Anzeige

Einfach mal Gas geben!

Wie ist das, wenn man nach 27 Jahren zum ersten Mal wieder auf ein Motorrad steigt? Ein Selbstversuch auf Mallorca.

image

Mallorca kann wirklich nichts dafür, dass ich mich an diesem wunderschönen Morgen wie kurz vor einer Wurzelbehandlung ohne Betäubung fühle. Eigentlich ist das Leben gerade mehr als perfekt. Oleander und Bougainvilleen duften zartrosa bis dunkelrot, der Himmel knallt aufs Freundlichste sein Blau herunter, nur mein Herz klopft so aufdringlich, dass ich befürchte, es könne aus mir herausplumpsen, direkt neben die blau glitzernde Sportster 883 Low, eine besonders tief gelegte Harley-Davidson, die dort auf ihre erste Ausfahrt mit mir wartet. Neben ihr steht Majk Faust, 38, ein hoch gewachsener und sehr attraktiver Serbe und für die nächsten beiden Tage mein Fahr-Coach. "Wie lange bist du nicht gefahren?", fragt er. "Tja, so zehn bis 15 Jahre", lüge ich schamlos, während das Blut in meinen Ohren heftig rauscht.

Was für eine Schwachsinnsidee, mich für den "Back to Biking"-Kurs für Wiedereinsteiger anzumelden, deren Fahrpraxis schon ein bisschen eingerostet ist! "Holen Sie Ihren Führerschein aus der Schublade und frischen Sie bei uns Ihre Kenntnisse wieder auf!", versprach der Prospekt, auf dem junge Menschen auf funkelnden Harleys in den Sonnenuntergang fuhren. Ein Bild, das mit meinem beschaulichen Alltag als langjähriger Ehefrau und Mutter zweier fast erwachsener Kinder nichts zu tun hatte. Aber der Satz meiner Freundin Cornelia "Man muss einmal im Jahr etwas machen, wovor man Angst hat, sonst entwickelt man sich nicht weiter" hatte sich in mir festgehakt. Ich holte meinen alten grauen Führerscheinlappen mit dem Foto meiner rothaarigen Jugend und Schönheit hervor und dachte: "Warum eigentlich nicht?"

Als ich meinem Mann erzählte, dass ich nach 27 Jahren Motorradabstinenz wieder auf eine Harley-Davidson steigen wollte, hielt er dies für einen meiner schlechteren Scherze: "Wenigstens bist du ja gut krankenversichert", sagte er, was mich in meinem Entschluss nur bestärkte, den Kurs auf Mallorca zu buchen.

Hatte ich mich nicht seinerzeit so entspannt auf dem Motorrad gefühlt, dass ich sogar Achten in engen Straßen fahren konnte? War nicht mein Fahrschullehrer total von mir begeistert gewesen? Kleiner Irrtum, der sich aufklärte, als ich die Tagebucheintragung von Juni 1981 wiederfand: "Bocksprungartig hüpfte die KTM nach vorn, ich krampfte mich vor Schreck am Lenker fest und gab Gas. Je mehr ich mich festhielt, umso schneller wurde ich. Keuchend stand mein Fahrlehrer hinter mir. Sein Gesicht war grau, aber er beherrschte sich: ,Das war der typische Fehler eines Anfängers', sagte er, ,so perfekt habe ich ihn allerdings noch nie erlebt.'"

image

Mein Ehrgeiz war geweckt. Schließlich bin ich die Tochter eines fanatischen Motorradfahrers, der sich trotz seiner 80 Jahre am liebsten sofort wieder auf eine Maschine setzen würde. Schon als Vierjährige saß ich bei ihm auf dem Hintersitz.

Außerdem lockte der Robinson Club in Cala d'Or an der Südostküste Mallorcas, wo ich mich vor und nach meinem Motorradabenteuer entspannen konnte. Zwei traumhafte Riesenpools direkt am Meer, ein sehr luxuriöser Wellnessbereich, ein Golf- und ein Tennisplatz. Der Club mit seinen 280 Zimmern, betreut von 245 Mitarbeitern, schien mir der ideale Ort, um mich vor Kursbeginn noch ein bisschen zu entspannen. Was gar nicht so leicht war, denn ich konnte richtig spüren, wie mein Adrenalinspiegel von Stunde zu Stunde anstieg. Bist du denn völlig verrückt geworden?, dachte ich, während ich mir am leckeren Frühstücksbuffet mein Lieblingsomelett mit Tomaten, Zwiebeln und Pilzen brutzeln ließ und danach auf der Dachterrasse aufs glitzernde Meer schaute, du bist doch sonst auch nicht der waghalsige Typ. Beim Segeln und Skifahren magst du leichte Brisen und sanfte Pisten. Und jetzt stürzt du dich ohne Not in dieses Abenteuer?

