Bis dass der Tod uns scheidet ... dieses Versprechen gilt heute längst nicht mehr in jeder Ehe. Denn trauriger Fakt ist, dass jede dritte in die Brüche geht. Was oft zurückbleibt, ist ein großer Scherbenhaufen voller Fragen, Angst und Sorgen. Wie vermeidet man einen Rosenkrieg? Welche Scheidungskosten kommen auf mich zu? Schaffen wir es, uns im Trennungsjahr wieder näher zu kommen? Und was sage ich den Kindern? Das sind nur ein paar Fragen, die einem schlaflose Nächte bereiten - ganz egal, ob der Scheidungsantrag schon gestellt ist, es sogar schon einen Scheidungstermin gibt oder ob man noch um die Beziehung kämpft. Jörg Ter Veer ist Autor von „How To Survive Scheidung“. Für uns hat er die zehn wichtigsten Tipps für die Zeit vor, während und nach der Scheidung zusammengefasst.
1. Vorher Ehevertrag abschließen!
Ein Ehevertrag in guten Zeiten ist kein Misstrauensvotum, sondern eine Liebeserklärung. „Du bist mir so wichtig, dass ich im Falle eines Scheiterns nicht mit dir streiten möchte.“ Beim Ehevertrag geht es nämlich nicht nur darum Geld, sondern vor allem auch Zeit und Nerven zu sparen! Tipp: Warum lasst ihr euch den Ehevertrag nicht von den Eltern oder Schwiegereltern zur Hochzeit schenken - inklusive Candlelight-Dinner nach dem Notartermin selbstverständlich, damit die Romantik nicht zu kurz kommt? Wenn ihr Verträge für Haftpflicht, Rechtsschutz und Krankenversicherung abschließt, warum dann nicht für die Menschen, die euch am meisten bedeuten? Und: Eheverträge können natürlich auch noch während der Ehe abgeschlossen werden.
2. Ist eure Beziehung noch zu retten?
80 Prozent der Geschiedenen sagten in einer Studie, anfangs eine große Liebe füreinander empfunden zu haben. Diese Paare hatten beste Chancen auf eine glückliche Ehe und hätten diese vielleicht sogar retten können, wenn sie es rechtzeitig versucht hätten. Lohnt sich dieser Versuch bei euch? Wenn ihr versteht, was Liebe eigentlich ist und wie man sie bewahrt, könnt ihr die Trennung unter Umständen noch verhindern. Dazu müssen jedoch beide Partner bereit sein und alle Themen offen angesprochen werden, egal ob Finanzen, Sex, Familienplanung oder Sonstiges. Manche Paare schaffen es auch, sich während der Trennungszeit einander wieder anzunähern.
3. Zeitnahes Trennungsgespräch
Wer den endgültigen Entschluss zur Trennung gefasst hat, sollte dies zuerst und vor allem zeitnah seinem Partner in einem friedlichen, freundlichen, offenen Gespräch mitteilen. Zeitpunkt und Inhalt dieses Gespräches können den Grundstein dafür legen, dass der andere sich nicht düpiert, betrogen oder ignoriert fühlt und die Scheidung friedlich verläuft. Wichtig: Kinder sollten immer erst eingeweiht werden, wenn die Details weitestgehend zuverlässig geregelt sind. Sie können Ungewissheiten kaum ertragen und ihnen fehlt gerade in jüngerem Alter das Gefühl für Zeitachsen, sodass unklare Situationen für sie zur Tortur werden.
4. Das Wohl der Kinder steht über allem!
Vorher, mittendrin und nachher! Ehepartner mit Nachwuchs müssen zwischen Paarebene und Elternebene unterscheiden können. Abfällige Bemerkungen vor den Kindern über den Partner sowie Heimzahlungen über den Nachwuchs (zum Beispiel Besuchszeiten oder Unterhalt kürzen) sind – Entschuldigung! - hirnrissig und müssen tabu sein, auch wenn es manchmal schwer fällt. Ihr seid lebenslang Eltern, auch wenn ihr kein Paar mehr seid. Das ist für eure Kinder gerade nach einer Trennung noch wichtiger. Heult euch lieber bei Bekannten aus, statt eure Kinder damit zu quälen.
