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Weine in Burgund

Warmes Licht liegt über Weinbergen und Hügelketten, die Luft riecht nach Erde und Pilzen und die Weine in Burgund sind ein Genuss.

Wo Frankreich sich von seiner sinnlichen Seite zeigt

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Tosca trägt nicht nur den Namen einer berühmten Opernfigur, auch optischbedient sie das Klischee einer Opernsängerin: Tosca ist walzenförmig. Nun braucht sie ihr Körpervolumen zwar nicht zum Singen, ihre Rundungen haben aber dennoch etwas mit ihrer Aufgabe zu tun - Tosca ist eine Trüffelhündin. Ein schwarzer Labrador mit einer der besten Spürnasen von Auxerre. Besonders gut ist diese Nase vor allem, wenn sie mit dem dünnen schnauzbärtigen Polizisten Remy Chauvin unterwegs ist. Denn Remy liebt Trüffeln und Tosca, und Tosca liebt Trüffeln und Remy.

Wir holpern im Auto hinter Remys Kastenwagen her. Über Feldwege, durch Reben und Wäldchen, bis er vor einer "Truffiere" anhält, einem Grundstück, das den "Trüffelfreunden" von Auxerre gehört. Remy öffnet das Gatter, Tosca drängelt sich aufs Gelände und beginnt sofort die Haselnüsse zu fressen, die überall auf dem Boden liegen. "Nein, Tosca, keine Nüsse!", ruft Remy freundlich. "Va chercher les truffes!", und sofort macht sich die Hündin an die Arbeit. Mit der Schnauze am Boden nähert sie sich dem Stamm einer Kiefer. Schnüffelt erregt und scharrt mit der Pfote vorsichtig die Kiefernnadeln auf einem handtellergroßen Fleck weg. Dann setzt sie sich daneben, wirft Remy einen samtschwarzen Blick zu und wartet artig auf ihre Belohnung wie eine Konfirmandin auf den Segen. Mit einer kleinen Harke räumt Remy vorsichtig Erde und Steine beiseite, bohrt mit den Fingern nach und befördert zwei graubraune Knollen ans Tageslicht. Eine schneidet er an, die Schnittfläche hat die Farbe von hellem Milchkaffee: perfekt. Remy lässt die Pilze in seiner Umhängetasche verschwinden und angelt stattdessen Hundekuchen für Tosca aus dem Seitenfach, die neben einem dicken Trüffelpilz lagen und entsprechend aromatisiert sind. Wieder ein bisschen mehr Hüftspeck für die Hündin.

Abends im "Hotel Maxime" in Auxerre sind wir froh, die lehmverschmierten Schuhe abstreifen zu können. Die Hände riechen noch nach warmem Hundefell, nach Erde und Pilzen. Trüffelsuche mit Tosca - wieder so ein Ereignis, das unsere Herbstreise durch Burgund so besonders macht.

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Einige solcher Momente haben wir schon erlebt: Der Rundgang durch die Weinkeller der Familie Borgnat in Escolives-Sainte-Camille zum Beispiel. Die Luft in dem fast 700 Quadratmeter großen unterirdischen Gewölbe war kühl und weingeschwängert. Madame Borgnat zeigte uns die großen Holzfässer und die hohen Mauern aus sorgfältig aufeinandergeschichteten Flaschen. Später bekamen wir ein Glas frischen Most direkt aus dem metallenen Riesenfass im Kelterhaus. Abends kochte Madame "Coq au vin" für uns. Es wurde spät. Oder in Beaune: Als wir zusahen, wie Marc Desarmenien, der Direktor der Senfmanufaktur Moutarderie Fallot, einen Eimer voll Estragonblättchen in den Bottich kippte, in dem der Senf gemahlen wird, kamen uns die Tränen - so scharf zog der Geruch in die Nase. Hinterher stampften wir aus Senfkörnern, Essig und Salz unseren eigenen "Moutarde de Dijon" in einem Mörser und mussten gleich noch mal weinen.

Zum Essen gehören natürlich Weine aus Burgund

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Abends in Auxerre gehen wir am Ufer des Flusses Yonne entlang zum Restaurant von Jean-Luc Barnabet. Dort erwartet uns das Fünf-Gänge-Menü "Tout ä la truffe". Vorab empfiehlt der Küchenchef erst mal einen "Kir", den klassischen Aperitif des Burgund: ein gut gekühlter Aligote-Wein mit einem Schuss Creme de Cassis, dem schwarzen Johannisbeerlikör der Côte d'Or.

Wir haben unser Glas kaum geleert, da schlägt die Stunde der Trüffeln: Man serviert uns Crevetten und Fenchel mit einer Kugel aus Gänseleber in Trüffelhülle, Jakobsmuscheln mit dicken Trüffelscheiben, Kabeljau unter Trüffeln, Fasan mit Trüffel-Kartoffelpüree, zur Abrundung betrüffelte Frischkäse-Ravioli. Und zu jedem Gang einen anderen Wein der Region. Als ich am Chablis der Vorspeise nippe, fühle ich mich sofort wieder in die gleichnamige schöne alte Weinstadt zurückversetzt, die wir vor einigen Tagen besuchten. Wir wanderten durch einen Kiefernwald zu den Weinbergen, die wie grüne Fächer vor Chablis ausgebreitet liegen. Maureen von der Kellerei Cave du Connaisseur zeigte uns, wo die Chardonnay-Reben der "Appellation Petit Chablis" gedeihen. Es stürmte, die Trauben waren schon abgeerntet, die Ränder der Weinblätter gelb verfärbt. Mit jedem Schluck schmecke ich noch einmal die herbstliche Luft dieses unvergesslichen Tages.

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Am nächsten Morgen weckt mich das Tuten eines Schiffshorns. Ich öffne die Fensterläden und blicke auf den Yonne. Die Welt ist noch schwarzweiß, silbriges Licht spiegelt sich auf dunklen Wellen. Nebelschleier kräuseln sich um die Bäuche der Schiffe, nur in dem Hausboot am anderen Ufer brennt schon Licht. Als wir nach dem Frühstück vor die Tür treten, fährt ein frischer Wind in die Bäume am Fluss. Wir haben Fahrräder gemietet und rollen gemütlich los, erst am Yonne entlang, dann am Canal du Nivernais. Die Quellwolken über uns geben ab und zu ein blitzblaues Stück Himmel frei, bevor sie sich wieder zu einer dichten Wand zusammenziehen. Vor uns ragen die steilen Felsen von Saussois auf, skurrile Steinriesen, die sich durch den ständigen Wechsel des Lichts zu bewegen scheinen. Ein paar Kilometer weiter entdecken wir einen Bauerngarten. Dunkelgrüne Mangoldstauden wachsen aus der rotbraunen Erde. Dahlien lehnen ihre rosa, rot und orange geflammten Blütenköpfe an den Zaun. Merkwürdig: Die Farben Burgunds strahlen auch ohne einen sonnigen Herbsttag. Trotz des bedeckten Himmels scheinen sie alles Licht in sich hineinzusaugen, bis alles von innen zu leuchten beginnt. Das fiel mir schon bei unserem Ausflug nach Beaune auf: Mitten im Altstadtgemäuer erstrahlten die glasierten Ziegel auf den Dächern des berühmten Hospitals "Hötel-Dieu" aus dem Jahr 1443 in tiefem Weinrot, Flaschengrün und Sonnengelb.

Weine aus Burgund muss man genießen

Später wandere ich die steile Straße hinauf nach Vezelay, bis zur Kirche Sainte-Madeleine, die auf der Hügelkuppe liegt. Streng ragt das Kirchenschiff in die Höhe; die romanischen Reliefs über den Portalen wirken modern, fast abstrakt. Im Inneren erzählen kleine Steinfiguren an den Kapitellenkuriose Geschichten. "Wer traurig hierher kommt, zieht glücklich und getröstet weiter", heißt es in einer alten Chronik. Auf dem Weg nach unten entdecke ich das kleine Atelier "Or et Lumiere" der Künstlerin Beatrice Van Den Bossche. Sie hat sich auf mittelalterliche Buchmalerei spezialisiert. Gerade gibt sie einen Kurs; die Teilnehmer sitzen vor ihren Pergamenten und zeichnen mit Marderhaarpinseln vorsichtig feine Bilder auf die Blätter. Die meisten sehen tatsächlich wie mittelalterliche Illustrationen aus - stilisierte Menschen- und Tierfiguren, bunte Buchstaben mit klaren Konturen auf Goldgrund. Ich bitte die Künstlerin um ein sehr persönliches Souvenir: meine Initialen auf Goldgrund, umrankt von ein paar Weinreben, dazu einen dicken schwarzen Hund, der sich geschmeidig zwischen den Buchstaben hindurchwindet.

Beatrice schaut mich fragend an: "Einen dicken Hund?" Das sei sehr ungewöhnlich, denn gotische Figuren seien schließlich asketisch, rank und schlank. Aber Tosca verschlanken? Niemals! Sie ist ein Genuss-Hund, und das soll man schließlich sehen. "Mal doch meine Anfangsbuchsta ben auch etwas rundlicher!", schlage ich der Künstlerin vor. Beatrice lacht und setzt den Pinsel an.

Text: Susanne Friedmann Fotos: Annette Falck

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