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Was sagt ein Buch über eine Stadt aus?

Kennen Sie Bücher, die in London spielen? Machen Sie eine Tour der besonderen Art durch die britische Hauptstadt und entdecken Sie diese Bücher ganz neu: "Paddington schafft das schon", "Besessen", "Dracula" und "Brick Lane"...

Prolog: Portland Place

Vorsichtig stemme ich die schwere Tür auf. Das schwache Licht der Laterne in der Eingangshalle verliert sich im Dunkel des Treppenhauses und verschwindet über dem maroden Glasdach in der Schwärze des Londoner Nachthimmels. Fehlt nur der bucklige Butler, der sich mit einem Kerzenleuchter vor mir die Stufen hinaufschleppt - doch die einzige Person, die sich außer mir in diesem Spukschloss aufhält, ist meine Landlady Marita Clark, die gerade irgendwo in einem der ungefähr 50 Räume schläft.

Auf den Spuren der liebsten Bücher aus London

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Dabei sieht das nahe der Oxford Street gelegene Haus bei Tag vollkommen harmlos aus - weder verrät die schlichte Fassade seine Größe, noch lässt es die heruntergekommene Pracht in seinen Zimmerfluchten erahnen.

Das Anwesen aus dem 18. Jahrhundert diente früher als Botschaft von Sierra Leone, sein neuer Besitzer wandelt es jetzt nach und nach in ein exklusives Bed and Breakfast um. Um das zu finanzieren, werden die Salons der ersten zwei Stockwerke für Fotoshootings und Filmaufnahmen vermietet, auch Kate Moss soll bereits in Unterwäsche das grandiose Treppenhaus heruntergeschritten sein. Doch es ist gerade der morbide Reiz des bröckelnden Putzes und der knarrenden Dielen, der den Zauber von Portland Place 33 ausmacht - jedenfalls tagsüber und wenn man nicht so wie ich als Bettlektüre auf seinem Nachttisch "Dracula" von Bram Stoker und den Plan des Friedhofs von Highgate liegen hat. Denn ich möchte London auf den Spuren von vier meiner Lieblingsbücher bereisen. Zum Glück sind nicht alle Romane und Routen in meinem Gepäck so unheimlich. A. S. Byatts Literaturkrimi "Besessen" wird mich in die viktorianische London Library begleiten, Monica Alis "Brick Lane" ins multikulturelle East End. Meinen freundlichen Reisegefährten nach Notting Hill nehme ich gleich unter die Decke meines Himmelbettes, Michael Bonds Kinderklassiker "Paddington".

1. Kapitel: Paddington schafft das schon/Notting Hill

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",Was? Hier im Bahnhof soll ein Bär sein?' Mrs Brown musterte ihre Mann erstaunt. ,Unsinn, Henry. Hier gibt es doch keine Bären!' Mr Brown rückte seine Brille zurecht. ,Einen schon', behauptete er, ,ich habe ihn nämlich gerade gesehen. Er hat so einen komischen Hut auf.'" – Michael Bond: "Paddington, unser kleiner Bär", 1958

Es gibt keinen besseren Begleiter für den Londoner Touristen als den Bären aus dem dunkelsten Peru, der eines Tages von Familie Brown auf dem Bahnhof Paddington gefunden wird. Denn wie der Fremde muss auch der nach dem Bahnhof benannte Bär alles neu erkunden. Jedes Kapitel eröffnet einen neuen Aspekt des British Way of Life, egal, ob es sich um den Besuch eines Kaufhauses oder einer Theatermatinee handelt, bei denen Paddington von einer Katastrophe in die andere stolpert.

Paddington ist Britanniens sympathischster Botschafter - auch 50 Jahre nach seiner Erfindung. Natürlich gibt es auf dem Bahnhof Paddington ein Denkmal für ihn. Verschwunden sind zwar die herumeilenden Gepäckträger und der Rauch der Dampfloks, doch Paddington sitzt ungerührt auf seinem Koffer zwischen Sushi-Bars und Donut-Shops, die bronzene Nase von unzähligen Kinderhänden blankgestreichelt.

