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Warum ich meinen Mann mit einer Anderen teile

Mann teilen
© Shutterstock / wk1003mike
Auf Sex hat sie keine Lust mehr. Daher will diese 48-jährige Lehrerin ihren Mann teilen. Eine sehr unkonventionelle Idee.

Eigentlich findet Margit Schlichting* es völlig normal, dass ihr nach fast drei Jahrzehnten Liebe, nach mehreren tausendmal Sex, nach unzähligen Kuschelrunden erotisch einfach die Puste ausgegangen ist. Dass sie Achim, ihren Ehemann, zwar immer noch von Herzen liebt, aber einfach keine Lust mehr hat, mit ihm ins Bett zu gehen.

Was natürlich mit der Vielzahl ihrer gemeinsamen Jahre und der daraus resultierenden Übervertrautheit zu tun hat, aber auch damit, dass sich ihr ganz persönliches sexuelles "Reservoir" mit fast 50 erschöpft hat.

"Ich habe keine Lust mehr auf Sex, weder mit Achim noch mit anderen Männern. Es ist einfach vorbei."

Da ist sie ganz sicher.

Margit Schlichting ist eine attraktive Frau, sehr weiblich, eine, der die Männer immer noch hinterhersehen. Doch das, was man einen heißen Feger nennt, war sie noch nie.

"Sex ist mir einfach nicht wichtig", sagt sie, "ich hab diesen ganze Hype darum noch nie verstanden."

Der Sex verkuschelte sich über die Jahre

Klar, als sie Achim vor 28 Jahren am Anfang ihres Studiums kennenlernte, da gab es diesen biologischen Hormon- und Endorphinrausch, da stürzten sie sich aufeinander, sobald das Licht ausging.

"Doch dann kam uns das Leben dazwischen." Der Alltag. Sie bekamen zwei Kinder, standen beide voll im Berufsleben, er als Speditionskaufmann, sie als Lehrerin, der Sex verkuschelte sich, bei ihr jedenfalls.

Abends, nach einem langen Tag, war bei ihr einfach nichts mehr drin, fing seine "Dauerbereitschaft" an, sie zu erschöpfen, aber sie waren erst Anfang 30, ein Alter, das fand Margit Schlichting selbst, in dem man sich sexuell noch nicht verabschieden durfte.

Eigentlich, sagt Margit, sei das ja die Zeit, wo jeder seinen sexuellen Höhepunkt erlebt, wo aus jedem Werbeplakat halbnackte Models um die 30 beim Bacardi-Schlürfen oder West-Rauchen gleißende Lebenslust verströmen. "War ich tatsächlich die Einzige mit diesen schrecklichen "Okay, dann mach halt, aber weck mich dabei nicht auf'-Nummern?"

Achim merkte lange Zeit nichts

Da es viele Ehefrauen im vorgetäuschten Orgasmus zur wahren Meisterschaft bringen, hat Achim vermutlich lange nicht gemerkt, mit wie wenig Begeisterung seine Frau bei der Sache war. Vielleicht wollte er auch einfach nichts merken.

Sie haben nie darüber gesprochen, gerade weil in ihrer Ehe ja sonst alles zu stimmen schien. "Ich liebe meinen Mann, wir haben es gut miteinander", sagt Margit Schlichting, "wir gehen ins Kino, haben oft Gäste, und seit unsere Kinder aus dem Haus sind, haben wir unsere Wanderschuhe wieder herausgeholt."

Doch dann, ausgerechnet an dem Romantikwochenende auf Rügen, mit dem Achim sie zu ihrem 45. Geburtstag überraschte, spürte sie plötzlich, dass sie sich nichts mehr vormachen konnte. Er lag bereits erwartungsvoll im Bett, sie schaute auf die Ostsee und war tief erschrocken, wie abgrundtief lästig ihr die Vorstellung war, jetzt mit ihm Sex zu haben. " Achim hatte Champagner aufs Zimmer bestellt, schnell kippte ich zwei Gläser herunter, dann zwei Minifläschchen Schnaps aus der Minibar, dann ging's irgendwie", sagt Margit Schlichting.

Sie wusste: Es ist vorbei, für immer

Es ist vorbei, wusste sie am nächsten Morgen, als sie mit verkatertem Kopf vor dem Badezimmerspiegel stand und sich nur schrecklich fühlte, meine Lust ist ausgeschöpft. Für immer. Traurig und erschrocken betrachtete sie ihren Mann, der ahnungslos in den Morgen schnarchte.

Was tut man als Frau, wenn die Lust weg ist, der Mann aber bleiben soll? Besonders wenn bei ihm der Sexualtrieb im Laufe der Jahre eher stärker geworden ist?