Es war keine gute Idee, dass ich vor meiner ersten Fahrstunde nach C'as Concos fuhr, um meinen alten Freund Rainer Fichel zu besuchen, den Wirt des In-Lokals "Viena". Er lachte nur, als ich ihm von meinem Kurs erzählte. "Ich hab mir voriges Jahr eine Geländemaschine gekauft", erzählte er, "mit der bin ich 24 Zentimeter gefahren, dann ist sie mir auf den Fuß gefallen. Hat drei Monate gedauert, bis ich wieder laufen konnte. Jetzt steht sie zum Verkauf."

Mein Coach hatte die Lowrider vor den Speiseraum geschoben, zur seelischen Einstimmung, wie er meinte, also ging ich vor und nach jeder Mahlzeit an ihr vorbei und redete ihr gut zu. "Sei bitte nett zu mir", flüsterte ich, "wirf mich bloß nicht ab, wenn es so weit ist." Und dann ist es so weit. Majk gibt mir Jacke, Helm und Handschuhe, ich streife sie über, das schwarze Leder riecht nach Freiheit und Abenteuer, unwillkürlich straffe ich den Rücken, trete etwas fester auf, es kann losgehen! "Noch mal kurz zur Auffrischung", sagt Majk, "links oben und unten ist die Kupplung, erster Gang runter, alle anderen hoch, rechts vorn das Gas, hinten die Bremse, rechts unten die Fußbremse. Das Wichtigste ist, dass du den Wirkungspunkt der Kupplung findest, sonst macht die Maschine einen Satz, und du verlierst die Kontrolle. Auf geht's."

image

Ich drehe den Zündschlüssel um, während mein Hirn zu Brei wird und ich alles vergesse, was Majk gerade gesagt hat. Ich fühle, wie meine Hände in den Lederhandschuhen vor Angst kalt und klamm werden. Panisch versuche ich es trotzdem, Kupplung runter, erster Gang, wo ist der verdammte Wirkungspunkt? Die Harley jault, Majk tut es innerlich, das sehe ich ihm an. "Gib ein bisschen Gas", ruft er, und ich gebe Gas, aber gleich so viel, dass die Maschine einen Satz nach vorn macht und ich sie nur unter Aufbietung aller Kräfte halten kann. Ein entwürdigender Moment. Aus den Augenwinkeln stelle ich fest, wie uns eine Gruppe junger Männer beobachtet. "Majk, seit wann gibst du denn deine Hobel ohne Führerschein weg?", fragt einer. - "Sie hat einen Führerschein", knirscht Majk und macht damit meine Blamage so vollständig, dass ich auf einmal ganz ruhig werde. Absurde Idee, mir ein zubilden, ich würde es jetzt besser können als vor 27 Jahren. Aber ich habe nichts zu verlieren.

Ich suche den Wirkungspunkt der Kupplung, ich suche und ich suche ihn . . . über mir lacht der blitzblaue Mallorcahimmel mit seinen perfekten Schäfchenwolken, lacht auch er mich aus? Doch dann ist es geschafft. Die Harley schnurrt zufrieden, ich sitze auf, fahre langsam um den Tennisparkplatz, und wäre die Lederjacke nicht so eng, ich wäre vor Stolz geplatzt.

Bereits nach einer halben Stunde schaffe ich den zweiten und dritten Gang, und obwohl Majk mich ansieht wie eine hinfällige Patientin, die nach einer Hüft-OP auf wackeligen Beinen das Krankenbett verlässt, traue ich mir zu, auch etwas längere, allerdings nur schnurgerade Strecken zu fahren.

Unsere erste Tour geht nach Portocolom, dem alten Hafen von Felanitx, der mit seinen bunten Häusern deshalb noch so schön und unverbaut ist, weil er keine Sandstrände hat. Wir sitzen direkt am Wasser, trinken Milchkaffee, essen Churros (fette Hefekringel) dazu, und ich fühle mich wie höchstens 25. "Nicht schlecht für dein Alter", lobt Majk, und ich kann ihm nur recht geben. War lange nicht so zufrieden mit mir. Die nächsten beiden Tage entdecken wir die Gegend im zwar höchstens dritten Gang, aber der geht ja auch immerhin bis 60 km/h. Ich spüre die warme Luft, rieche die Orangen- und Zitronenblüten, die Getreide- und Weinfelder, das Mittelmeer glitzert in der Ferne, ich mittendrin im Licht und in der Farbe dieser wunderbaren Insel. Frei sein, high sein, ja, das trifft es.