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Ein paar U-Bahn-Stopps entfernt liegt Notting Hill, wo Paddingtons Adoptivfamilie laut Michael Bonds Beschreibung unweit der Portobello Road lebt. Allerdings wohnen dort in den gepflegten Reihenhäusern, die wie im Buch eine weiße Eingangstreppe und eine grüne Holztür haben, heute keine Mittelschichtsfamilien mehr. Notting Hill ist ein teurer In-Stadtteil geworden - hier kann es passieren, dass beim Bioladen an der Ecke neben einem Claudia Schiffer ihre Kartoffeln auf die Waage wirft.

Auf der Westbourne Grove drängt sich ein exklusives Mode- und Innenausstattungsgeschäft am anderen, und im "Café 202" oder im "Tea Palace" können sich Models und Musikstars vor Tapeten mit Spitzendeckchenmuster bei einer Tasse Tee vom Einkaufsstress erholen.

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In der Mitte der Straße steht ein Blumenstand. Mädchen in Ugg Boots und mit blondierten Haaren binden aufwändige Sträuße für die Heime der ansässigen Prominenz - moderne Eliza Doolittles, die ganz bestimmt nicht auf einen Professor Higgins warten, der ihnen den richtigen Akzent eintrimmt. Ein paar Schritte weiter westlich, auf der Portobello Road, findet man dagegen noch Spuren von Paddingtons Revier: "Mr Gruber hatte einen Antiquitätenladen auf der Portobello Road... Paddington schaute gewöhnlich auf seinem morgendlichen Einkaufsweg... herein, und dann nahmen sie gemeinsam ihr Elf-Uhr-Häppchen zu sich, bestehend aus einem Windbeutel und einer Tasse Kakao." Nach wie vor gibt es auf der Portobello Road Obststände und Antiquitäten - vom raren Sammlerstück bis zum Ramsch. Hauptverkaufszeit ist der Samstag, die meisten der Geschäfte sind unter der Woche sogar geschlossen.

Der kommt schon lange nicht mehr vorbei.

Ich fliehe vor dem einsetzenden Regen in den Laden Last Place on Earth am Ende der Straße. Er ist zwar nicht voller Schwerter und Rüstungen wie das Geschäft von Mr Gruber, aber eine eindrucksvolle Ansammlung von staubigen Kronleuchtern und alten Möbeln. "Ein Bär namens Paddington?", sagt der Besitzer David mit einem Augenzwinkern. "Ja, der kommt manchmal hier vorbei, hab ihn aber schon eine Weile nicht mehr gesehen." Kein Wunder, David sieht aus, als würde er sich um elf Uhr morgens statt Kakao einen ordentlichen Gin einschenken.

Und so nehme ich mein zweites Frühstück etwas weiter unten auf der Portobello Road bei Gail's ein, einer hippen Bäckerei, die sich durch eine für England untypische Vielfalt an Brotsorten auszeichnet. Und Paddington zu Ehren bestelle ich einen mit Schokoladencreme gefüllten Windbeutel.

2. Kapitel: Besessen/London Library

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„Roland saß an seinem Lieblingsplatz ( . . . ) mit Sicht auf die Uhr über dem Kamin. Zu seiner Rechten fiel Sonnenlicht durch ein hohes Fenster, aus dem man die grünen Wipfel der Bäume am St. James Square sah.“ – Antonia S. Byatt: „Besessen“, 1990

Der Lesesaal der London Library ist an diesem Morgen vollkommen leer. Ich sitze genau an der Stelle, an der A. S. Byatts Bestseller "Besessen" beginnt - hier stößt der junge Literaturwissenschaftler Roland bei Recherchen zufällig zwischen alten Papieren auf den Entwurf eines Briefes, den ein viktorianischer Dichter an eine Dichterin aufsetzte, und kommt damit einer geheimen, über 120 Jahre alten Liebesgeschichte auf die Spur.

