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Süße Masse mit feinen Aromen

Tiere mochte Agnes Flügel schon als Kind. Jetzt hat sie zwei Millionen davon. Den Honig ihrer Bienen verfeinert die Imkerin mit ungewöhnlichen Aromen, von Minze bis Espresso.

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Sie sieht aus wie ein Geisterjäger aus einem Science-Fiction- Film: weißer Overall, Handschuhe, Gummistiefel, in der Hand ein Gerät namens Smoker, das feinen Rauch verströmt und die Angreifer ablenkt. Am breitkrempigen Hut hängt ein feines Netz, es verhüllt Nacken und Gesicht. Doch Agnes Flügel will keine Hollywood-Monster jagen, nur Honig ernten.

Sie ist eine der wenigen Frauen unter 81000 Imkern in Deutschland. "Bienen sind mein Leben", sagt sie. Dafür hat die 41-Jährige ihren Job aufgegeben und ist aus der Großstadt Hamburg aufs schleswig-holsteinische Land gezogen – in ein altes Bauernhaus, das einsam zwischen Wiesen und Feldern im kleinen Ort Waabs in einer Ostseebucht liegt.

Honig ist ein wunderbares Lebensmittel

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Jetzt, im Juni, drei Wochen nach der Blüte, kann sie in ihrer "Honigmanufaktur Flügelchen" Rapshonig ernten. Im Frühherbst folgt dann Honig aus Sommerblüten, und manchmal, wenn es genügend Honigtau gibt, auch herber Waldhonig. "Honig ist so ein wunderbares und gesundes Lebensmittel", sagt Agnes Flügel, "aber es muss von seinem altmodischen Image befreit und hipper werden."

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Das klingt fast wie aus einem Werbespot, und mit Werbung kennt Agnes Flügel sich aus. Sie war PR-Redakteurin, bis zu 60 Wochenstunden saß sie in ihrem Hamburger Büro am Schreibtisch. Blumen und Bäume sah sie nur auf dem Abreißkalender an der Wand. Dabei hatte sie sich immer gewünscht, in der Natur zu arbeiten. Sie ist ein Landkind, aufgewachsen nahe der Ostsee bei Kiel, und schon als Mädchen interessierte sie sich für "alles, was da kreucht und fleucht". Das war auch der Einfluss ihres Vaters, eines Meeresbiologen. Vom Biologiestudium riet er ihr allerdings ab. Deshalb entschied sie sich für Kommunikationswissenschaft und bildende Kunst und arbeitete dann in einer PR-Agentur. Doch der abwechslungsreiche, gut bezahlte Job hatte bald seinen Reiz für sie verloren. Immer häufiger stellte sie sich die Frage, ob es wirklich sinnvoll war, was sie da tat. Ihre Sehnsucht nach einem Leben in der Natur und mit Tieren wurde von Tag zu Tag größer. "Als mal wieder eine Entlassungswelle durch unsere Firma rollte, habe ich gekündigt, bevor es mich erwischen konnte", erzählt Agnes Flügel. Das hat ihr Leben verändert.

Durch Zufall lernte sie einen alten Imker kennen und schaute ihm einen Sommer lang bei der Arbeit über die Schulter. "Da machte es klick!, und ich wusste, das ist genau mein Ding." Kurz entschlossen kaufte sie sich drei Bienenvölker plus Zubehör und begann mit der Imkerei.

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Längst ist das Hobby zum Beruf geworden. Die Imkerin besitzt heute 25 Bienenvölker, zu jedem Volk gehören bis zu 80000 Bienen, "Flügelchen", wie Agnes Flügel sie nennt. Rund 400 Kilo Honig produzieren die Tiere zweimal im Jahr, jeweils im Frühling und im Herbst. Für jedes Kilo müssen sie Nektar aus mehreren Millionen Blüten saugen, den vermengen sie mit ihrem Speichel und transportieren alles im Honigmagen in den Bienenstock. Dort füttern sie die Stockbienen mit ihrem Nektar, und die übernehmen die weitere Verarbeitung. Honig besteht neben einer Vielzahl von gesunden Inhaltsstoffen vor allem aus Zucker. Anfangs ist er noch sehr wässrig. Deshalb schichten ihn die Bienen in den Waben mehrfach um und fächeln ihm dabei mit den Flügeln Luft zu, um die Verdunstung zu beschleunigen. Ist der Honig zähflüssig genug, verschließen sie die Zellen mit einem Wachsdeckel. Das Wachs dafür ist ein körpereigener Stoff, die Tiere schwitzen es aus speziellen Drüsen aus.

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Welche Honigsorte die Bienen produzieren, hängt davon ab, wohin der Imker die Bienenstöcke stellt. "Ein Bienenvolk ist blütenstet", erklärt Agnes Flügel. Das heißt, es sammelt pro Saison hauptsächlich sortenreinen Nektar, je nachdem, was gerade in der Nähe blüht: Raps, Lavendel, Sonnenblumen. Wo sich welche Blüten befinden, übermitteln die Bienen einander gegenseitig mit dem berühmten Schwänzeltanz. "Und während sie nach ihrem ausgeklügelten System von Blüte zu Blüte fliegen, tragen sie auch deren Pollen weiter und bestäuben dadurch die Pflanzen. Wir brauchen die Bienen."

