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Als Single auf Mallorca

Als Single auf Mallorca
© el lobo / Shutterstock
Als Single muss man auch mal Experimente machen. BRIGITTE WOMAN-Autorin Nikola Haaks verbrachte eine Wellness-Woche auf Mallorca.

1. Erkennen, was man will

Es gibt Menschen, die fahren, ohne mit der Wimper zu zucken, ständig allein in Urlaub. Setzen sich in Cafés, lesen Zeitungen, liegen am Strand, trinken abends in Ruhe ihren Wein und freuen sich, wenn sie nicht reden müssen. Zumindest erzählen sie das so. Ich gehörte bislang nicht dazu. Ich mache gern zu zweit Urlaub. Nicht, um den ganzen Tag zu reden, aber um die Option zu haben, abends mit jemandem einen Wein zu trinken, den ich kenne. Und mag. Und mit dem ich mich dann über die Dinge austauschen kann, die einem so im Urlaub widerfahren den lieben langen Tag.

Aber irgendwann kommt der Punkt, da ist man urlaubsreif, und die Menschen, die man kennt und mag, haben gerade andere Dinge vor oder kein Geld oder einen neuen Freund. Außerdem muss man mit 35 Jahren nicht nur in der Lage sein, High-Heels mit Würde zu tragen, sondern auch einen mittellangen Urlaub allein zu genießen. Also begebe ich mich ins Internet und finde "Wandern auf La Gomera", "gruppendynamisches Bootfahren im Mittelmeer" oder "Seidenmalen im Veneto". Nicht ganz das, was mir vorschwebt. Dann telefoniere ich noch ein paar Städtereisen-Anbieter durch, fühle mich schon nach der Vorsondierung, als hätte ich einen zehntägigen New-York-Marathon hinter mir, und denke daran, vielleicht doch keinen Urlaub zu machen.

2. Zur Ruhe kommen

Es wird schließlich Mallorca. Und zwar eine Finca mitten auf dem Land mit angeschlossener Ayurveda-Farm, auf der ich gleich die "Minikur" mitbuche. Kein großes Programm, aber eine kleine Rahmenbehandlung erscheint mir als die perfekte Lösung für mein Allein-Projekt. Außerdem war ich noch nie auf Mallorca.

Als ich in die Einfahrt "meiner" Finca einbiege, weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe. Ich fahre zwar den hässlichsten Mietwagen, den es auf der ganzen Insel gibt (aubergine-metallic), aber das macht das "Sa Bassa Rotja" sofort wett. Als ich über den Vorplatz auf das alte steinerne Gemäuer zugehe – vorbei an dem Pool mit den akkurat geschnittenen Hecken und den Oleanderbüschen –, verliebe ich mich auf der Stelle. Die Halle des alten Herrenhauses ist eingerichtet wie ein französisches Jagdschloss aus dem vorigen Jahrhundert, es gibt einen traumhaft-verwinkelten Innenhof mit gemütlichen Sitzecken, und aus meinem Zimmer gucke ich weit über die hügelige Landschaft.

Eine halbe Stunde später begrüßt mich Frau Jung auf der Bank vor ihrer Ayurveda-Farm mit den aufbauenden Worten: "Ich sehe schon, Sie können schlecht loslassen." Frau Jung ist klinische Ayurveda-Therapeutin und düsseldorferisch resolut. Sie analysiert im Handumdrehen meine noch fahle Gesichtshaut ("Hautunreinheiten im Kinnbereich zeugen von emotionalem Stress"), serviert mir heißes Ingwerwasser und versorgt mich für die nächsten Tage mit Terminen für meine Minikur. Massagen wie Abhyanga oder Garshan stehen auf dem Programm, und der traditionelle Stirnguss darf natürlich auch nicht fehlen. Abends sitze ich mit einem Buch auf der Restaurant-Terrasse der Finca, trinke einen wunderbaren Weißwein und beschließe, in den nächsten zehn Tagen die »Loslass-Königin« zu werden.

3. Dinge tun, die man noch nie getan hat

Es ist ja nicht anders zu erwarten. Frau Jung findet bei der so genannten »Konstitutions-Analyse« heraus, dass ich zu viel Pitta habe. Zu viel Pitta bedeutet auf Ayurvedisch: zu viel Feuer. Ich sei zu schnell, zu angespannt, zu erregbar und solle in Zukunft tief in den Bauch atmen, sagt Frau Jung. Und warme Sachen essen müsse ich auch. Dabei liebe ich Sandwiches und Salate. Ich soll außerdem keinen Rotwein trinken – den liebe ich ebenso sehr. Und am besten keinen Kaffee. Nach dieser niederschmetternden Analyse lege ich mich erst mal an den Pool, um mein Pitta ein bisschen runterzudösen.

