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Yoga-Reise nach Apulien

So schön kann eine Yoga-Reise sein: Zitronenduft liegt in der Luft, Zipfelmützenhäuser laden zum Träumen ein, und Yogalehrer zeigen, was unserem Körper guttut.

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Wären da nicht so viele Ameisen, dann würde ich vor Begeisterung über mich selbst wahrscheinlich den knorrigen Olivenbaum umarmen. So freue ich mich lieber introvertiert, aber nicht weniger stark darüber, dass ich soeben zum ersten Mal die Bogenhaltung geschafft habe: Immer wieder in den letzten Tagen hatte ich mich mit ihr abgemüht, vergebens, mein Körper ähnelte keinem Bogen, sondern höchstens einer deformierten Hängebrücke.

Doch dann passierte heute etwas mit mir und Urdhva Dhanurasana, wie diese Yoga-Haltung auch heißt. "Drück die Arme durch, mit Schwung", feuerte mich Yogalehrerin Lina an. "Hoch den Po!" Mit aller Kraft stemmte ich meine Hüften nach oben, ignorierte das Brennen meiner Oberarme, ließ nicht nach - und plötzlich bog sich mein Körper perfekt: Ich stehe auf meinen Fußsohlen und Händen, und während ich meinen Oberkörper dynamisch gen Himmel recke, ist auf einmal alles so leicht. Die Sonne kitzelt meinen Bauch. Und ich fühle mich wie damals mit elf, als ich zum ersten Mal vom Dreimeterbrett sprang.

Das Glück mit der Yoga-Reise

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Glückswogen durch Sport - so etwas habe ich in den vergangenen Jahren selten erlebt. Zwar hatte ich während meiner Schwangerschaft mal ein bisschen mit Yoga begonnen, dann aber wieder aufgehört. Später fing ich noch einmal an, aber eher lustlos; und andere Sportarten, bei denen man sich noch mehr bewegen muss, kamen schon gleich gar nicht infrage. Bis mein Körper im letzten Sommer erste SOS-Signale sendete: Pfeifen im Ohr. Gedanken im Kopf, die nachts Karussell fuhren. Ich brauchte etwas, was Körper und Geist möglichst sanft wieder ins Gleichgewicht bringen würde.

Gerade da schwärmte eine Freundin von "Santa Maria del Sole" in Apulien: einem Yoga-Resort, das von dynamischem Power-Yoga bis zu Yoga mit Tai-Chi die unterschiedlichsten Richtungen anbietet. Die Lehrer kommen aus Deutschland, Italien, England, Kanada und Amerika. Sie bringen eigene Schüler mit, haben aber meist noch Plätze frei. Und das Allerschönste: Jeder Kurs hat das ganze Gelände während der gesamten Yoga-Woche völlig für sich allein. Ruhe, um mich zu erholen, würde ich dort also garantiert haben. Wie gut ich mich jedoch mit dem Yoga anfreunden würde, das war eine andere Frage. "Fünf Stunden Programm jeden Tag, eine ganze Woche", gab mir meine Tochter zum Abschied mit auf den Weg. "Das schaffst du doch nie!"

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"Santa Maria del Sole" ist ein fast 400 Jahre alter Bauernhof, der vor vier Jahren restauriert und zum Yoga-Resort umgebaut wurde. Die Masseria, wie man solche Landgüter hier nennt, liegt im Absatz des italienischen Stiefels, ungefähr 80 Kilometer südöstlich von Bari. Die wilden Sandstrände der ionischen Küste sind gerade mal 25 Kilometer entfernt; zu den Felsbuchten auf der gegenüberliegenden Adria-Seite sind es mit dem Auto etwa 40 Minuten. In dieser Region gibt es viele Trulli - kleine runde Steinhäuser, die mit ihren spitz zulaufenden Dächern mit Bommeln obendrauf wie überdimensionierte Zipfelmützen aussehen. Mein Zuhause auf Zeit. Um mich herum: Mandel-, Zitronen- und Olivenbäume.

Am ersten Morgen kräht in der Ferne ein Hahn, ich höre die Rufe wilder Esel. Ich habe bei zwei Schweizern gebucht: Lina Baggenstos und Michael Thurnherr aus Zürich unterrichten uns, sie kombinieren Yoga mit Elementen des Ayurveda. Und jeder Tag beginnt um halb acht mit einem Meditationsspaziergang. Schweigend stapfe ich zusammen mit den anderen im Frühnebel durch verschlungene Kräuterpfade und blühende Klatschmohnwiesen. Anschließend meditieren wir eine halbe Stunde: Alle setzen sich im Kreis auf den Boden, drapieren sich Decken, Kissen und Polster unter die Knie, zwischen Waden, Oberschenkel und um die Fußgelenke. Für mich sieht das nicht nach Yoga aus, sondern eher nach Reha-Gruppe. Also versuche ich, deckenlos im Lotussitz zu verharren. Schon nach kurzer Zeit humpele ich mit tauben Beinen zum Kissenkorb. Aber auch gepolstert gelingt es mir nicht, mich in mich selbst zu versenken. Stattdessen zähle ich die Minuten, bis es um neun Uhr Frühstück gibt.

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Meditieren wird nicht meine Lieblingsbeschäftigung werden. Auch beim Yoga, je zwei eineinhalbstündige Sessions pro Tag, scheine ich in unserer Gruppe die Untrainierteste zu sein: Neben mir Valerie, eine Hotelmanagerin aus Arosa in der Schweiz, stemmt sich lässig in den herabschauenden Hund. Ich hingegen kippe bei den einzelnen Figuren des Sonnengrußes immer wackeliger zur Seite und liege nach der dritten Wiederholung wie ein Maikäfer japsend auf dem Rücken. Nach Bestätigung suchend drehe ich mich zu Elsbeth um, die mit ihren 55 Jahren die älteste hier ist. Sie schwitzt noch nicht mal! Hatte meine Tochter doch recht, dass ich hier nicht durchhalte? Und wo bleibt die erhoffte Entspannung, die Erholung, die ich so dringend brauche?

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Die einzige Therapiemaßnahme, die ich von Anfang an mühelos beherrsche, ist essen. Auch essen erdet, versichert Lina, als wir gemeinsam an der langen Tafel draußen auf der Terrasse sitzen. Die raffinierten Salate und fantasievollen Gemüsekreationen sind köstlich: frischer Büffelmozzarella und in Feigenblätter gewickelter Ziegenkäse. Bohnenpüree mit Zichorienkraut, Salat aus rohem Weißkohl, 143saftigen Birnen und gerösteten Mandeln, Rucola und Borretsch-Blüten aus dem Garten, dazu frisch gebackene Focaccia mit Rosmarin.

Außerdem: riesige Schüsseln hausgemachter Pasta! Doch schon am zweiten Tag ahne ich, dass ich dem Yoga in meiner Ungeduld vielleicht unrecht getan habe. Denn egal, wie idiotisch man sich anstellt - ein wenig scheinen die Übungen schon zu wirken: Wir praktizieren das Wasser-Chakra, das Nieren und Blase anregen soll. Obwohl ich skeptisch bin, da wissenschaftlich nicht nachzuweisen ist, dass es diese Chakren überhaupt gibt, jene Körperstellen, an denen besondere Energie zirkulieren soll, muss ich nachts fünfmal zur Toilette.

Meine Oberschenkel brennen höllisch

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Unsere Lehrer ergänzen sich wunderbar. Lina, die Sanfte und Einfühlsame, steht sofort hinter mir, wenn ich nicht weiß, wie ich den Arm heben, das Bein anwinkeln oder die Schultern drehen soll, und schiebt mich behutsam, mit winzigen Korrekturen, in die richtige Position. Und wenn Michael, der mitreißende und beharrliche, vom "Ocean Breath" erzählt, meint man, die Wellen des Ozeans rauschen zu hören. Oder er lässt uns zu Musik von Sting mit leicht gebeugten Beinen in der "Sumo-Ringer-Pose" wippen, sagt: "Stellt euch vor, ihr reitet auf einem kleinen Elefanten." Während meine Oberschenkel dabei höllisch brennen, erklärt er den kleinen Unterschied zwischen "sweet pain", bei dem man noch etwas durchhalten kann, und wirklichem, unangenehmem Schmerz, den man vermeiden sollte. Schon schaffe ich es, meinen imaginären Elefanten noch eine Runde weiterzureiten.

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Pause vom Yoga. Ich fahre zuerst nach Martina Franca, hinein in die quirlige Altstadt mit den kitschig-opulenten Barockfassaden. Im "Caffè Tripoli" trinke ich zum Wachwerden Granita al caffè, halbgefrorenen Espresso mit einer gigantischen Sahnehaube, den man hier morgens zum Frühstück löffelt. Anschließend schlendere ich durch die verwinkelten Gässchen von Locorotondo, der Stadt des Weißweins, und kurve später gemütlich die Küstenstraße Richtung Gallipoli entlang. Das Meer glitzert in der Sonne, und fast überall führen Holzstege hinunter zu den wilden Sandstränden. Die Straßenbeschilderung ist dürftig, mein Orientierungssinn allerdings auch - so dass ich schließlich in Sava, fast schon wieder im Landesinnern, eine Gruppe älterer Herrn nach dem Weg fragen muss. Sie warten auf der Piazza vor der Dorfkirche auf eine Hochzeit, die erst in drei Stunden stattfinden soll. Sitzen einfach nur da auf ihren Klappstühlen, wunderbar entspannt. Ganz ohne Yoga. Das färbt ab. Ich hocke mich zu ihnen, wir plaudern ein bisschen über das Leben, und ich fühle mich wie in einem Film, bei dem der Slow-Motion-Schalter gedrückt wurde.

