Wasserbüffel und Elefanten.

"Beven, wenn wir bis zum Sonnenuntergang nicht da sind, breche ich dir die Beine", hatte Dusty Rodgers gesagt, und Beven hatte gleichmütig genickt. Beven ist Naturführer, Fahrer, Bootsmann und noch ein paar hundert andere Dinge mehr. Rodgers ist Bevens Boss, ein Raubein irischer Herkunft und außerdem notorischer Androher von Knochenbrüchen. Zusammen sind sie eines dieser typischen caprivischen Kumpelpaare. Gelegentlich vergleichbar mit Derrick und Harry. Oder mit Petterson und Findus.

Rodgers wollte bis Sonnenuntergang seine Lodge "Susuwe" erreichen und sagte etwas von Gin Tonic auf der Baumhausplattform mit Blick auf die Insel und über den Fluss Kwando. Diesem waren wir bereits den ganzen Tag gefolgt. Erst mit dem Boot, um Schilfinseln kreuzend, an schnaubenden Hippofamilien vorbei. Dahingleitend unter den Blicken großäugiger graziler Antilopen. Manchmal kamen wir einem am Ufer stehenden Elefanten zu nahe, und dann schlackerte der in angeberischer Manier mit den Ohren und trötete, bis Rodgers ihm zurief, nun reiche es, und tatsächlich trollte sich das Tier. Hatte wohl Angst um seine Beine!

Am Nachmittag waren wir in den Jeep von Beven umgestiegen, der am Ufer stand, irgendwo im Nirgendwo, und Beven sagte, er wolle einfach nur Beven genannt werden. Statt ob der Drohung seines Chefs erschreckt Gas zu geben, fuhr er gemächlich über die Sandpisten, bis die Sonne ihren Sinkflug begann. Dann hielt er, klappte einen Tisch auf, polierte die Gläser so, dass sich die Strahlen der untergehenden Sonne darin fingen, holte Biltong, in Streifen geschnittenes getrocknetes Wildfleisch hervor. Als wir anstießen, kamen die Elefanten zum Trinken. Fast geräuschlos zogen sie an uns vorbei und bauten sich am Ufer auf. Sie schlürften Wasser, wir den Gin Tonic, und erst als die Sonne schon niedrig stand, scheuchte Beven uns zurück in den Jeep. Über die nunmehr dunklen Wege holperten wir auf das einzige Licht weit und breit zu. "Susuwe", sagte Beven. Durch die kühle Nachtluft zog dieses Wort wie ein magischer Klang. Für die letzten Meter auf die Insel stiegen wir wieder auf ein Boot um. Im dunklen Wasser schnaubten die Hippos, Frösche konzertierten, schief hing der Mond, tausendfach funkelten die Sterne. Die Lodge lag verborgen im Schilf, in Kerzenschein getaucht, und fast wäre dieser Augenblick wie ein süßer Traum von Afrika gewesen, hätte Rodgers nicht gesagt, nun endlich aber werde er Beven die Beine brechen.

Es hätte viele Ziele für eine Reise nach Namibia gegeben. Ein ganzes Land voller geografischer Wunder und wilder Tiere. Ich aber wollte unbedingt in jenen Teil des Landes, der wie ein Zeigefinger aus Namibia hinausreicht und auf Simbabwe, Sambia, Botswana und Angola zeigt. Ich wollte dorthin, wo Flüsse nahtlos ineinanderfließen. Sambesi, Kwando, Okawango, Linyanti. Wo das Wasser sich um Buschland windet und ihm Inseln abtrotzt, wo Elefanten ihrer Wege ziehen, ohne Rücksicht auf die von Menschen gezogenen Grenzen zu nehmen. Ich wollte nach Caprivi.

Boote, Fähren ziehen mich an, solange ich denken kann. Es ist etwas Nomadisierendes in mir. Egal wo ich bin, immer will ich weiter: ans andere Ufer, hinter den Horizont. Caprivi ist Erfüllung dieser Idee des Weiterziehens, seine Flüsse machen es vor, und die nächste Grenze, das nächste Land ist immer nur eine Autofahrt entfernt.