Wir fahren vorbei an Salzseen, die in Grau, Blau und Rosa schimmern, durch Pinienhaine, die vor kleinen verträumten Buchten liegen, im Südosten zeigt Mallorca seine fröhliche, verspielte Seite. In El Molinar, der kleinen, inzwischen leider sehr beliebten Bucht direkt hinter Palma, genießen wir das Meer vom knallblau gestrichenen Hotel "Azul Playa" aus. Es macht einfach Spaß, einen Café con Leche zu trinken, danach lässig auf seine Harley zu steigen und davonzuröhren.

Wirklich sehr, sehr schade, dass mich jetzt mein Mann nicht sehen kann!

Reise-Infos - Mallorca mit dem Motorrad

Der Robinson Club Cala Serena an der Südostküste Mallorcas bietet den Zwei-Fahrtage-Kurs "Back to Biking" für 399 Euro an. Eine Woche im Club ab 909 Euro im Einzelzimmer inklusive Flug, ab 769 Euro im Doppelzimmer/Person (buchbar über Reisebüros oder unter www.robinson.com.

Gut in Fahrt - Sicherheitstraining in Deutschland

Was mache ich, wenn das Auto oder das Motorrad ins Schleudern kommt? Wie reagiere ich bei Schnee und Eis? Wer Unsicherheiten beim Fahren verspürt, kann ein spezielles Sicherheitstraining machen. Es dauert meist acht Stunden.

Hier einige Adressen:

ADAC-Fahrsicherheitszentrum Lüneburg, ADAC-Straße 1, 21409 Embsen, Tel. 041 34/907 0, Fax 90 72 16, www.fsz-lueneburg.de. Preis: ab 89 Euro (Mitglieder) bzw. 105 Euro (Nichtmitglieder). Spezielle Kurse für Frauen. Bundesweite Angebote.

Landesverkehrswacht Schleswig- Holstein, Westring 260, 24116 Kiel, Tel. 04 31/173 33, Fax 173 34. Preis: 75 Euro inkl. Versicherung, einige Berufsgenossenschaften übernehmen die Kosten; www.lvw-sh.de (wird in verschiedenen Städten Schleswig-Holsteins angeboten).

FahrsicherheitsCentrum Rheinberg, Heydecker Straße 145, 47495 Rheinberg, Tel. 028 43/ 99 19 55, Fax 99 19 56. Preis: 89 Euro inkl. Vollkaskoversicherung, www.fahrsicherheitscentrum.de.

TÜV Rheinland Akademie Verkehrssicherheitszentrum Eichenkamp, 53332 Bornheim, Tel. 022 22/96 69 0, Fax 966 99. Preis: 99 Euro. Spezielles Frauen-Fahrsicherheitstraining kann über "Hallo Frau" gebucht werden, Tel. 021 31/75 85 29.

Fahrtechnik- und Ausbildungszentrum (FAZ), Holsterfeld 4, 48499 Salzbergen,Tel. 059 71/800 34 62, Fax 151 37 16 34. Preis: ca. 90 Euro für Pkw, 80 Euro für Motorrad, www.fahrtechnik.de.

Teach & Drive Verkehrsausbildungszentrum, Lise-Meitner-Str. 2, 38268 Broistedt, Gemeinde Lengede, Tel. 053 44/26 15 25, Fax 26 16 90. Preis: 102 Euro für Pkw, 87 Euro für Motorrad, www.teach-and-drive.de.

auto motor und sport Fahrsicherheitszentrum Nürburgring, An der B 258, 53520 Nürburg, Tel. 026 91/ 301 50, Fax 30 15 10. Preis: ab 99 Euro, Motorrad ab 155 Euro, www.fsznuerburgring.de.

LuK Driving Center Fahrsicherheitszentrum Baden Airpark, Victoria Boulevard E 100, 77836 Rheinmünster, Tel. 072 29/62 89-763 oder -348, Fax 186 80 68. Preis auf Anfrage, www.drivingcenter-baden.de. Bieten nur Pkw-Training an, Motorrad läuft über Team Motobike, Rotenbachtalstr. 16, 76530 Baden Baden, Tel. 0151/16 75 22 89, Fax 39 86 92, www.team-motobike.de. Preis für das Fahrsicherheitstraining "Only Girls": 160 Euro inkl. Verpflegung.

Sicherheitstraining Bodensee, Charlottenstr. 49, 88045 Friedrichshafen, Tel. 075 41/76 11 (oder 01 60/ 730 24 61), Fax 229 29. Preis: ab 85 Euro, inkl. Vollkaskoversicherung, www.sicherheitstraining-bodensee.de.

Führerschein-Besitzerinnen können bei Fahrschulen auch nur einige "Auffrisch-Stunden" buchen. Zwischen 30 und 36 Euro/Stunde, für Motorrad etwa 38 bis 48 Euro. Meist sind fünf bis 20 Stunden nötig.

Fotos: Joachim Ellerbrock Text: Evelyn Holst

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel