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Rügen: Wandern mit Hund

Rügen: Wandern mit Hund
© Anna Mutter
Wandern auf Rügen bedeutet pure, schöne Natur. Schilf, Wildrosen, tosendes Meer. Noch schöner, wenn man sich mit Hund zu einer Rudelwanderung aufmacht.

Sam würde wahrscheinlich sagen, dass einer seiner besten Momente auf Rügen der mit der Jagdwurst war. Als nämlich die Wirtin im Gasthof "Zur Linde" für "den lieben Lassie-Hund" nach dem Frühstück noch einmal die Haube über der Wurstplatte hob und ihm ein ordentliches Stück Wurst in den Schlund warf. Der liebe Hund hat nicht überlegt, ob er darf. Er hat auf der Stelle Beute gemacht. Dann hat er sich, in der Hoffnung auf mehr, mit dem Collie-Hintern auf den Boden vorm Buffet gesetzt wie ein Gorleben-Demonstrant auf die Gleise und mit Stemmpfote verhindert, dass ich ihn Richtung Ausgang bewege.

In unserem Hamburger Alltag hätte dies grundsätzliche Erziehungsfragen aufgeworfen. Aber jetzt ist die Stadt weit weg, ein neuer Morgen, frischer Wind, wir sind draußen an der Ostsee. Feiner Nebel liegt über dem Parkplatz unseres Gasthofs, von dem aus wir zur ersten Wanderung starten, und alle Teilnehmer - 15 Frauen, ein Paar, 16 Hunde - sind ein bisschen aufgeregt: Rudelfindung. Bei Mensch und Hund - die Ziele liegen nicht weit auseinander, die Methoden schon.

Die Ziele: sich kennen lernen, aus 17 Leuten eine Gruppe machen, die miteinander Spaß haben. Die Methoden: Beim Hund erst mal drauflos und im Zweifel am Hintern schnüffeln. Beim Menschen das Hunde-ABC durchdeklinieren, weil nichts so verbindet wie die Gespräche über den eigenen Hund: Alter, Betragen, Charakter. Für alle gilt: Die Erfahrenen - Hunde wie Wanderer - führen die Gruppe an, der Rest sucht sich dahinter seinen Platz.

Wir sind in der südöstlichsten Ecke Rügens, auf der 28 Quadratkilometer großen Halbinsel Mönchgut, die so heißt, weil Bauern, Mönche und Fischer hier über Jahrhunderte ein abgeschottetes Leben führten. Heute ist das Mönchgut wie die Idee vom alten Rügen, viel Reet, niedrige Häuser und an den Küsten der Blick auf den Bodden, auf dessen flachem Wasser die Schwäne schaukeln.

Die meisten Teilnehmerinnen sind zwischen 30 und 50, die älteste Ende 60. Unsere Hunde: von laut bis schüchtern, vom handtaschengroßen Terrier bis zu Carlsson, dem 48 Kilo schweren Berner Sennenhund. Sam mag ihn sofort, wenn die beiden toben, bebt die Erde. Ein bisschen eint uns alle die Idee, dass diese Wanderung unsere Hunde ihrem Ursprung näherbringt, ihren wölfischen Wurzeln: unterwegs im Verbund, eingepasst in die Rudel-Hierarchie. Für manchen kann das lehrreich sein, Hundewandern ist auch Hunde-Selbsterfahrung.

Rügens berühmte Kreidefelsen im Nationalpark Jasmund (l.).
Rügens berühmte Kreidefelsen im Nationalpark Jasmund (l.).
© Anna Mutter

Für uns Menschen ist Hundewandern die ideale Reiseform. Sie löst das Problem "Wohin mit dem Hund im Urlaub?", und da ich mindestens genauso gern durch die Natur laufe wie Sam und außerdem Rügens bodenständigen Charme liebe, sind wir die idealen Reisepartner. Nina, unser Guide, Mitte 30, IT-Beraterin und trekkingerfahren, ist die Routen vorher abgegangen. Sie weiß, wo man die Hunde ableinen darf, denn natürlich sollen sie frei laufen dürfen, Urlaub mit Hund heißt auch, sich nicht dauernd Gedanken über Freilaufzonen machen zu müssen. Nina ist perfekt vorbereitet, sie warnt uns sogar, wenn Baumwurzeln auf den Wanderwegen liegen, über die wir stolpern könnten. Wir müssen nichts tun, nichts planen, nur loslaufen.

Damit die Hunde Platz zum Kennenlernen haben, starten wir am Strand hinter dem kleinen Fischerdorf Lobbe, er ist breit genug, dass sich die Hunde nicht ins Gehege kommen. Wenn sie nicht wollen. Wollen sie aber. Das Rudel sortiert sich sofort in die, die auf- und mitmischen, und die, die zuschauen und bellen. Dann sind da noch die, die am liebsten einfach bei ihrem Menschen bleiben. Sam gehört zu den vorsichtigen Mitmischern, und es treibt ihn stets schnell zu mir zurück.