Meine Yoga-Reise zahlt sich aus

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Nach vier Tagen zeigt mein Körper dann sehr deutliche Reaktionen auf die regelmäßige Dosis Yoga. Mein Rücken fühlt sich wieder so beweglich an, als hätte mir jemand eine Ladung Zement zwischen den Wirbeln weggemeißelt. Und von Tag zu Tag werde ich gelenkiger, werden meine Muskeln weicher und dehnbarer. Inzwischen bin ich völlig zu Pranayama bekehrt - Atemübungen, die ich zu Anfang unterschätzt hatte: Unglaublich, auf wie viele Arten ein Yogi ein- und wieder ausatmen kann. Und wie unmittelbar der Körper darauf reagiert! Holt man schnell, kraftvoll und nur durch die Nase Luft, wirkt das aufputschend.

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Dagegen ist simple Bauchatmung in turbulenten Phasen ähnlich effektiv wie das Überdruckventil eines Dampfkochtopfs. Dass man dabei bisweilen klingt wie ein hechelnder Hund, stört mich überhaupt nicht mehr. Und jeden Abend falle ich erfüllt und müde ins Bett; und meine Gedanken, die anfangs noch wild hinter den Augendeckeln galoppierten, verwandeln sich in eine friedliche Schafherde.

Am Sonntagmorgen sitze ich neben meinem gepackten Koffer noch ein letztes Mal unter den Mandel- und Olivenbäumen im Gras, um mich zu verabschieden. Ringsum blühende Wiesen, knatschrote Mohnfelder und diese unglaubliche Weite. So viel Grün. Nichts, was einem den Blick versperrt. Ich bin voller Energie. Als hätte ich hier unten in Apulien einmal ganz tief Luft geholt und dabei die Haken meines festgezurrten Alltagskorsetts einfach gesprengt. Ein neues werde ich mir so schnell nicht mehr umschnüren.

Infos zur Yoga-Reise und Apulien

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Yoga Retreat Santa Maria del Sole Auf dem ehemaligen Landgut halten Yogalehrer aus verschiedenen Ländern ein- bis vierwöchige Kurse ab - von dynamischem Power-Yoga bis zu Yoga mit Tai-Chi. Infos zum Kursprogramm gibt das Resort (Via Monti del Duca 302, I-74015 Martina Franca, www.santamariadelsole.it; Anfragen an info@santamariadelsole.it werden schnell beantwortet).

Die jeweiligen Seminare bucht man dann direkt bei den Yogalehrern. Der nächste Ferienkurs von Lina Baggenstos und Michael Thurnherr findet vom 13. Mai bis 19. Mai 2012 statt. Eine Woche Kurs, Transfer vom Flug- hafen Bari nach Santa Maria del Sole und zurück sowie DZ/VP ab ca. 1100 Euro (Yogaloft, Holzwiesstr. 37, CH-8645 Jona, Tel. 00 41/76/344 50 44, www.yogaloft.ch). Gute Vorbereitung: Anna Trökes/Detlef Grunert, "Das Yoga Gesundheitsbuch. Mit Yoga und Ayurveda gezielt Beschwerden heilen" (240 S., 23 Euro, Gräfe und Unzer).

Hinkommen

Z. B. mit Lufthansa (www.lufthansa.com), Hin- und Rückflug von Hamburg nach Bari ab ca. 300 Euro oder ab München ab ca. 350 Euro. Dann vom Flughafen weiter per Mietwagen, eine Woche ab ca. 200 Euro (z.B. AVIS, Hertz).

Telefon

Vorwahl für Italien 0039, dann weiter mit der Ortsvorwahl, dabei die Null immer mitwählen, auch innerhalb Italiens immer die vollständige Ortsvorwahl mit der Null und der Telefonnummer wählen.

Genießen

Trattoria Piazzetta Garibaldi. Typische Gerichte der Region wie bei Mama, außerdem köstliche Antipasti. Spezialität sind die hausgemachten "Orecchiette con ricotta forte", kleine, runde Nudeln mit wunderbar aromatischem Käse aus der Region (Piazza Garibaldi, 17/18, Martina Franca, Tel. 00 39/08 04 30 49 00).

Caffè Tripoli. Das älteste Café der kleinen Barockstadt, mitten im Centro. (Via Garibaldi, 10, Martina Franca, Tel. 00 39/08 04 80 52 60).

Gelateria Bar Adua. Nach alten Familienrezepten werden schon in dritter Generation köstlichstes Eis und Dolci zubereitet. Unbedingt das göttliche Pistazien-Honig-Eis probieren! (Via Paisiello, 62, Martina Franca, Tel. 00 39/08 04 80 70 34).

Lesen

Andreas Haller: Apulien, Michael Müller Verlag, 19,90 Euro.

Ekkehart Rotter: Kunstreiseführer Apulien, DuMont Verlag, 25,90 Euro.

Info

Martina Franca, Piazza Zo Settembre 3, täglich außer Sonntag von 9 bis 13 Uhr und 16 bis 19 Uhr Tel. 080/4805702, www.martinafrancatour.it

Locorotondo, Pro Loco, hinter der Porta Napoli, Piazza Vittorio Emanuele 27, Mo – Fr 10 – 13 Uhr und 17 – 20 Uhr, Tel. 080/4313099, www.prolocolocorotondo.it

Die offizielle Website der Region Apulien

Fotos: Melanie Dreysse Text: Claudia Merkle BRIGITTE Woman, Heft 09/11

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