Die Zeit ist stehen geblieben.

Noch stehen alle Bücher und Periodika unangetastet in den viktorianischen Regalen, nicht einmal die Uhr über dem Kamin tickt; es scheint, als sei die Zeit stehen geblieben. Seit 1841 finden Bücherliebhaber hier den Frieden, der ihnen im riesigen Lesesaal der British Library verwehrt blieb. Voller "Schnarcher, Schneuzer, Keucher und Spucker" war dieser, laut Bibliotheksgründer Thomas Carlyle. Die von ihm gegründete private London Library wurde schnell ein Heim für viele englische Geistesgrößen. Charles Dickens hat hier schon recherchiert, Virginia Woolf war Mitglied, und der Dramatiker Tom Stoppard ist Präsident.

Die Bibliotheksangestellten üben Gelassenheit, wenn Autoren wie Salman Rushdie oder Kazuo Ishiguro an den lederbezogenen Tischen sitzen. "Es ist allerdings ein schönes Gefühl, zu sehen, dass hier die Bücher entstehen, die wir morgen dann in die Regale einordnen werden", sagt die Mitarbeiterin Lottie Cole. Und natürlich gehöre auch Antonia S. Byatt zu den Mitgliedern.

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Ihr Romananfang von "Besessen" ist eine Liebeserklärung an die London Library: "Sie war heruntergekommen, aber zivilisiert; in ihr lebte die Geschichte, aber man konnte genauso gut lebende Dichter und Denker antreffen (...) hier hatte sich George Eliot zwischen den Regalen bewegt. Roland sah ihre schwarzen seidenen Röcke (...) und hörte ihren festen Tritt zwischen den deutschen Dichtern auf dem Metall widerhallen."

Fünf Stockwerke mit durchgehenden Eisenregalen, deren Gitter schwindelerregende Durchblicke nach unten gewähren. Würde man die Büchermassen (etwa eine Million Bände) aus diesem Meisterwerk viktorianischer Konstrukteurskunst auf einmal herausräumen, käme die gesamte Statik des Gebäudes ins Wanken. Und wahrscheinlich die des halben St. James's Square dazu. Dann würden bei den Herren im benachbarten East India Club auf einmal die Kristallgläser auf dem Tablett zu scheppern anfangen und die Tauben von den Bäumen im Zentrum des Platzes erschrocken aufflattern und Richtung Trafalgar Square fliehen, um Schutz beim steinernen Nelson zu suchen.

3. Kapitel: Dracula/Highgate Cemetery

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"Die Gruft hatte schon bei Tag und im frischen Blumenschmuck düster und grausig genug ausgesehen. Aber jetzt (...) wo die Spinnen und Käfer ihr angestammtes Domizil wieder in Besitz genommen hatten, wo (...) das rostige, feuchte Eisen, das angelaufene Messing und Silber den kümmerlichen Kerzenschein reflektierten, sah alles jämmerlicher (...) aus, als man sich vorstellen kann." – Bram Stoker: „Dracula“, 1897

Will man das Tor zur Unterwelt passieren, kommt man an Zerberus nicht vorbei. Der Höllenhund von Highgate heißt Jean Pateman, Vorsitzende des Vereins "Friends of Highgate Cemetery". Ihr ist zu verdanken, dass dieses einzigartige Kunstwerk und Biotop nicht dem Londoner Immobilienwahn zum Opfer gefallen ist. Denn als die Firma, die über 100 Jahre den Friedhof führte, Mitte der 70er pleiteging, wurde einfach das Eingangstor des Westteils zugesperrt, und der exklusive Garten des Todes verwandelte sich in einen Urwald, in dem sich nur die Füchse und ein paar spinnerte Satanisten begegneten, die nachts in den Grüften schwarze Messen feierten.

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Dank der "Friends", die mit Spenden und Neuvermietungen von Grabstellen den Verfall in Schach halten, kann jetzt der Besucher im Rahmen einer Führung Zutritt zu dieser viktorianischen Walhalla bekommen - allerdings nicht, ohne von der über 80-jährigen Mrs Pateman streng ermahnt zu werden, "please, dear", alle der unzähligen Verhaltensregeln gründlich zu studieren, die am Tor angeschlagen sind.

Seit der durch Polonium vergiftete russische Ex-Geheimdienstler Alexander Litwinenko 2006 in einem strahlensicheren Sarg hier bestattet wurde, wittert Mrs Pateman in jedem Führungsteilnehmer einen Boulevardjournalisten, der Fotos vom Grab machen möchte (praktischerweise liegt es in Eingangsnähe am Hauptweg, unverkennbar durch ein Bild des Ermordeten darauf). Doch mit Litwinenkos Ruhestätte lässt man rasch die letzten Spuren der Gegenwart hinter sich. Efeu umklammert steinerne Engel, hat mit unnachgiebiger Kraft die granitenen Deckel von Grüften angehoben. Flechten wachsen auf eingemeißelten Namen, deren einst so bedeutende Träger längst vermodert sind. Wenn man einige davon entziffert, so erkennt man, dass die Totenstadt Highgate ein etwas blind gewordener Spiegel des viktorianischen Londons ist. Voller Zeugnisse von Liebe und von Trauer über die Zerbrechlichkeit menschlichen Daseins.

Alles dahin

So nützte dem jüdischen Zeitungsmagnaten Julius Beer aus Frankfurt sein ganzes Geld nichts, das er in das teuerste Mausoleum Londons investierte - weder kaufte es ihm die ersehnte Anerkennung seiner englischen Mitbürger, noch rettete es seine kleine Tochter Ada, die auf einem Relief im marmornen Innern des Prunkgebäudes vom Todesengel umfangen wird.

Geht man heute durch das von Schlingpflanzen bewachsene Tor der Ägyptischen Avenue mit seinen Lotussäulen, so ist es, als beträte man einen exotischen Dschungel, und um den noblen Circle of Lebanon, bei dem die begehrtesten Grabstätten um eine 300-jährigen Zeder angeordnet sind, wuchert das Unkraut. Vor über 100 Jahren war es "fashionable", hier zu promenieren und den Ausblick auf das fern im Tal liegende London mit der noch sichtbaren Kuppel der St. Paul's Cathedral zu genießen. Da störte es nicht weiter, wenn das Picknick manchmal durch Knallgeräusche aus den Katakomben gestört wurde - austretende Gase führten zu den Explosionen der viktorianischen Bleisärge.

An diesem morbiden Ort lässt Bram Stoker in "Dracula" das erste untote Opfer des Vampirs umgehen, die schöne Lucy Westenra. Von der nahe gelegenen Hampstead Heath schleppt sie Kinder in ihre Gruft, um sie auszusaugen. Nur das Eingreifen von Professor van Helsing, der ihr den Kopf abschlägt und einen Pflock durchs Herz treibt, setzt Lucys vampirischer Existenz ein Ende.

Gedichte im Sarg

Inspiration bekam Stoker gewiss durch diese Begebenheit, nur eine von unzähligen schaurigen wahren in Highgate: Der berühmte Maler und Dichter Dante Gabriel Rossetti hatte seiner durch eine Überdosis Laudanum jung verstorbenen Frau und Lieblingsmodell als Abschiedsgeste alle seine Gedichte mit in den Sarg gelegt. Als sieben Jahre später das Geld knapp wurde, ließ er sie bei Nacht von ein paar Bekannten exhumieren, um an die Manuskripte zu kommen. Wohl um die Nerven des Künstlers zu schonen, berichteten die Freunde später, Elizabeth habe im Sarg so schön ausgesehen wie je, ihr rotgoldenes Haar sei sogar noch gewachsen und habe im Fackelschein geglänzt.