Chief Joseph Tembe, der mit Stammesnamen Mayuni heißt, ist das Oberhaupt der Mafwe in Caprivi und ein Vorkämpfer für den Naturschutz
Chief Joseph Tembe, der mit Stammesnamen Mayuni heißt, ist das Oberhaupt der Mafwe in Caprivi und ein Vorkämpfer für den Naturschutz
© Andrea Jeska

Caprivi heißt seit 2013 korrekt Sambesi Region. Ein Name, den die namibische Regierung gewählt hat, um die letzten Schatten der Kolonialzeit zu vertreiben. Die Einheimischen aber sagen weiterhin Caprivi. Der Streifen ist ein geografischer Anachronismus. Benannt nach einem deutschen Reichskanzler, Leo Graf von Caprivi, wurde er einzig zu einem Zweck geschaffen: damit die Kolonialherren von Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, Zugang zum Sambesi bekamen. Nur deshalb quetscht sich dieser Wasser-Schilf-Busch-Finger quer durch die Nachbarstaaten. Und nur deshalb, wegen seiner weit vom Rest, vor allem von den touristischen Zielen Namibias, entfernten Lage, ist es bis heute eine noch wenig vom Tourismus entdeckte Wildnis. Bis zur Unabhängigkeit Namibias im Jahre 1990 war dort südafrikanisches Militär stationiert, weil die Apartheidregierung Südafrikas sich Namibia angeeignet hatte. Nicht einmal Namibier durften nach Caprivi, und den Tieren dort erging es auch nicht gut. Die Landbevölkerung tötete sie, weil sie Essen brauchte oder das Wildleben zertrampelte Felder zurückließ. Die Soldaten erschossen sie aus denselben Gründen oder einfach nur aus Spaß. 1990, als Namibia unabhängig wurde, war Caprivi ein vergessenes Stück Land ohne Perspektive.

Meine Reise begann als Flussfahrt mit einem Hausboot auf dem Chobe. Links lag Botswana, rechts Namibia, dazwischen glitten wir mit dem Boot so still dahin, als habe jemand der Welt den Ton abgedreht. Am Flussufer spielten Kinder. Fischer landeten in Einbaumbooten an mit ihrem Morgenfang. Es waren Tilapia-Barsche von beachtlicher Größe. Wassertaxis, kleine Metallboote, brachten Frauen aus den umliegenden Dörfern. Fischadler zogen Kreise, eine Giraffe trank grazil mit eingeknickten X-Beinen, und Kudus musterten mich mit meditativer Ruhe. Mein Mittendrin-Sein in all dieser Farben-Ton-Geruch-Menagerie erzeugte jenes bauchtiefe Gefühl von Glück, das mir wie eine Droge ist. Und um dessentwillen ich wieder und wieder nach Afrika reise.

Am Abend legten wir auf einer Sandbank an. Zikaden konzertierten, Löwen brüllten, die Sonne versank und gab den Himmel frei für einen riesigen perfekt gerundeten Mond. Ich schlief kaum in dieser ersten Nacht. Ich hörte Elefanten und Flusspferde. Das Buschland an beiden Ufern schrie und seufzte, und Sterne blinkten direkt in meine Kajüte. Ich fühlte mich wie ein Kind, das die Welt als Wunder erlebt.

Klarer Fall: Elefanten sind Wasserratten
Klarer Fall: Elefanten sind Wasserratten
© iStock/Thinkstock

Am anderen Morgen schipperte das Hausboot ohne mich zurück. Ich stieg um auf ein Motorboot. In der Morgensonne hatte ich Fischer ihre Netze bergen sehen, die Wassertropfen daran hatten gefunkelt wie Edelsteine, und plötzlich war es mir unmöglich, den Fluss zu verlassen. Ich wollte fahren und fahren, mich festhalten an diesem Geglitzer und dem Himmelblau.

