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Die perfekte Brille finden

Wo finde ich die schönste Brille und die beste Beratung: in der großen Filiale einer Kette, beim familiengeführten Traditionsbetrieb oder im angesagten Trendladen?

Brillen finden - gar nicht so einfach

Ich suche eine neue Brille. Das ist nicht leicht für mich. Denn ich trage nicht gern Brille, sondern halte die Kontaktlinse für eine der größten Erfindungen der Menschheit, ungefähr gleich nach der Erfindung des Rads. Andere Frauen sehen super mit Brille aus, die Brille unterstreicht ihre Persönlichkeit, die wirken damit sexy, geheimnisvoll, schlau. Ich dagegen sehe mit meinem acht Jahre alten Modell, das ich manchmal widerwillig zur Entlastung der Augen trage, lediglich kurzsichtig aus. Das soll sich ändern: Ich möchte mal eine richtig schöne Brille finden, die ich tatsächlich aufsetzen mag - und fang an zu suchen.

Inhabergeführtes Traditions-Optikergeschäft in der Nachbarschaft

Seit über 60 Jahren ist dieser Optiker ein Familienbetrieb, so das Schild an der Außenfassade. Und ich fühle mich auch durchaus familiär aufgenommen, denn die Inhaberin des Ladens - sie führt das Geschäft gemeinsam mit ihrem Mann - empfängt mich so herzlich mit einem "Kommen Se mal rein, legen Sie ab, das ist ja ein Wetter draußen", dass ich allein schon deswegen hoffe, hier meine Traumbrille zu finden. Ich erkläre der netten Optikerin, was ich ungefähr suche: schlichtes, klassisches Modell, gern schwarz, nicht so dominant im Gesicht. Sie reicht mir: eine Brille mit poppig-buntem Blumenmuster auf extrem breiten Bügeln, Modell Ilona Christen zu Talkshowzeiten - "Die sind gerade ganz aktuell im Trend und werden gern genommen". Oh nein. Dabei hatte es doch so gut angefangen mit uns. "Äh, ich hätte lieber was Dezenteres, bitte."

Ich bekomme weitere Trendmodelle gereicht - groß, klein, braun, weiß, bunt, breite Bügel, schmale Bügel, drehbare Bügel. Leider finde ich eine schlimmer als die andere. Circa zwanzig für mich indiskutable Modelle später dann ein Glücksgriff - schick, sieht gut aus, und auch die Optikerin sagt jetzt zum ersten Mal: "Die mag ich gut an Ihnen leiden."

Ich schaue auf Marke und Preisschild: ein Auslaufmodell von Gucci, reduziert von über 250 Euro auf 98 Euro. Ein tolles Schnäppchen, das ich hier, ehrlich gesagt, wirklich nicht vermutet hätte.

"Wenn Sie an Sonderangeboten interessiert sind: Wir haben gerade ganz viele Brillen reduziert", sagt die Optikerin. Aber ich bin schon ganz glücklich mit dieser.

Kosten: 98 Euro für die Fassung plus 75 Euro für einfach entspiegelte Glasgläser.

Innenstadt-Filiale einer großen bundesweiten Kette

Es ist definitiv ein Fehler, hier an einem Samstagnachmittag herzukommen. Der Laden wimmelt von Menschen, jede anwesende Fachkraft ist vollauf beschäftigt. Ich irre allein hilflos zwischen einer erschlagenden Brillenauswahl auf mehreren Etagen umher, in der Hand diese Art Setzkasten, in die man infrage kommende Modelle erst mal einsortieren kann. Ich brauche eine Dreiviertelstunde, um drei Brillen reinzulegen. Während ich eine vierte anprobiere und dafür kurz in den Spiegel gucke, klaut eine andere Kundin meine Vorauswahl und zieht mit meinen Brillen von dannen, was mir endgültig die Lust verdirbt. An Beratung ist heute ohnehin kaum noch zu denken, gibt mir eine Verkäuferin gut gemeint zu verstehen: "Es sind noch zehn Kunden vor Ihnen dran. Wenn Sie irgendwie Zeit haben, kommen Sie doch lieber an einem Wochentag wieder."

Zweiter Versuch an einem Mittwochvormittag. Kaum habe ich den Laden betreten, habe ich einen sehr zuvorkommenden Optiker neben mir, der mir mit Engelsgeduld hilft, die riesige Auswahl zu durchforsten, bis wir sie nach einer Stunde auf sechs Brillen eingegrenzt haben. Zu jeder Brille sagt er mir ehrlich seinen Eindruck: "Ich finde die jetzt etwas zu breit für Ihr Gesicht, sie liegt auch auf der Nase nicht ideal auf, aber probieren Sie doch mal dieses Modell" - und bringt mir dann tatsächlich eine, die der anderen haargenau gleicht, abgesehen davon, dass sie etwas schmaler ist und auf der Nase besser aufliegt. Gelobt sei die erschlagende Auswahl! Nach einer weiteren halben Stunde habe ich zwei Brillen in der Hand, die mir beide richtig gut gefallen, und eine davon kostet noch nicht mal was, ich müsste nur die Gläser bezahlen. Ich tendiere trotzdem zu der teureren Ray Ban.

Kosten: 105 Euro für die Fassung und ca. 90 Euro für komplett entspiegelte, schmal geschliffene Gläser, die einfachsten Gläser kosten ca. 35 Euro.

Schicker Trendoptiker im Großstadt-Gutverdiener-Viertel

Optimale Beratungsquote: Als ich den Laden betrete, ist außer mir nur noch ein weiterer Kunde da, ein junger Mann, der allerdings bereits ausgiebigst von seiner Freundin beraten wird. Ich habe daher die ungeteilte Aufmerksamkeit einer jungen Verkäuferin, die selbst eine vertrauenerweckend schicke Brille trägt: Die jungen Inhaber des Ladens stellen nämlich auch eine eigene Brillenkollektion her, die hier zwischen lauter anderen angesagten Marken verkauft wird. Mir steht das gleiche Modell leider weniger gut als der Dame, bin offenbar zu uncool. Schade.

Die Verkäuferin reicht mir in schneller Folge Brillen - keine davon kostet unter 200 Euro - und trifft (abgesehen vom Preis) meinen Geschmack ziemlich gut: schlichte schwarze Modelle, die weder nach "bin in den Medien" noch "bin Gouvernante" aussehen. Mit jeder davon würde ich mich aus dem Haus trauen, aber so richtig vom Hocker haut mich auch keine. Auf meine zaghafte Frage "Soll ich vielleicht doch mal was ganz anderes ausprobieren?" bekomme ich ein leidenschaftsloses "Das müssen Sie wissen" zu hören. Als ich nach einer Viertelstunde immer noch unschlüssig bin, verliert sie sichtlich die Lust und wendet sich dankbar einem anderen Kunden zu, der reingekommen ist.

Nachdem ich einmal fast den kompletten Laden (der so groß nicht ist) durchprobiert habe, finde ich dann doch eine Brille, die zumindest recht nah an meinen Vorstellungen ist. Mittlerweile hat mich auch einer der Inhaber entdeckt und fragt freundlich, ob ich noch Hilfe brauche. Ich fasse mir ein Herz: "Ähm ja, diese Brille hier kostet 185 Euro. Gibt es so eine ähnliche etwas günstiger?" (Und denke: Natürlich nicht, schließlich habe ich ja alles durchprobiert.)

Doch zu meiner großen Verblüffung holt der Mann aus einer versteckten und getarnten Geheimschublade hinterm Tresen noch zwei Modelle, die der 185-Euro- Brille nicht nur ähneln, sondern die mir sogar noch ein wenig besser gefallen - und rund 100 Euro weniger kosten. Noch mehr freut mich, dass mir der nette Inhaber auch die günstigere von den beiden empfiehlt: "Eine etwas kleinere Fassung steht Ihnen besser, wie den meisten Kurzsichtigen. Große Fassungen lassen die Augen kleiner wirken."

Gute Brille, guter Berater. Warum waren die beiden nicht gleich da?

Kosten: 80 Euro Fassung, 80 Euro für entspiegelte Gläser.

Gesamtfazit des nicht repräsentativen Selbstversuchs

Eine gute Brille habe ich letztendlich überall gefunden. Die Kostenunterschiede waren für meine Wahl vernachlässigbar - auch wenn man natürlich im Trendladen sehr viel Geld ausgeben kann, wenn man das will, und in der Filiale der Kette sehr günstig wegkommen kann, wenn man das muss. Die Güte der Beratung hängt letztendlich immer an der Person, die man gerade erwischt - wie das Geschäft von außen wirkt, spielt offenbar überhaupt keine Rolle. Und: Ich sollte öfter Brille tragen. Irgendwie steht die mir.

Text: Sonja Niemann Foto: iStockphoto

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