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Agnes Flügel betreibt ihr Handwerk mit großer Hingabe. Eine ihrer liebsten Tätigkeiten beim Imkern ist das "Entdeckeln". Da erlebe sie hautnah, was ihre Bienenvölker geleistet haben, sagt sie. Viele Tage steht sie dann in ihrer weiß gekachelten Honigküche, in der dieser typische Duft nach Bienenwachs hängt. Mit einer großen Gabel hebt sie die weiße Wachsschicht von den Waben, unter der hellgelber Honig zum Vorschein kommt. Dann können die Waben geschleudert werden, wobei sich der Honig aus den Zellen löst. Danach wird der Honig gesiebt, um die Wachsreste zu entfernen, und ein paarmal gerührt, damit er cremig wird – fertig.

Vom geschmacklich milden Rapshonig macht Agnes Flügel auch aromatisierte Varianten, denn er lässt sich gut verfeinern. Eines Tages probierte sie einfach aus, was ihr selbst gefiel: Sie gab Espresso dazu, Minze, Vanille oder Zitrone – alles aus kontrolliert biologischem Anbau. "Ich will zum Honignaschen verführen!", sagt sie. Ihre neueste Kreation ist ein fruchtig-blumiger Honig mit Rosenblüten. Die Aromahonige von "Flügelchen" sind ein Renner geworden. Bisher macht sie alles allein, doch das wird sich ändern, wenn die Begeisterung der Kunden anhält. Ohnehin hat Agnes Flügel noch viele Ideen im Kopf, wie sie die Welt für Honig gewinnen kann, etwa mit Seminaren für Familien und Firmen. Erst einmal aber will sie auf der Wiese vor ihrem Haus pollenreiche Wildblumen säen. Als Bienenschmaus. Und als kleine Entschädigung für den gestohlenen Honig.

Die wichtigsten Fragen zum Honig

Woran erkenne ich einen guten Honig?

Ein guter Honig ist nicht bloß süß, sondern er duftet und schmeckt sehr aromatisch. Die Farbe passt zur angegebenen Blütensorte. Und auch die Konsistenz: Ein Mischblütenhonig etwa kandiert von Natur aus leicht. Mischblütenhonige, die sehr flüssig sind (und bleiben), wurden meist behandelt, was immer auf Kosten der Inhaltsstoffe geht.

Gibt es in Deutschland schlechten Honig?

Honig, der in Deutschland verkauft wird, ist ein reines Naturprodukt, naturbelassen und ohne Zusätze. So steht es in der Deutschen Honigverordnung. Erlaubt ist aber Erwärmen, um den Honig flüssig zu halten. Dabei werden viele gesunde Inhaltsstoffe vernichtet. Mitunter gelangt auch ausländischer Honig auf den Markt, aus dem die wertvollen Pollen herausgefiltert wurden, etwa, weil sie die Kristallisation fördern. Doch Pollen sind nicht nur gesund, sondern für die Qualitätsprüfung eines Honigs sehr wichtig. Sie erlauben einen botanischen und geografischen Herkunftsnachweis, lassen erkennen, ob die zugehörige Pflanze gentechnisch verändert wurde, und auch Rückstände und unerlaubte Zusätze sind in ungefiltertem Honig besser nachweisbar.

Was sind Sortenhonige?

Bienen besuchen während eines Ausfluges nur Blüten derselben Pflanzenart. Bietet diese Pflanzenart über einen längeren Zeitraum genügend Nektar oder Honigtau, dann können die Bienen einen Großteil ihres Nektars dort sammeln. Den daraus entstehenden Honig nennt man Sortenhonig, z. B. Rapshonig, Sonnenblumenhonig etc. Dennoch ist es möglich, dass Bienen in dieser Zeit auch andere Sammelquellen anfliegen. Die Honigverordnung verlangt deshalb nur, dass Sortenhonig "vollständig oder überwiegend aus den genannten Blüten oder Pflanzen stammt".

Worauf kann ich beim Einkauf von Honig achten?

"So nah am Bienenvolk wie möglich" ist eine brauchbare Faustregel. Einheimischer Honig ist auch aus ökologischen Gründen eine gute Wahl. Denn die Bienen spielen bei der Bestäubung der heimischen Nutz- und Wildpflanzen eine wichtige Rolle. Bei deutschem Honig bürgt das Siegel des Deutschen Imkerbundes (D.I.B.) für hochwertigen, naturbelassenen Honig. D.I.B.-Produzenten müssen Qualitätsauflagen erfüllen, die weit über jene der Deutschen Honigverordnung hinausgehen. Auch bei Honig, der das amtliche sechseckige Bio-Symbol trägt, kann man Qualität erwarten. Noch besser ist Honig, der zusätzlich von einem Bio-Anbauverband zertifiziert wurde, wie zum Beispiel von Demeter, Gäa oder Naturland. Diese Verbände fordern von ihren Imkern nämlich noch mehr als den amtlichen Mindeststandard. Viele kleine Imker, die hochwertigen Honig produzieren, können sich allerdings aufwändige Zertifizierungen nicht leisten. Deshalb: Probieren Sie einfach!

Ist Bio-Honig besser?

Niemand kann seinen Bienen erklären, dass sie kunstgedüngte, pestizidbelastete oder gentechnisch veränderte Blüten meiden sollen. Die EU-Bio-Verordnung schreibt aber vor, dass im Umkreis von drei Kilometern die Bienenweide im Wesentlichen aus Pflanzen des Öko-Anbaus, Wildpflanzen oder aus gering belasteten landwirtschaftlichen Flächen bestehen soll. Schadstoffausstoßende Industrien, Autobahnen oder Müllverbrennungsanlagen dürfen nicht in der Nähe sein. Im Bienenstock setzen Bio-Imker zum Beispiel keine synthetischen Chemikalien ein, und die Bienenkästen dürfen nur aus natürlichen, rückstandsfreien Materialien bestehen (Holz, Lehm, Stroh). Anbauverbände wie Demeter oder Gäa haben noch weitergehende Vorschriften, zum Beispiel auch zur artgerechten Tierhaltung.

Warum kristallisiert Honig?

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Grundsätzlich kristallisiert (Imker sagen: kandiert) jeder unbehandelte Honig nach einer gewissen Zeit – das liegt an dem im Honig enthaltenen Traubenzucker. Wann er kandiert, hängt von der Sorte ab: Akazien- und Tannenhonig haben einen hohen Fruchtzucker- und einen niedrigen Traubenzuckeranteil, sind deshalb recht flüssig und kandieren oft erst nach Jahren. Bei Waldhonig ist es nach einigen Monaten so weit, bei den zähflüssigeren, stark traubenzuckerhaltigen Blüten- und Mischhonigen nach Wochen, Raps- und Kleehonige können innerhalb weniger Tage fest werden. Um das Kristallisieren zu verhindern, rühren viele Imker ihre Honige cremig – auf die Qualität hat das keinen Einfluss.

Ist der Zusatz "kaltgeschleudert" bei Honig ein Qualitätsmerkmal?

Nein. Honig wird immer bei Bienenstocktemperatur zwischen 20 und 30 Grad geschleudert. Bei niedrigerer Temperatur flösse der Honig nicht aus den Waben, bei höherer würde das Wachs schmelzen und den Honig stark verunreinigen.

Wie gesund ist Honig?

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Honig enthält Substanzen mit antibiotischer Wirkung, dazu Mineralstoffe und Enzyme, viele Vitamine und Aminosäuren. Seine Pollen liefern zum Beispiel wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe wie Flavonoide und Phytosterine. Honig enthält außerdem hauptsächlich Einfachzucker, also Fruchtund Traubenzucker. Die sind bekömmlicher als Haushaltszucker. In der Alternativmedizin wird Honig gegen Entzündungen und zur Stärkung der Abwehrkräfte eingesetzt. Allerdings darf man ihn nicht über 40 Grad erhitzen, sonst zerstört man seine Wirkung. Lauwarme Honigmilch ist also besser als heiße. Und Honig sollte kühl und dunkel lagern.

Hier gibt es den Honig von Agnes Flügel

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www.fluegelchen-honig.de Online-Bestellmöglichkeit und eine Liste der Verkaufsstellen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen

Bienen und Honig live

Irmi Jacob und ihr Mann Martin Hofmann führen Kleingruppen durch ihre Demeter-Imkerei Reichardsroth in Franken. Eintritt: 5 Euro/ ermäßigt 3 Euro, inklusive Honigverkostung. Info und Anmeldung unter Tel. 098 65/94 16 30 oder über www.jacob-hofmann.de

Bienen und Honig online

www.bioimkerhonig.de Info zu Bio-Honig, Bienenhaltung und Imkerei. Mit Online-Shop

www.beegood.de oder www.mellifera.de Hier wird das Modell der Bienenpatenschaft vorgestellt

www.bluehende-landschaft.de Info- und Aktionsportal zur ökologischen Bedeutung der Bienen

www.heimathonig.de Imker-Adressen und Online-Shop

Bienenpatenschaften

Sie sind putzig und fleißig, lieben Blumen, außerdem machen sie keinen übermäßigen Krach. Das können die wenigsten Paten von ihren Schützlingen behaupten. Mit einer Bienenpatenschaft tragen Sie zur Sicherung natürlicher Lebensräume von Bienen bei und unterstützen die Ausbildungs- und Forschungsarbeit für artgerechte Bienenhaltung. Angeboten wird die Patenschaft über die Initiative „beegood“ des Imker-Vereins Mellifera e.V., sie kostet 35 Euro pro Jahr und kann auch verschenkt werden. Anmeldung und weitere Informationen online.

Text: Ulrike Hilgenberg Fotos: Thomas Neckermann

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