Vielleicht wäre Caprivi vergessen geblieben, und ich wäre nie dorthin gereist. Doch dann kamen die Tiere zurück oder wurden zurückgesiedelt. Zunächst nicht zur Freude der Bewohner. Die Löwen fraßen das Vieh, die Elefanten zertrampelten die Felder. Wie also sollten die Leute ein Interesse daran haben, den neuen Tierbestand zu schützen? Der Windhoeker Unternehmer Rodgers war einer der Ersten, die in Caprivi investierten und verstanden, dass die Entwicklung nicht funktionieren würde, wenn man die Bevölkerung ausschließt.

Rodgers machte Caprivi für einige Jahre zu seiner Heimat, saß in den Hütten der Chiefs, hörte, was die Bewohner sich wünschten und brauchten, um in Frieden gemeinsam mit den wilden Tieren leben zu können. "Wir mussten den Leuten einen Anreiz geben, den Wildbestand mit schützen zu wollen. Das ging nur, indem wir ihnen Profite aus dem Tourismus verschafften, ihnen Anteile an den Lodges gaben."

Schon lange haben die Flüsse nicht mehr den Fischreichtum wie einst, aber noch immer findet der Fischfang von Einbaumbooten aus statt.
Schon lange haben die Flüsse nicht mehr den Fischreichtum wie einst, aber noch immer findet der Fischfang von Einbaumbooten aus statt.
© Andrea Jeska

Parallel zu den privaten Bemühungen um die Region keimte und wuchs eine große Vision. Angola, Botswana, Simbabwe, Sambia und Namibia entschlossen sich, ein länderübergreifendes Naturschutzgebiet zu schaffen, in dem die Tiere im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlose Freiheit haben. Zugleich sollte dieser Naturschutz zur Einkommensquelle für die innerhalb des Schutzgebietes lebende Bevölkerung werden. Conservancies, Schutzgebiete, die den Gemeinden unterstehen, wurden abgesteckt, ökologische Korridore geschaffen, der Wildtierbestand gezählt. 20 Jahre später, im Sommer 2012, war die Vision Wirklichkeit geworden. Der Kavango-Zambesi-Transfrontier-Park, kurz Kaza, wurde eröffnet: Mit 440 000 Quadratkilometern ist er etwa so groß wie Schweden. 36 Nationalparks liegen innerhalb seiner Grenzen. 35,5 Millionen Euro hat Deutschland dazugegeben. Herzstück des Fünf-Länder-Gebietes und bislang auch Vorreiter bei der Umsetzung der ökologischen und sozialen Ziele des Projekts ist Caprivi.

Die Geschichte mit dem Tigerfisch-Roulette erfuhr ich am dritten Abend. Wir waren mit Wagen und wieder mit vielen Booten im Nkasa-Lupala-Nationalpark angekommen, unser Quartier war die Zeltlodge "Casa Lupala", deren Komfort das Wort Camping lächerlich und deren Lage die restliche Welt unnütz erscheinen ließ. Schilf, Wasserwege, grunzende Hippos und Elefanten, mein Herz wollte nie mehr, nie anderes.

An jenem Morgen konnten wir nicht losfahren, weil eine Elefantenfamilie um unseren Jeep stand und wenig erfreut auf unsere kläglichen Versuche reagierte, den Wagen wieder für uns zu erobern. Wir mussten warten, bis sie weiterzogen. Auch am Abend zogen sie durch das Camp, und wir hörten ihr Schnaufen und Malmen, das Knacken der Äste. Vielleicht war es der Gin, vielleicht verwirrten ihn die Sterne, jedenfalls erzählte Rodgers von einer ganz eigenen Caprivi-Mutprobe: Gestandene Männer umwickeln... - man ahnt schon, was - mit Alufolie und schwimmen dann einmal durch den Fluss. Zur Freude der Tigerfische, die von allem angezogen werden, was blinkt. Eine Geschichte, die keine weiteren Details braucht, aber zeigt, dass Caprivi zwar Namibia ist, aber seine eigenen Gesetze hat.

Natürlich hat Dusty Bevens Beine nicht gebrochen. Schließlich braucht er ihn noch. Als wir nämlich auf "Susuwe" ankommen, serviert uns Beven das Abendbrot. Es gibt Kürbissuppe, Kudu-Steaks vom Grill, junges Gemüse, südafrikanischen Rotwein und zum Nachtisch englischen Pudding. Wie jeden Abend in dieser Wasserlandschaft, in der sich die Lungen mit bestem Sauerstoff füllen, bin ich hungrig genug, ein ganzes Kudu zu verspeisen. Nach dem Essen sitzen wir um das Lagerfeuer, haben die Schuhe ausgezogen und malen mit den nackten Füßen Figuren in den Sand. Beven plaudert aus dem Nähkästchen seiner 16-jährigen Erfahrung mit Touristen. Mal hat sich ein Engländer über das nächtliche Gegrunze der Hippos beschwert, mal ein Schweizer verwundert festgestellt, dass Namibia nicht mehr Deutsch-Südwest heißt. Wir lachen viel, betrachten mit weit zurückgelegtem Kopf die Sterne, nippen an unseren Gläsern und philosophieren über die Nachteile und Irrwege des Lebens in der Zivilisation. "Wie schön es doch wäre...", sagen wir. Aber dann lassen wir den Satz in der Luft hängen. Wir wissen, es ist ein romantisierender Gedanke, nicht mehr zu brauchen als diesen Himmel, diese Flüsse.

Flusspferd, sei wachsam: Eine Mutter beschützt ihre Babys
Flusspferd, sei wachsam: Eine Mutter beschützt ihre Babys
© MogensTroll/istockphoto.com

Als ich, von Beven und einer Taschenlampe begleitet, spät in der Nacht zu meinem Cottage gehe, rennt mit wackelndem Hintern ein Hippo davon und stürzt sich in der Dunkelheit in den Fluss. Wir hören es platschen. Ob ihm das alles nicht auch mal langweilig sei?, frage ich Beven. Die Sterne, die Tiere, das Wasser, die Ruhe? Irgendwie würde es mich beruhigen, sagte er jetzt Ja. Dann wären meine Zweifel an der Zivilisation vorbei. Aber Beven schüttelt den Kopf, lacht. "Na ja", insistiere ich, "Busch ist Busch, Elefant ist Elefant, Flusspferd ist Flusspferd." Beven sieht mich mitleidig an. "Doch nicht in Caprivi! Caprivi ist jeden Tag anders." Ich nicke. Recht hat er, der Junge.

Die Reise-Infos für Namibia

Ein komplettes Reisepaket für Caprivi ist zu buchen über "Abendsonne Afrika" (www.abendsonneafrika.de). Die hier beschriebene Reise mit einer Übernachtung auf dem Hausboot und weiter mit Wagen und Booten durch die Nationalparks Mamili, Nkasa Lupala und Bwabata sowie weiteren sechs Übernachtungen in den unten genannten Lodges kostet ca. 2350 Euro pro Person im Doppelzimmer.

Flüge von Frankfurt nach Johannesburg und weiter nach Kasane in Botswana mit South African Airways ab 1130 Euro, www.flysaa.de.

Übernachtung in der "Susuwe Lodge" mit Vollverpflegung und allen Aktivitäten pro Person und Nacht ca. 330 Euro, www.caprivicollection.com.

In der "Nkasa Lupala Lodge" kostet die Übernachtung im Luxuszelt pro Person pro Nacht bei Doppelbelegung ca. 120 Euro. Tel. 00264/81/ 147 77 98, www.nkasalupalalodge.com.

Hausboote auf dem Chobe oder Linyanti über www.ichobezi.co.za.

Safaris und individuelle Transporte in Caprivi werden von Tutwa Tourism and Travel organisiert. Tel. 00264/64/40 40 99, www.tutwatourism.com.

Weitere Informationen über das Fremdenverkehrsamt, www.namibia-tourism.com.

Zum Einlesen: "Das Namibia Buch - Highlights eines faszinierenden Landes", Reiseführer aus dem Kunth Verlag, 240 S., 24,95 Euro

Elf abenteuerliche Reportagen von Fabian von Poser: "Reportage Namibia: Durch die Augen des Geparden", 132 S., 14,90 Euro, Picus

Text: Andrea Jeska BRIGITTE WOMAN 02/14

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