Was sollte passieren?

In vielen Ehen sind die erotischen Bedürfnisse ungleichgewichtig, hat einer mehr Lust als der andere, geredet wird nur selten darüber.

Als Margit sich von ihrem Frauenarzt auf organische Störungen untersuchen ließ und sich nach einem Potenzmittel für Frauen erkundigte, lachte der nur: "Wenn ich das hätte, wäre ich Milliardär. So wie Ihnen geht es den meisten Ehefrauen, irgendwann ist die Lust eben vorbei. Da kann man leider nichts machen."

Da ihr keine Lösung einfiel, versuchte sie, ihr Problem zu verkapseln, indem sie sich angewöhnte, als Erste zu Bett zu gehen und tiefen Schlaf vorzutäuschen, wenn Achim dazustieg.

Aber dann spürte sie seinen Frust durch die Bettdecke und konnte überhaupt nicht mehr einschlafen. Ständig das Gefühl, den Mann, den sie liebte, zu enttäuschen, das war kaum auszuhalten. Außerdem war er oft unausstehlich, wenn er sich, wie er es nannte, "sexuell unausgelastet" fühlte.

Aber wenn sie sich dann "aufraffte", um, wie sie hoffte, erst mal wieder ihre Ruhe zu haben, passierte genau das Gegenteil. "Siehst du, Schatz, es geht doch", freute er sich dann, "kleiner Nachschlag gefällig, damit wir nicht aus der Übung kommen?" Dann hätte sie schreien können.

Um ihn nicht "auf dumme Gedanken zu bringen", vermied sie jede körperliche Berührung, versteinerte fast, wenn er sie zur Begrüßung küssen wollte. Sie hatte ihn immer gern angefasst, wollte aber jetzt keine schlafenden Hunde wecken. Ihre Ehe fühlte sich zunehmend wie eine Zwangsjacke an. Frustnummer oder Frustmann, war das wirklich die einzig mögliche Alternative?

Sollte sie ihm erlauben, in den Puff zu gehen?

Margit schlug eine Paartherapie vor, Achim war strikt dagegen, weil er Sexualität für die natürlichste Sache der Welt, dieses "Und dann hab ich gesagt, und dann hast du gefühlt"-Gequatsche dagegegen für völlig sinnlos hält. Und weil sie im tiefsten Inneren wusste, dass ihre Lust nicht wiederzubeleben war, insistierte sie nicht. Also vertiefte sich das Schweigen zwischen ihnen, der Graben wurde größer, sie sprachen von Scheidung.

Es war klar, dass etwas passieren musste. Aber was?

"Ganz kurz hab ich überlegt, ob ich Achim nicht erlauben soll, regelmäßig in den Puff zu gehen", sagt Margit Schlichting, "aber erstens finden wir das beide doch etwas unappetitlich, zweitens ist es auf Dauer zu teuer."

Eines Morgens blätterte Margit im Kontaktanzeigenteil ihrer Lokalzeitung, wo ihr die Zeile "Ehefrau sucht Mann für gewisse Stunden" ins Auge fiel.

Ganz schön frech, dachte sie, und dann: "DAS ist die Idee!" Ohne weiter zu überlegen, gab sie online die Anzeige "Ehemann sucht Frau für gewisse Stunden, unabhängig, aber gebunden, 40-45 Jahre alt, im Raum Hannover" auf.

Er hielt es erst für Schwachsinn

Die sie ihm am nächsten Samstag ausgedruckt auf den Frühstücksteller legte. Woraufhin er ausrastete, "Was soll der Schwachsinn? Willst du mich loswerden?", schrie und tagelang nicht mit ihr redete. "Schlimmer konnte es zwischen uns nicht mehr werden", sagt Margit Schlichting.

Den ersten E-Mail-Schwung von insgesamt 136 Antworten sortierte sie deshalb allein. Und war einerseits fasziniert, wie offen diese Frauen ihre erotischen Vorlieben ("mag es gern hart und oft, hoffe, du hast das passende Instrument dazu") einem völlig Fremden anvertrauten, andererseits fühlte sie sich von dieser Frauensexpower völlig verunsichert. Vor dieser geballten, unkomplizierten Lust empfand sie sich wie eine kleine, hässliche Dörrpflaume.

"Sie darf nicht zu jung und zu hübsch sein, nicht zu witzig und intellingent sein"

Warum kann ich nicht so unkompliziert sein wie diese Frauen?, haderte sie mit sich und unternahm einen allerletzten Versuch, ihre Ehe erotisch wieder in Schwung zu bringen.

Sie kaufte sich heiße Dessous, salbte sich mit duftenden Ölen, stand abends vor dem Spiegel und feuerte sich an: "Du hast Lust, Sex ist gut für dich, Achim ist ein heißer Typ, der Appetit kommt beim Essen!"