Der Grabfrevel an der angeblich unverwesten Gattin brachte nicht den gewünschten Erfolg: Rossetti, der später glaubte, der Geist seiner Frau würde ihn verfolgen, starb 1882 am Suff. Begraben wurde er fern von Highgate.

4. Kapitel: Brick Lane

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"In den Geschäften kaufte Chanu Gemüse, Kürbis, Flaschenkürbis, Spinat, Okra, Auberginen... Er kaufte Gewürze, Reis, Linsen und manchmal Süßigkeiten: eine Schale mit milchigem Roshmolai, klebrige braune Glubjams, goldene Jelabee-Locken." – Monica Ali: "Brick Lane", 2003

Schon immer war das Londoner East End ein Einwandererviertel. Früher suchte sich hier Jack the Ripper seine Opfer in den düsteren Gassen, die von Iren und osteuropäischen Juden bewohnt wurden - heute ist die Gegend um die Brick Lane ein im Bollywood-Beat vibrierender Stadtteil, in dessen Auslagen farbenfrohe Saris und knallbunte Süßigkeiten liegen.

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Das Finanzzentrum der Stadt ist nah - über die Backsteinhäuser ragt die so genannte "Gurke", ein von Norman Foster gebauter Büroturm -, und im Innenhof der ehemaligen Old Truman Brewery drängeln sich junge, meist weiße Londoner, um in der Nachmittagssonne ein schnelles Pint zu heben oder durch die verschiedenen Ateliers oder Shops zu schlendern.

Erst die Männer mit weißen Käppchen, die aus der Moschee hervortreten, erinnern wieder daran, dass hier zwei Lebenswelten nebeneinander existieren: die der muslimischen Einwanderer und die der jetzt nachgezogenen Bohemiens. Frauen im Sari sieht man allerdings kaum, nur wenn man in den Seitenstraßen östlich der Brick Lane die Außengänge der Wohnungsblöcke aus 60er-Jahre-Beton beobachtet. Hier spielt sich für viele von ihnen ihr ganzes Leben ab - wenige Schritte sind es nur zu Coffee-Shops und Multikulti-Hipness, doch Lichtjahre davon entfernt.

Die Heldin von "Brick Lane"

So ergeht es auch Nazneen, der Heldin von Monica Alis preisgekröntem Roman "Brick Lane". Er beschreibt die langsame Emanzipation einer jungen Frau aus Bangladesch, die nach einer arrangierten Hochzeit ins East End kommt - nur um erst einmal nichts davon zu sehen. Selbst in Begleitung ihres 20 Jahre älteren Ehemanns Chanu sind Ausflüge in die Nachbarschaft äußerst selten, und was Nazneen eines Tages in einer Seitenstraße der Brick Lane erblickt, versetzt sie in Erstaunen: "Dreistöckige Häuser, alte Häuser, aber die Backsteine waren gereinigt, und das Holz war frisch gestrichen. (...) Im Inneren befanden sich funkelnde Küchen, schöne dunkle Wände, Regale voller Bücher, aber keine Menschen."

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Wo im 18. Jahrhundert Hugenotten an ihren Webstühlen schwitzten, wohnt jetzt das Künstlerduo Gilbert und George, in nächster Nachbarschaft vom Enfant terrible der englischen Kunstszene Tracey Emin. Nebst einigen Bankern, denn das Geld frisst sich unaufhaltbar in Londons einstiges Armenhaus. Doch bisher hält sich noch die fragile Balance aus Ripper-Romantik und Curry-House, jüdischem Bagel-Shop und Secondhand- Läden. Auch wenn viele Londoner unruhig die muslimischen Parallelwelten beobachten, die hinter den Backsteinmauern existieren.