5. Kommunikation aufrechterhalten
Auch wenn die Trennung ausgesprochen ist, hilft es, miteinander sprechen, sich zuhören und eigene Fehler einzugestehen. Manchmal können sogar Knoten platzen, wenn man sich auch mal die Enttäuschungen und Gefühle des anderen anhört. Denn wer ständig gegen eine ignorante Wand läuft, wird das später vielleicht in anderer Währung während oder nach der Scheidung heimzahlen. Und andererseits: Wenn ihr eigene Fehler offen eingesteht, habt ihr nicht nur verstanden, dass niemand perfekt ist, sondern nehmt eventuellen Vorwürfen eures Partners schon vorher den Wind aus den Segeln. Das säubert euer Beziehungsresteklima ungemein.
6. Nicht auf eigene Faust zum Anwalt rennen
Zumindest, wenn ihr eine möglichst friedliche Scheidung wollt. Der schreibt nämlich unter Umständen sein eigenes Drehbuch und das deckt sich selten mit dem des anderen Partners, sondern oft nur mit der späteren Rechnung. Außerdem kann sich der andere durch euren einseitigen Anwaltsbesuch überrumpelt oder hintergangen fühlen, auch wenn ihr euch nur mal informieren wolltet. Die beste Lösung folgt in Punkt 7.
7. Eine Scheidungsfolgenvereinbarung aushandeln
Dafür könnt ihr mit einer gemeinsamen Liste (oder zwei eigenen Listen) zusammen eine Mediation aufsuchen und in dieser am besten alle Punkte vor dem Gerichtstermin klären. Dort wird vermutlich auch kontrovers diskutiert, aber es wird unter Anleitung meistens ein Kompromiss gefunden, für den sich jeder Euro lohnt. Vor allem wenn man bedenkt, wie viel zwei streitende Anwälte und erst recht ein Beschwerdeverfahren vor Gericht kosten würden. Tipp: Sucht euch am besten eine (gute) Anwaltskanzlei, die unter dem gleichen Dach auch eine (fähige) Mediation anbietet. Dann weiß die Rechte später genau, was die Linke getan hat. Wer so eine Kanzlei nicht findet, fragt lieber die Mediatorin nach einem guten Anwalt als umgekehrt, denn Mediatoren achten von Berufs wegen eher auf Kompromissbereitschaft.
8. Ordnung halten
Alle Dokumente zu Konten, Versicherungen, Miet- und Kaufverträgen beisammenhalten! Wer im Ausnahmezustand noch stundenlang Policen oder Verträge für den Anwalt oder den Ex-Partner suchen muss, dreht entweder durch oder schläft am nächsten Tag spätestens auf dem Elternabend (oder beim ersten Blind Date?) ein.
9. Geduld haben, großzügig sein, sich Zeit nehmen
Eine Trennung ist so ziemlich das emotionalste Lebensthema, dem ein Mensch begegnen kann - Liebe und Trauer, Wut und Angst, Mut und Hoffnung treffen innerhalb kürzester Zeit aufeinander. Nach einer Trennung befinden sich meist alle Beteiligten in einer anderen seelischen Klimazone und es dauert etwas, bis sich jeder dort zurechtfindet. Darum sollte man mit sich selbst und auch den anderen Beteiligten großzügig sein und natürlich nicht alles auf die Goldwaage legen. Bei wichtigen Fragen oder Entscheidungen ist es außerdem ratsam, noch einmal drüber zu schlafen und/oder kompetente Dritte zu befragen. Wer aus der ersten Emotion heraus reagiert oder nur schnell einen Haken an ein wichtiges Thema machen möchte, bereut das später vielleicht.
10. Die Trennung ist eine Station im Leben
"Geschieden" - damit beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Wer sehr unter der Trennung leidet, sollte sich klar machen, dass Trennungen kein Untergang sind, sondern eine Station im Leben – oft sogar eine notwendige Station. Die Zeit heilt tatsächlich Wunden und wer den Neuanfang als solchen nutzt, geht nach einiger Zeit sogar gestärkt und aufmerksamer daraus hervor. Es kann auch hilfreich sein, die eigene Vergangenheit oder wiederkehrende Beziehungsmuster zu hinterfragen und zu bearbeiten. Daraus sollte man allerdings keinen Zehn-Jahresplan für sich selbst oder den eigenen Freundeskreis machen.
Wichtig - bei Härtefällen – also im Falle von seelischer und körperlicher Gewalt, Unterdrückung oder Betrug - gelten die meisten Regeln nicht! Hier ist immer professionelle Beratung und ein schneller Schlussstrich sowie anschließende Seelenhygiene für alle Leidtragenden notwendig.
Im Buch "How To Survive Scheidung" von Jörg Ter Veer bekommt ihr noch mehr praktische Tipps zum Thema.
Was ihr im Umgang mit euren Kindern bei einer Scheidung beachten solltet
Eine Trennung ist wie ein seelisches Erdbeben - gut, wenn der Rest der Welt jetzt stabil bleibt. Wenn möglich, bleibt in eurer Wohnung, wechselt Schule und Kindergarten nicht. Ausnahme: wenn die Umgebung mit traumatischen Erlebnissen wie häuslicher Gewalt belastet ist. Kinderfrau, Oma und Opa, auch die Ex-Schwiegereltern können jetzt zum sicheren Fels in der Brandung werden. Wichtig: Fasst euer Kind nicht mit Samthandschuhen an. Kinder brauchen Strukturen, auf die sie sich verlassen können - auch in der Trennungsphase. Dazu gehört zum Beispiel, dass sie ihre Hausaufgaben machen und ihr Zimmer aufräumen müssen.
Ihr könnt euch kaum den Eintritt zum Zoo leisten, aber der einstige Ehegatte geht am Wochenende mit eurem Kind in den sündhaft teuren Freizeitpark? Bleibt gelassen - euer Kind wird trotzdem gern wieder zu euch zurückkommen. Weil ihr die Mama sind. Und weil Eis essen mit Mama toller sein kann als alles andere. Versucht gar nicht erst, in ein Wettrüsten mit dem Ex-Partner einzutreten, sonst lernen Kinder schnell, ihre Eltern gegeneinander auszuspielen. Wenn es geht, sprecht euch vor Weihnachten und Geburtstagen ab, wer was schenkt, damit es keine Materialschlacht gibt.
Seit das gemeinsame Sorgerecht gilt, wird nur noch in Ausnahmen - z. B. wenn der Vater das Kind misshandelt - einem Elternteil das alleinige Sorgerecht zugesprochen. Im Normalfall gibt es keine festen Regeln oder gar Vorschriften für den Umgang mit Kindern. Viele Väter sehen ihre Kinder jedes zweite Wochenende und einen Nachmittag in der Woche. Denkbar ist aber auch jedes andere Modell, zum Beispiel eine Woche bei Mama, eine Woche bei Papa. Das klappt aber nur, wenn beide in derselben Stadt wohnen und das Kind sehr stabil ist. Die Ferien teilt ihr euch am besten auf, ebenso Weihnachten und Ostern. Schön, wenn euer Kind auch mitreden darf - zum Beispiel: Zu meinem Geburtstag wünsche ich mir Mama und Papa als Gäste. Leichter für alle wird es, wenn ihr nicht in der Wohnung des anderen feiert, sondern im Schwimmbad oder in einem Park. Und wenn die neuen Partner nicht gleich mitkommen. Das gemeinsame Sorgerecht bedeutet auch, dass ihr euch über die großen Linien einigen müsst - und wenn es noch so schwer fällt. Wo soll das Kind wohnen? Welche Schule soll es besuchen? Soll es geimpft werden? Auch wenn ihr mit dem Kind in eine andere Stadt ziehen wollen, muss der andere zustimmen - sonst entscheidet das Gericht. Rat finden ihr beim Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Tel. 030/6959786 oder unter www.vamv-bundesverband.de. Hier bekommen ihr auch einen Mustervertrag für eine Sorgevereinbarung.
Ihr seid zwar keine Ehegatten mehr, aber Eltern bleibt ihr ein Leben lang. Alle Studien zeigen: Je besser der Kontakt zu beiden Eltern bleibt, desto besser überstehen Kinder die Scheidung. Sichert euch feste Besuchszeiten. Erlaubt dem Kind, Papa anzurufen, ohne dass ihr mithört. Lasst euer Kind Postkarten und Briefe schreiben. Wenn ihr es schafft, kommt beide zur Einschulung oder zur Siegerehrung im Sportverein. Tragt die Streitereien mit dem Ex nicht vor den Kindern aus. Kinder beziehen die Gefühle wie Hass und Ablehnung auf sich selbst. Erleben sie dagegen, wie Konflikte gelöst werden, können diese Erfahrungen sogar positiv für sie sein.
Der Sohn ist traurig und kann nicht einschlafen. Die Tochter kommt nachts weinend zu euch ins Bett. Das tut weh. Aber es lässt sich besser aushalten, wenn man weiß: "Schwierige Kinder sind nach einer Scheidung normal. Normales, angepasstes Verhalten wäre auffällig." Die Kölner Pädagogin Corinna Knauff, Gründerin der Scheidungskinder-Beratung "Gipfelstürmer", sagt auch, dass es normal sei, wenn Kinder noch mal in die Hose machen oder Daumen lutschen. Ein Zeichen, dass euer Kind anfängt, die Trennung zu bewältigen.
Die Versuchung ist groß, während der Trennungszeit das Kind als Spitzel zu benutzen. Hat der ehemalige Ehegatte eine Neue? Stopp! Bringt euer Kind nicht in die Zwickmühle. Es wird erzählen, wenn es spürt, dass ihr nicht lauert und keine bissigen Kommentare abgebt. Auf keinen Fall solltet ihr die Berichte des Kindes gegen den Kindesvater missbrauchen.
Scheidungsforscherin Mavis Hetherington hat den Begriff "Scheidungs-Hypochondrie" geprägt: Fast alle geschiedenen Ehegatten schieben sämtliche Probleme Ihrer Kinder auf die Trennung. Vergessen wird: Schlechte Noten, Lügen, Wutanfälle kommen in den besten Familien vor. Nie wird man erfahren, wie sich ein Kind ohne Scheidung entwickelt hätte - ganz ohne Schwierigkeiten aber gewiss nicht. Besser als ein Schonklima sind die gleichen klaren Regeln wie vorher. Das gibt dem Kind sogar Sicherheit.
Wenn euer Kind gewalttätig wird, wenn es sich selber verletzt, wenn es zu Drogen greift, wenn es in der Schule dauerhaft schlechter wird, wenn es Essstörungen entwickelt, wenn es andauernd Bauchweh, Kopfweh oder andere Beschwerden hat, wenn es sehr in sich zurückgezogen wirkt, dann braucht euer Kind spezielle Hilfe.
Ihr habt euch neu verliebt? Herzlichen Glückwunsch, nichts ist besser fürs angeschlagene Selbstbewusstsein. "Eine neue Liebesbeziehung hat den größten Heilungseffekt nach einer Scheidung", hat Mavis Hetherington herausgefunden. Es kann allerdings sein, dass euer Kind keineswegs begeistert ist. Es hat Angst, schon wieder etwas zu verlieren - seid deshalb behutsam. Zwingt das Kind nicht, euren neuen Freund zu mögen oder ihn womöglich Papa zu nennen. Bestenfalls ein großer Kumpel kann er sein, und auch diese Rolle muss er sich oft hart erarbeiten. Erst dann solltet ihr ein gemeinsames Kind planen. Sucht den Austausch mit anderen Patchwork- Familien. Adressen unter Tel. 061 04/ 40 79 70 oder unter www.stieffamilien.de.
Trennungsjahr, Scheidungsantrag, Scheidungstermin, Gänge zum Familiengericht ...Jetzt ist viel zu regeln. Das ist anstrengend, aber ihr müsst es nicht allein schaffen. Alle Eltern, die sich trennen, haben ein Recht auf kostenlose Beratung bei einer Familien-Beratungsstelle von der Stadt, den Kirchen und den Wohlfahrtsverbänden. Meist reichen fünf Sitzungen, um die wichtigste Frage zu besprechen: Wie schaffen wir es, Eltern zu bleiben trotz unserer Trennung? Ihr könnt auch einen Mediator einschalten - den müsst ihr allerdings selber bezahlen. Im Unterschied zu Anwälten, die oft für eine Seite das Maximum herausholen wollen, suchen diese geschulten Vermittler nach einer tragfähigen Lösung für alle.