Aber es nützte nichts. Sie lag unter ihm, fühlte sich unendlich einsam und dachte nur: Hoffentlich ist bald Schluss, damit ich endlich einschlafen kann.

Irgendwann sagte Achim danach: "Du hattest recht mit der Anzeige, ich brauche endlich mal wieder eine Frau, die beim Sex mit mir nicht an ihre Bügelwäsche denkt."

Ein Satz, der Margit Schlichting so tief traf, dass sie anfing zu weinen. Weil sie wusste, dass sie ihm genau das gönnen musste, wovor sie trotz allem am meisten Angst hatte. Sie musste ihr Besitzdenken und ihre Eifersucht in den Griff kriegen.

Sie suchte die Geliebte aus

Wenn ich keine Lust auf Wandern hätte, würde ich ihn ja auch mit anderen ziehen lassen, versuchte sie ihr Gefühlschaos zu neutralisieren, im Grunde genommen geht es ja nur darum, dass ich ihm etwas nicht geben kann, was er sich wünscht, und ihm deshalb erlauben muss, es woanders zu finden. Es war hart, aber es war ihre einzige Chance. Trotz allem war es Liebe.

"Okay", sagte Margit deshalb nach ein paar schlaflosen Nächten, "aber ich such sie dir aus."

Und verbrachte die nächsten Tage damit, für Achim die ideale Geliebte zu suchen. Wobei ihre Auswahlkriterien naturgemäß etwas schizophren waren, denn sie wollte ja nur einen Teil ihres Mannes abtreten, nicht ihre Ehe riskieren.

Deshalb durfte seine Zweitfrau nicht zu jung und hübsch, nicht zu witzig und intelligent sein. Nach langem Suchen präsentierte sie ihm Liora, 68, "vollschlank, für jeden Spaß zu haben", woraufhin er lachte und sich selbst in die Angebote vertiefte.

Zum ersten Mal war sie ausgeschlossen

Als er nach drei Stunden zum Telefon griff und sie wegschickte, als er zwei Tage später zu seinem ersten Date ging, nachts um drei Uhr nach Hause kam und nach den Worten "Keine Fragen" sofort einschlief, natürlich war das ein Scheißgefühl.

Sie wusste nicht, was ihr mehr weh tat: dass er mit einer anderen Frau schlief oder dass er sie nach 28 gemeinsamen Jahren zum ersten Mal von etwas ausschloss.

Einmal pro Woche war er jetzt unterwegs, und wenn Margit nachbohrte, sagte er nur: "Ich löffle doch nur die Suppe aus, die du mir eingebrockt hast", und dabei beließ er es...

Jetzt war es soweit: Sie teilte ihren Mann

Nach drei Monaten war sie so mürbe, dass sie nur noch zwischen Heulen und Gereiztheit schwankte. Wenigstens wusste sie inzwischen, dass er sich nicht mit einem ganzen Harem traf, sondern nur mit einer Frau, die Susanne heißt.

"Ich will sie kennen lernen", verlangte sie schließlich, "aber allein. Ohne dich."

Als sie die Andere sah, ging es ihr besser

Als sie zum Telefon griff, waren ihre Hände klitschnass, doch die sympathische Stimme am anderen Ende machte ihr Mut. Sie verabredeten sich in einer Hotelbar, und als sie hereinkam, ging es Margit sofort etwas besser. Weil sie vier Jahre älter, molliger und kleiner ist als sie?

Ja, genau darum. Und weil sie seit 15 Jahren mit einem wesentlich älteren Mann, einem Diabetiker, verheiratet ist, der impotent ist und von Achim keine Ahnung hat.

Und weil, trotz der ungewöhnlichen Umstände, sofort Sympathie da war. Sie redeten bis zum Morgengrauen, tauschten sich aus über den Mann, den sie in Zukunft teilen würden.

Erotische Details interessierten Margit nicht, aber sie brauchte die Versicherung, dass Susanne keine Scheidungsabsichten hatte. "Keine Sorge", sagte diese, "ich brauche Ihren Mann nur fürs Bett, für alles andere hab ich ja meinen eigenen."

Die Menage à trois von Achim, Margit und Susanne gibt es jetzt seit knapp einem Jahr. Alle sagen, dass es für sie die beste zweitbeste Lösung ist. Mit der Angst, dass Susannes Mann stirbt oder sich Achim nach ihr in eine 30-Jährige mit Kinderwunsch verliebt, muss Margit leben. Aber im Moment ist alles gut.

Text: Evelyn Holst BRGITTE WOMAN Heft 05/2012

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