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Stapelliege: Rolf Heide und seine Idee

Dinge, die nichts taugen, muss man ändern. Die anderen dürfen bleiben, wie sie sind. Wie die Stapelliege, die Rolf Heide vor 40 Jahren für BRIGITTE entwarf.

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Versetzen Sie sich mal in die Zeit Mitte der 60er Jahre: Es gibt noch kein Ikea in Deutschland, Ihre Einrichtung besteht überwiegend aus schweren Holzmöbeln, und Sie lechzen nach Luft und Leichtigkeit in Ihren vier Wänden. Da war der Bausatz, den die Leser exklusiv bei BRIGITTE bestellen konnten, wie eine Offenbarung: vier Holzteile, eine Matratze und ein Lattenrost. Mal zwei wird daraus: ein Doppelbett oder zwei Einzelbetten oder ein Stapelben, das perfekte Gästebett. Was fürs ganze Leben - und inzwischen ein Klassiker.

Rolf Heide,80 , einer der bekanntesten deutschen Innenarchitekten und Designer, der für die Großen der Branche im In- und Ausland gearbeitet hat, ist es gelungen, sein Produkt auf das Wesentliche zu reduzieren. Bis heute ist er der Auffassung: "Es wird zu viel Überflüssiges entworfen." Ob's Erfahrungen aus seiner Tischlerlehre, dem Studium an der Kieler Muthesius-Werkschule sind oder schlicht die Ablehnung von übertrieben dekorativem Design, Heides Devise lautet "Einfachheit". Für ihn bedeutet geglücktes Produktdesign, sich in der Vollendung des Gegenstandes unsichtbar zu machen und so viel Anstrengung in die Gestaltung zu investieren, dass diese Anstrengung nicht mehr zu spüren ist.

Seine Ausbildung hat Heide in einer Zeit absolviert, als das Wirtschaftswunder Deutschland erfasste und es im Design noch Visionen gab: In den fünfziger und sechziger Jahren propagierte die Ulmer Hochschule für Gestaltung die "gute Form". Produkte sollten praktisch sein, den Menschen das Leben erleichtern und auch noch den Alltag verschönern. Eine Aliensbach-Studie aus dem Jahr 1954 besagte, dass 30 Prozent der jungen Menschen anders wohnen wollten als bisher. Eine Riesenchance für Designer, Pionierarbeit zu leisten - wie Rolf Heide mit der Stapelliege. Das Bett wird seit 1966 durchgängig hergestellt. Rolf Heide setzte schon damals den Traum vom mobilen, unabhängigen und flexiblen Lebensstil um. Genau das, was heute topaktuell ist.

Drei Fragen an Rolf Heide

BRIGITTE: Schlafen Sie selbst auf einer Stapelliege?

Rolf Heide: Nein. Aber ich hatte lange Zeit eine als Gästebett in unserem Haus. Inzwischen steht diese Stapelliege aber bei meinem Enkel und tut dort ihre Dienste.

BRIGITTE: An welchen überraschenden Orten sind Sie auf die Stapelliege gestoßen?

Rolf Heide: Sie begegnet mir ständig. Ich sehe sie bei Freunden und Bekannten und zuletzt auf der Ausstellung "Weltmeister Design Germany" in München. Seit 1966 sind etwa 250000 bis 300000 Stück in alle Welt verkauft worden.

BRIGITTE: Welche Wünsche haben Sie an modernes Design, was würden Sie jungen Designern mit auf den Weg geben wollen?

Rolf Heide: Ich vermisse sehr oft intelligente, gute Ideen. Ich denke, es sollte mehr nutzorientiert entworfen werden und weniger dekorativ und stylish.

Text: Uta Abendroth Foto: Philip Glaser Ein Artikel aus der BRIGITTE 22/06

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