Zu seinem persönlichen Rudel gehört außer mir Fotografin Anna Mutter, die er ins Herz geschlossen hat, seit sie in Hamburg zu uns ins Auto gestiegen ist. Außerdem wird Anna noch sehr vom kleinen Terrier Bazil gemocht, allerdings eher in einem chauvinistischen Sinne: Bazil hebt, wann immer Anna sich fürs Foto hinhockt, an ihrer Hose das Bein.

Die Hunde kommen klar, die Menschen entspannen. Plaudernd wandern wir dahin, das geht leicht unter Hundeleuten; man kann sich blendend unterhalten, und hinterher merkt man, dass man nicht mal den Namen des anderen weiß. Nina kennt das, deshalb hat sie Namensschilder verteilt, die alle an ihre Regenjacken geklemmt haben: Angeblich sind die Zickscher Berge, die wir durchwandern, eines der niederschlagärmsten Gebiete der Insel, dieser Tag ist eine offensichtliche Ausnahme. Niemand meckert, Wind und Wetter sind Teil des Insel-Gefühls und des Hundehalter-Alltags. Die erste Rast findet in einem Mischwäldchen statt, im Stehen, weil es zu nass ist, um sich hinzuhocken.

Wald, Buchten, Küste wechseln beständig. Auf breiten Wegen gehen wir über Trockenrasen, auf dem im Sommer wilder Thymian und Strohblumen wachsen. Das Besondere dieser Landschaft ist der magere Boden, Diätfutter für Kühe, die es hier nicht gibt, weil ihre Milch zu fettarm wäre. Dafür gibt es Schafe, die einer unserer Hunde mit Border-Collie-Blut für eine schnelle Hüte-Einlage nutzt: Mit eingezogenem Kopf unter dem Zaun hindurch, quer über die Weide, und schon gerät die Herde in Bewegung. Unerhört, natürlich, aber der Hund kommt artig auf Abruf zurück.

Hundewandern schweißt Mensch und Hund zusammen.
Hundewandern schweißt Mensch und Hund zusammen.
© Anna Mutter

Das Dorf Groß Zicker sieht aus wie eine Rügen-Kulisse aus dem 18. Jahrhundert - Kopfsteinpflaster, wunderschöne Bauernkaten mit Erkern, um die sich das Reet wie weiche Wellen legt. Eines der ältesten Häuser der Insel ist das Pfarrwitwenhaus von 1720 mit einem Rohrdach in Zuckerhut-Form. Wir kehren in einen Gasthof ein, es braucht ein bisschen, bis wir den Wirt überzeugt haben, uns mit 16 Hunden hereinzulassen. Wir bestellen Apfelkuchen und Soljanka mit Sahne, die Hunde dösen unter den Tischen, der Wirt steigt tapfer über die vielen Ruten. Rudelwandern schweißt zusammen, und es macht friedlich und zufrieden. Abends, in unserem Appartement im Gasthof "Zur Linde" in Middelhagen, legt sich Sam auf seine Decke, glücklich, sandig, die Schnauze auf seine rechte Pfote gebettet. Er leckt kurz meine Hand und fällt dann mit einem Grunzen in den Tiefschlaf.

Am nächsten Tag scheint die Sonne, und wir fahren in den Nordosten, auf die Halbinsel Jasmund. Unser Ziel sind der Königsstuhl und die Kreidefelsen der Viktoria-Sicht. Der Wanderweg Richtung Küste führt durch Buchenwälder, der Boden ist tückisch, ein paar Schritte vom Weg, und ich stecke bis zu den Waden in schwarzem, unter Laub verborgenem Morast. Sofort kriege ich Moor-Panik, hektisch versuche ich herauszukommen und stapfe stattdessen tiefer hinein. Dann plötzlich finde ich wieder festen Boden.

Sam will zu mir, zum Glück hält ihn eine Teilnehmerin fest, der Morast würde im Collie-Fell eine eigene Biomasse bilden. "Verwunschen" hatte Nina am Abend vorher den Wald genannt, jetzt weiß ich, was sie meint. Nach zwei Stunden kommen wir an den Hochuferweg, der an der Kreideküste entlangführt. Wir fädeln uns ein in das stete Auf und Ab der Strecke, gehen über Holzstege und Bäche, das Meer zur Rechten und an den steilen Stellen die Hunde fest im Blick. Eine schmaler werdende Holztreppe führt hinunter ans Wasser, hundert Stufen, wahrscheinlich mehr, Sam prescht voller Elan voran, was mit seinem neu erworbenen Status im Rudel zu tun haben könnte.

Von unten sieht die Kreideküste aus wie auf losem Sand gebaut, die Bäume stehen nah an der Abbruchkante, einige sind herabgerutscht und liegen mit den Wurzeln voran im Wasser. Immer wieder sind in den vergangenen Jahren zehntausende Kubikmeter Kreide vom Ufer abgegangen, und so schön der Strand mit seinen Steinen und Bächen ist - ein bisschen unheimlich ist er auch. Wir suchen in den Kieseln nach den typischen Rügener Feuersteinen, schwarz mit weißer Kruste, ich schaue speziell nach denen mit einem Loch, den "Hühnergöttern", denn die, so heißt es, bringen Glück. Wieder oben, spekulieren wir, welcher Baum wohl als Nächstes abstürzt, und nein, für ein Foto möchte sich, Hühnergott hin oder her, niemand an einen Stamm lehnen.

Hundewandern heißt auch: sich einfach in Ruhe zu lassen. Wir unsere Hunde, die Hunde uns. Wir gehen dahin, plaudernd oder gedankenverloren, auf jeden Fall: sorglos. Je länger wir wandern, je stiller wird es. Nur manchmal bricht noch ein Hundeknäuel aus und jagt sich ins Gelände. Der Königsstuhl ist der berühmteste Felsvorsprung der Insel, er schwebt 118 Meter über der Ostsee, schneeweiß und majestätisch. Aber mehr als die Aussicht interessiert uns alle jetzt der Stand mit Waffeln, den wir auf direktem Weg ansteuern.

Es ist ein komischer Moment, keiner sagt was, alle kauen, aber man spürt, wir teilen ihn, Menschen und Hunde, müde und zusammengehörig, ein großes, funktionierendes Rudel, das rastet. Rügen, das merke ich, wächst mir noch ein Stück mehr ans Herz, weil es mir so herrlich wenig aufzwingt, einfach nur mit dem wuchert, was es ist: pure, schöne Natur. Sam blickt auf meine Waffel, aus der Apfelmus tropft, überlegt kurz, ob er Beute machen soll, und rollt sich dann zufrieden zu meinen Füßen zusammen.

Infos: Urlaub mit Hund

Im Rudel unterwegs Wanderungen mit Hund in ganz Deutschland wie die beschriebene sowie Kanutouren mit Hund bietet die Spezial-Veranstalterin Rabea Ali an. Sie organisiert Tagestouren (35 Euro p. P.) und Kurzurlaube (ab 129 Euro) mit Hund, außerdem mehrtägige Reisen (z. B. drei Übernachtungen und vier Wandertage im Harz, 27.-30.9.2013, ab 420 Euro). Wanderungen auf Rügen wieder ab 2014 (Tel. 057 54/ 927 82 61, www.hundewandern.de).

Übernachten auf Rügen "Zur Linde". Das Hotel mit Privatbrauerei und Gasthof liegt auf der Halbinsel Mönchgut in Middelhagen. Freundlich und zweckmäßig gestaltete Zimmer. DZ/F ab 85 Euro, pro Hund 6 Euro Aufschlag (Dorfstraße 20, Tel. 03 83 08/55 40, www.zur-linde-ruegen.de).

Vier Tage mit Vierbeiner Das Gepäck wird transportiert, aber die Kamera sollte man bei sich haben, allein schon wegen der Panoramaaussicht vom höchsten Gipfel der Rhön, der 950 Meter hohen Wasserkuppe. Sie liegt auf der 86 Kilometer langen Strecke, die Wanderer auf der Hochrhönrunde an vier Tagen zurücklegen. Die Unterkünfte sind auf Hunde eingestellt. Fünf Übernachtungen/Frühstück für zwei Personen und einen Hund ab 590 Euro (inkl. Gepäcktransfer und Wanderkarte). Start und Ziel: Grabenhöfchen, östlich von Fulda. Anmeldung bei Rhön Tourismus, Tel. 066 54/91 83 40, www.rhoen.de.

Mit Körbchen willkommen Darf der Hund mit ins Hotel? Ja, lautet die Antwort in europaweit mehr als 1600 Hotels aus dem Angebot von Neckermann Reisen. In der Regel ist ein Zuschlag von 5 bis 15 Euro pro Tag fällig, etwa jedes zehnte Hotel verlangt keinen. Der neue Neckermann-Katalog kennzeichnet spezielle Angebote, z. B. auf Rügen, Usedom und in St. Peter-Ording. Infos im Reisebüro.

Weitere Tipps für Urlaub mit Hund Auf Reisen mit Hund spezialisiert sind die Reisevermittler "wuff & weg" (www.wuffundweg.de) und "Flughund" (www.flughund.de). - Hundewanderungen bieten der Naturreiseveranstalter Natours (www.hunde-wandern.biz), die Alpinschule Innsbruck (www.asi.at) und das Zentrum für Kynologie Canis (www.canis-kynos.de). - Hundefreundliche Hotels auf Wanderrouten in Österreich, Italien, Deutschland und der Schweiz findet man unter www.wanderhotels.com. - 40 Touren in ganz Österreich beschreibt das Buch "Bergwandern mit Hund" von Michael Hlatky und Christine Hlatky (176 S., 22 Euro, Verlag Anton Pustet). - Eine Liste und Übersichtskarte von Hundestränden an Nord- und Ostsee gibt es unter www.hundestraende.de.

Text: Meike Dinklage Fotos: Anna Mutter BRIGITTE WOMAN 09/2013

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