Der Abend bricht herein, und die vielen Neonschilder der Brick Lane tauchen die Straße in pinkfarbenes, gelbes und blaues Licht. Vor den Lokalen mit so klangvollen Namen wie "Le Taj" oder "The Monsoon" schwenken die ersten Kellner im schwarzen Anzug ihre Speisekarten, aus den Türen wehen Gerüche von Gewürzen und Bratfett. Der Hunger treibt die ersten City- Anzugträger auf die Straße. Unlängst wurde "Chicken Tikka Masala" zum britischen Lieblingsessen gekürt. Ein Gericht als Zeichen für eine multikulturelle Aussöhnung? Wohl kaum, aber dennoch sehr schmackhaft.

Reise-Info London

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Portland Place 33: ein großes Stadthaus aus dem 18. Jahrhundert, gestaltet vom berühmten englischen Architekten Robert Adam. Mittlerweile ist das gesamte oberste Stockwerk mit komfortablen, frisch sanierten Räumen und einem eleganten Frühstücksraum ausgestattet, Gäste dürfen aber frei durch die malerisch verblichenen Salons streifen, solange dort nicht gerade ein Modeshooting stattfindet. Zimmer können nur über die Londoner Zimmervermittlung Uptown Reservations gebucht werden (Tel. 00 44/20/ 79 37 20 01, Fax 79 37 66 60, www.uptownres.co.uk, DZ ab 135 Euro).

Zur Vorbereitung: "Gebrauchsanweisung für London", humorvolle Hintergrundgeschichten (12,50 Euro, Piper). – Für unterwegs: National Geographic Explorer "London" mit Karten zum Ausklappen (8,50 Euro).

Auskunft: Visit Britain, Hackescher Markt 1, 10178 Berlin, Tel. 030/315 71 90, Fax 31 57 19 10, www.visitbritain.de

Die Bücher aus und über London im Überblick

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Michael Bond: "Paddington schafft das schon" Familie Brown findet einen Bären aus Südamerika auf dem Bahnhof Paddington und adoptiert ihn kurzerhand. 1958 erfand Michael Bond seinen Protagonisten und veröffentlichte über zehn Folgebände in Millionenauflage. Leider ist der ursprüngliche erste Band mit dem Titel "Paddington, unser kleiner Bär" auf Deutsch vergriffen. Einige der schönsten Geschichten finden sich jedoch in dem Sammelband "Paddington schafft das schon", ansonsten einfach auf Englisch lesen. (Ü: Monika Osberghaus, 158 S., 7,50 Euro, dtv)

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Antonia S. Byatt: "Besessen" Der junge Literaturwissenschaftler Roland Michell stößt bei seinen Forschungen zufällig auf eine geheime Liaison zwischen einem Dichter und einer Dichterin der viktorianischen Zeit. Gemeinsam mit einer Kollegin entschlüsselt er anhand von versteckten Briefen diese tragische Liebesgeschichte, doch die Tragweite ihrer Entdeckungen droht die beiden Literaturdetektive in der Gegenwart bald zu überrollen. (Ü: Melanie Walz, 640 S., 11 Euro, Suhrkamp Taschenbuch)

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Bram Stoker: "Dracula" Das unerreichte Original - übrigens ein Briefroman, verfasst aus der Sicht der verschiedenen Protagonisten, die die Untaten des Untoten in Transsilvanien und London zu spüren bekommen. (Ü: Bruno Leder, 544 S., 12,50 Euro, Insel Taschenbuch)

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Monica Ali: "Brick Lane" Die junge Nazneen kommt durch eine arrangierte Heirat aus Bangladesch ins Londoner East End. Zuerst beschränkt sich ihr Leben nur auf die Wohnung und ihre Familie, doch dann beschließt Nazneen, aus ihrer Umgebung auszubrechen und ihr Leben in ihre eigene Hand zu nehmen. (Ü: Anette Grube, 543 S., 9,95 Euro, Knaur)

Text: Meike Schnitzler Fotos: Ulrike Leyens

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