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Urlaub auf der Alm: Warum sich Schuften auszahlt

Beim Urlaub auf der Alm machte sich BRIGITTE-Mitarbeiterin Johanna Stöckl richtig schön dreckig - und schaute sich von Bäuerin Anna einiges ab.
Wer sich in Tirol zur Bauernhof-Arbeit meldet, macht das, was gerade anfällt. Johanna Stöckl half, Kaminholz zu schneiden und zu stapeln. Beim Pflanzen von Baum-Setzlingen drehte sie sich für den Blick aus 1200 Meter Höhe auch mal um.
Wer sich in Tirol zur Bauernhof-Arbeit meldet, macht das, was gerade anfällt. Johanna Stöckl half, Kaminholz zu schneiden und zu stapeln. Beim Pflanzen von Baum-Setzlingen drehte sie sich für den Blick aus 1200 Meter Höhe auch mal um.
© Julia Rotter

Acht Uhr, ich melde mich erstmals zum Dienst. Bäuerin Anna, 67, begrüßt mich mit einem Becher Kaffee, Bauer Alfred, 66, mit einem Marillenschnaps, Knecht Zoran mit Abstand. Der Serbe unterstützt die Kirchmairs seit zehn Jahren während der Sommermonate auf der Alm in 1200 Meter Höhe im Zillertal in Tirol - und schaut mich skeptisch an. Vermutlich zweifelt Zoran an meiner Eignung. Ich werde ihm das Gegenteil beweisen!

Normalerweise gehen Urlauber in einer so schönen Bergregion wandern. Die Wiesen sind saftig grün, die schneebedeckten Spitzen der Zillertaler Dreitausender am Horizont blitzen in der Sonne. Für mich steht heute Holzarbeit an. Mit einer Kippkreissäge schneiden wir Stämme und dicke Äste in kaminholzgroße Stücke. Das heißt: Anna sägt, ich schleppe, Zoran stapelt. Konzentrationsarbeit. Nach einer Stunde zieht's mir im Rücken, nach eineinhalb Stunden gibt's die erste Pause, dazu Brot und viel Gelächter. Anna und Alfred scheinen sich wirklich zu freuen, dass ich hier bin. Passt, ich freue mich auch.

Am Abend sind meine Hände pechschwarz und harzverklebt. Wann war ich je so schmutzig? Arbeitshandschuhe, die Anna mir leihen wollte, haben mir nicht gepasst. Aber ihr Reinigungstrick funktioniert prima: ein selbst gemachtes Peeling aus Sägemehl und Seife.

Um halb neun falle ich in einer kleinen Kammer, in der vom Boden bis zur Decke alles aus Holz ist, ins Bett. Der Tag gefiel mir, denn wir haben einen ansehnlich hohen Stapel aufgeschichtet. Außerdem mag ich die körperliche Arbeit, die Beschränkung aufs Wesentliche, beim Essen wie beim Reden. Und ich mag die Stille vor dem offenen Fenster.

Um halb sieben bin ich die Letzte, die aufsteht. Alfred ist seit drei Uhr auf den Beinen, seine zehn Kühe hat er inzwischen längst gemolken. Anna und Zoran haben ab fünf den Kuhstall ausgemistet. Während ich noch leckeres selbst gebackenes Brot mit Butter und Honig frühstücke, holt der Molkereilaster aus dem Tal schon die frische Milch ab.

Alfred wirft seinen Schlepper an, die Offroad-Variante eines Pritschenwagens. Ich hocke mich auf die Ladefläche. Zoran steuert den Traktor, in dessen Schaufel Anna sitzt - sieht schräger aus, als es für Anna ist. Beim Mensch-ärgere-dich-Spiel gestern Abend sagte sie, dass der abgeschiedene Bergbauernhof im Zillertal genau ihr Platz sei und dass sie es noch nie vermisst habe zu verreisen. "Die Welt kommt zu mir", meinte sie, "im Sommer arbeiten bei uns Freiwillige aus großen Städten. Die bringen frischen Wind zu uns." Anna hat wohl keine Angst, irgendetwas zu versäumen, das will ich mir von ihr abschauen.

Langsam tuckern wir in Serpentinen hinauf bis zu einer Böschung am Berg. Der Plan für heute: Fichten- und Lärchensetzlinge pflanzen. Sie sollen die Hänge vor Erosion schützen. 450 Stück hat der Förster geliefert. 450 Stück zu viert? An einem Tag? Nie im Leben!

Man benötigt einen guten Stand und sehr viel Schwung, damit sich die Spitzhacke tief genug in den harten Boden bohrt. Bis ich ein brauchbares Loch frei geschaufelt habe, bin ich außer Atem. Setzling rein, Erde drauf und fest andrücken. Eine echte Plackerei. Ich schwitze, fluche, stöhne. Gleichzeitig geht es mir gut dabei, mich so reinzuknien und Arbeit zu machen, die mir sinnvoll und nachhaltig erscheint. Die Bäumchen, die wir pflanzen, werden wohl über 100 Jahre alt. Sie werden uns alle überleben.

Ich halte mit Mühe durch bis zur Mittagspause um zwölf Uhr. Dass ich auch nach dem Essen nicht schlappmache, liegt an der Anerkennung, die ich spüre: Zoran bietet mir in einer Pause eine Zigarette an, Alfred nickt wohlwollend, wenn sich unsere Blicke kreuzen. Ich spüre Dankbarkeit und bin stolz auf das Schulterklopfen nach der Schicht. Alle Achtung, wir haben tatsächlich 450 Setzlinge gepflanzt. Mit einer Mischung aus Stolz und Sentimentalität blicke ich auf den Hang, bevor wir wieder alle gemeinsam zur Alm fahren.

Mein Fazit: Für meine Arbeit bekomme ich weit mehr als gutes Essen und ein Bett: saubere Luft, viel Bewegung, Tiefschlaf und vor allem Ursprünglichkeit.

Text: Johanna Stöckl BRIGITTE 14/2014

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