Anzeige

Männer mit Bauch: Oh ja oder oh je?

Männer mit Bauch: Oh ja oder oh je?
© Tim Tadder/Corbis
Irgendwann müssen sich die meisten Frauen dran gewöhnen: Männer mit Bauch gehören zu Ihrem Leben. Aber lässt sich mit der Rundung Freundschaft schließen?

Meine Freundin Marlies liebt ihren, weil sie beim Fernsehen so schön weich auf ihm liegen kann: "So gemütlich!" Meine Schwester hatte schon immer einen und kann sich ein Leben ohne gar nicht mehr vorstellen. Meiner hat sie inzwischen alle eingeholt, den Dicksten habe jetzt eindeutig ich, und ich weiß noch nicht so richtig, wie ich reagieren soll. Akzeptieren, kritisieren, ignorieren?

Ich kann es nicht länger leugnen: Ich habe einen Mann mit Bauch. Nicht mit einem leichten Bauchansatz, sondern mit einer dieser prall gefüllten Fleischkugeln, die Männer von der Seite wie in den letzten Monaten einer Zwillingsschwangerschaft aussehen lässt. Was mich stört und beunruhigt und was mein Mann mit dem Witz aus den fünfziger Jahren "Alles Muskeln und Samenstränge" kommentiert.

Fett ist eben nicht nur Geschmackssache

Nun war mein Liebster noch nie ein Dürrer, er ist groß und breit, den kleinen Fleischkringel auf seiner Leibesmitte hatte er schon, als wir uns kennenlernten, und dass er ihn seinen wunderbaren Kochkenntnissen verdankt, finde ich nach wie vor erotisch. Fett ist eben nicht nur ein Geschmacks-, sondern für manche Frauen auch ein Liebesverstärker, jedenfalls wenn sie jung sind und das Wort Arteriosklerose nur aus dem Kreuzworträtsel kennen.

Ein kleiner Kringel wird nicht über Nacht zur Plauze

Natürlich gab es schon seit geraumer Zeit ein paar Warnzeichen, ein kleiner Kringel wird ja nicht über Nacht zur Plauze, aber ich habe sie ignoriert. Die Hemden zum Beispiel, die er jetzt immer über statt in die Hose gestopft trägt, na und? Über immer dieselben drei Hosen, weil er bei den anderen den obersten Knopf nicht mehr zukriegt und Shopping hasst wie ein Vampir die Knoblauchzehe. Auch dass sein früher sehr markantes Kinn sich inzwischen verdoppelt hat, alles kein Drama. Nichts will ich weniger sein als eine dieser ausgemergelten Meckerziegen mit Zitronenmund, die nach dem Motto "Auch eine Sojasprosse kann gut schmecken" sich und ihrem Partner jede Kalorie in den Mund zählt und ihn im Morgengrauen zur ersten Joggingrunde treibt. Zu einem guten Leben gehört für mich immer auch eine Prise Überschwang und Übertreibung.

Langzeitbeziehungen sind keine Schlankmacher

Es gibt keinen langjährigen Ehemann, der noch in seinen Konfirmandenanzug passt, und wenn, würde er seiner Frau, die statt Größe 36 jetzt 44 trägt, richtig schlechte Laune machen.

Außerdem können Langzeitbeziehungen, wenn sie harmonisch sind, keine Schlankmacher sein. Die Ehe macht leider fett, hat auch eine Freundin von mir festgestellt, die nach 25 Ehejahren genauso viele Kilos mehr auf den Hüften hat. Wenn man seine Single-Umtriebigkeit gegen gemütliches Herumschlunzen vor dem Fernseher eintauscht, nicht mehr rauchend und liebeskümmerlich in einer Bar sitzt und aufs große Glück hofft, sondern mit seinem Partner am Küchentisch Spaghetti mit Sahnesoße genießt, dann freuen sich die Fettzellen und vermehren sich. Besonders die um die Leibesmitte.

Wir lieben Männer, die größer und kräftiger sind als wir

Die meisten Frauen, egal wie ausgeprägt ihr eigener Fettsteiß ist, finden einen kleinen Männerbauch nicht unangenehm, im Gegenteil. Der Mann muss allerdings so stattlich sein, dass er nicht wie ein Rollmops auf zwei Beinen aussieht. Zweites No-go ist die Käfervariante - dünner Männerkörper mit Kugelbauch auf zwei Streichholzbeinen -, aber sonst ist ein Wämpchen kein Dealbreaker. Wir lieben Männer, die größer und kräftiger sind als wir und so gut gepolstert, dass wir neben ihnen noch immer die elfengleiche Aura unserer Kennlernphase verströmen können. Und die gibt uns nur ein Partner, dessen Bauch im Sitzen keine ab-, sondern eine zunehmende Mondsichel ist. Männer mit Bauch, besonders solche "of a certain age", signalisieren Wohlstand und Entspanntheit, Frauen mit Bauch sind schwanger oder in den Wechseljahren.