Am nächsten Tag bekomme ich eine SMS. Alex, ein Freund aus Hamburg, sagt, er habe Lust, spontan zwei Tage nach Mallorca zu fliegen, um mich zu besuchen. Ich zögere, obwohl die Idee von etwas Gesellschaft verlockend ist. Aber ich kenne Alex noch nicht lange und weiß nicht, ob er mir vielleicht auf die Nerven geht. Außerdem merke ich, wie sehr ich mich schon mit meinem Alleinsein angefreundet habe. Aber ich mag spontane Menschen, reserviere ein Zimmer und sage ihm, er könne kommen. Die zwei Tage, die er da ist, klappern wir die Umgebung ab, entdecken einen traumhaft untouristischen Küstenort, kaufen gegrilltes Hühnchen, machen Picknick an der Hafenmole und einen Ausflug nach Palma. Wir streiten über den schönsten Platz zum Frühstücken, den besten Tisch in der Tapas-Bar und ob »Fleisch ist mein Gemüse« ein gutes Buch ist oder nicht. Als ich Alex wieder zum Flughafen bringe, bin ich froh, dass er da war, aber auch, dass ich wieder meine Ruhe habe.

4. Sehnsucht haben

Ich habe einen Lieblingsort gefunden. Es ist eine kleine Strandbar in den Klippen von Portocolom an der Ostküste. Hier sitzt man über dem Meer in einer kleinen Bucht, schaut auf die Häuser am Wasser, die ein bisschen an Venedig erinnern, sieht die Sonne hinter dem Horizont verschwinden und trinkt einen Gin-Tonic. Das ist genau die richtige Kulisse, um herrlich sentimental zu werden. Und sentimental werden gehört zum Alleinreisen dazu. Man kann dann an die verflossene Liebschaft denken und an all die Sommer und Männer der vergangenen Zeit. Vielleicht sogar eine sentimentale SMS verschicken, vielleicht auch an den Falschen, aber das ist in diesem Moment egal. Denn man ist ja weit weg und hat gerade sowieso das bessere Los gezogen. Schön sentimental macht es auch, davon zu träumen, wie es wäre, hier mit jemandem zu sitzen, in den man unsterblich verliebt ist. Das wäre so unglaublich romantisch, dass man fast heulen könnte. Deswegen denkt man lieber schnell daran, wie es wäre, jetzt hier mit jemandem zu sitzen, in den man nicht mehr verliebt ist – aber immer noch zusammen. Und spätestens dann freut man sich riesig, allein zu sein. Hier und jetzt und überhaupt.

5. Loslassen

Es ist nicht leicht. Ich lasse mich durchkneten und mit warmen Kräuterpäckchen schlagen. Ich lasse mich mit Öl abreiben und von Musik besäuseln. Ich liege unter Bäumen und tue nichts. Ich buche sogar Upanha Sweda, eine Rückenmassage, von der Frau Jung behauptet, da könne man gar nicht anders als loslassen. Ich trinke ganz viel heißes Ingwerwasser, verzichte auf Wein, esse warm und lasse mir extra eine Liege in den Finca-Garten stellen, weil es dort ruhiger ist als am Pool.

Am vorletzten Tag bekomme ich dann den berühmten Stirnguss. Und spätestens jetzt bin ich kurz davor, von meiner ölgetränkten Massageliege zu springen. Nach einer anderthalbstündigen Massage befestigt die Masseurin ein Gefäß mit warmem Öl über meinem Kopf, das in einem dünnen Strahl auf meine Stirn gegossen wird. Es läuft und läuft, und ich versuche an nichts mehr zu denken. Ich versuche so sehr an nichts zu denken, dass mein ganzer Körper plötzlich juckt und das Nichts ein riesengroßes Monster wird. Ich fange an, die Minuten zu zählen, und merke, dass ich von der Gelöstheit, die Ayurveda verspricht, noch weit entfernt bin.

Dennoch haben die Tage einen Rhythmus bekommen, der etwas sehr Entspannendes hat: Nach dem Aufstehen gucke ich als Erstes aus meinem Fenster in die mallorquinische Landschaft und checke die Wolken am blauen Juni-Himmel, dann gehe ich manchmal eine Runde joggen. Danach frühstücke ich in Ruhe auf der Terrasse, lese Zeitung und lege mich auf meine Liege in den Garten oder lasse mich massieren. Am späten Nachmittag nehme ich den Mietwagen und erkunde die Umgebung. Ich fahre die Ostküste ab, entdecke kleine Orte und lande auch in den üblichen Touristenhochburgen, die mir noch einmal mehr deutlich machen, wie traumhaft es auf der Finca ist. Es ist schön, ganz und gar nichts zu müssen, mit niemandem zu diskutieren, wer wann was machen will, und keine Rechenschaft darüber abzulegen. Es ist schön, zu wissen, dass man einen mittellangen Urlaub auch allein genießen kann. Am letzten Abend sitze ich noch einmal in der Strandbar in Portocolom. Als ich gerade gehen will, packt jemand seine Gitarre aus und spielt "Knockin' On Heaven's Door". Ich bleibe sitzen. Und schicke eine SMS. An den Falschen. Aber das ist ja jetzt so was von egal.

Reise-Infos Mallorca

Sa Bassa Rotja ist ein alter mallorquinischer Besitz aus dem 13. Jahrhundert, liebevoll umgestaltet in ein traumhaftes Landhotel. EZ/F ab 93 Euro, DZ/F ab 162 Euro. (Sa Bassa Rotja, Camí Sa Pedrera, Finca Son Orell, E-07260 Porreres/Mallorca. Tel. 0034/971/168225, www.sabassarotja.com).

Text: Nikola Haaks

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