Rainer Calmund und Dieter Pfaff sind erfolgreiche Promis, Frauen mit vergleichbarem Bauchumfang wären im Fernsehen nur als Vorher-Modell in einem Werbespot denkbar. Ja, die Welt ist ungerecht. Deswegen gibt es auch kaum einen Mann, den ein Body-Mass-Index von über 30 ernsthaft stört. Auch meiner ist da ganz entspannt. Zu entspannt, finde ich. "Schatz, du hast zugelegt in letzter Zeit", sagte ich deshalb vor ein paar Monaten, "ein paar Kilo weniger würden dir nicht schaden, was meinst du? Auch aus gesundheitlichen Gründen." Er grunzte nur und wechselte das Thema.

Männer sind Verdränger

Mästen wir unsere Männer vielleicht unbewusst, damit sie auf andere Frauen nicht attraktiv wirken?

Völlig falscher Ansatz, wie ich inzwischen weiß. Theoretisch wissen Männer natürlich, dass Übergewicht ihre Blutzucker- und Cholesterinwerte hochtreibt, dass im schlimmsten Fall Herzinfarkt oder Schlaganfall drohen, aber praktisch fühlen sie sich erst angesprochen, wenn der Notarzt kommt. Männer sind Verdränger.

Vor allem sind sie Verweigerer, besonders wenn es um ihre Gesundheit geht. Und um ein bisschen Rücksichtnahme auf die optischen Wünsche ihrer Partnerin. Eine Freundin, die mit viel Disziplin und Diät von hinten immer noch als Teenager durchgeht, nervt es, dass "Bernd im Liegen inzwischen wie ein toter Wal aussieht. Was ihm völlig egal ist. Aber ich will keine frühe Witwe sein."

Ich will einen Mann, der genauso auf sich achtet wie ich

Sie hat wirklich alles versucht, fettarmes Kochen, Anmeldung bei Weight Watchers und im teuersten Fitnessclub der Stadt, sie hat geschimpft, gedroht, ihn beschworen, wie viel mehr an Lebensqualität er gewinnen würde, wenn der Bauch wieder weg wäre. "Lebensqualität kommt von Qual", hat er nur gelächelt, "und mit fast 60 will ich mich nicht mehr quälen."

Der Mann meiner Nachbarin hat dieselbe Einstellung, deshalb schleicht er sich hinter ihrem Rücken auf dem Heimweg von der Arbeit schnell noch in seine Lieblingspommesbude, wissend, dass zu Hause Rohkost auf ihn wartet. "Und ich wundere mich, dass sich der Zeiger auf der Waage nicht bewegt", stöhnt seine Frau. Oh ja, es ist mühsam. Weil Männer oft so uneinsichtig wie kleine Kinder sind.

"Mit ein bisschen Sport krieg ich den Bauch wieder weg und meine Blutfettwerte runter", sagt mein Mann, nachdem ich ihn zum Internisten fast geprügelt habe. Eine Ansage, die mich keineswegs beruhigt, denn mit "ein bisschen Sport" meint er vor allem die Zeit, die er in seinem Fitness-Studio verbringt, vorwiegend im Wellness-Bereich, wie ich argwöhne. Mein Schwager, ebenfalls Bauchträger, hat meiner Schwester zuliebe immerhin seinen mindestens drei Bier pro Abend entsagt, er trinkt sie jetzt alkoholfrei. "Aber wenn ich ihm vorschlage, auch noch auf seine Rippchen und Koteletts zu verzichten, schreit er wie ein Baby, dem man den Schnuller wegnimmt", seufzt sie.

Schwierig, diese Bauchproblematik

Weil wir Frauen so ambivalent sind. Einerseits signalisiert ein Mann mit Genießerbauch ein "Ja, meine Frau macht mich rundum glücklich", und darauf sind wir stolz. Mästen wir deshalb vielleicht ganz unbewusst unsere Männer, damit sie auf andere Frauen nicht mehr attraktiv wirken? Ein guter Hahn ist schließlich selten fett. Andererseits, welche Henne will einen dünnen Hahn im Bett, der "Du siehst ein bisschen moppelig aus, Liebling, wie wäre es, wenn du dich gleich morgen zu Bauch-Beine-Po anmeldest?" zu ihr sagt.

Es hilft nichts, Genuss ohne Reue, das war einmal. Und da wir Frauen leider die Stärkeren sind, müssen wir unsere Lebensgewohnheiten ändern. Ein bisschen jedenfalls. Aber wer sagt, dass ein leckeres Ratatouille und vorher eine Stunde im Fitness-Center geschwitzt nicht ebenfalls ganz unerwartete Glücksverstärker sind? Und Sex verbraucht ja auch Kalorien. Noch hab ich den Dicksten. Aber das muss ja nicht so bleiben.

Text: Daphne Welsand Foto: Julian Wolkenstein/Gallery Stock BRIGITTE woman 07/12

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel