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Harald Krassnitzer und Ann-Kathrin Kramer: Eine Liebe in Wuppertal

Ann-Kathrin Kramer & Harald Krassnitzer
© Hannes Magerstaedt / Getty Images
Sie fühlt sich bei ihm geborgen, er liebt ihre direkte Art. Aber manchmal fliegen bei den Schauspielern Harald Krassnitzer und Ann-Kathrin Kramer auch die Teller durch die Luft.

Ich hielt sie für eine Zicke und Angeberin.

Wenn man die beiden Fernsehschauspieler Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer fragt, wie sie sich kennen gelernt haben, dann blicken sie sich an und sagen: "Aber das ist doch so lange her?" Er streichelt über ihr Bein, mit einem fast heiligen Ernst. Sie lächelt verschmitzt. Und man denkt: Warum zögern sie mit der Geschichte vom Anfang, die erzählt sich doch jedes Paar, wenn es sich seiner selbst vergewissern mag. Oder ist dies tatsächlich ein zufriedenes Paar, eines, das die Geschichte vom Anfang gar nicht nötig hat?

Als sie sich kennen lernten, war Ann-Kathrin Kramer 32 und hatte gerade einen Sohn mit dem Schauspieler Jan Josef Liefers bekommen. Harald Krassnitzer war 38, frei und abenteuerlustig, und der "Bergdoktor" in Tirol. Zwei Jahre später, als sie für viele noch das Überraschungspaar waren, sagte sie: "Ich musste erst lernen, dass er ein sehr politischer, engagierter, belesener Mensch ist, zudem charmant und ulkig." Das sagt auch etwas über sein Image des österreichischen Schmonzettenhelden, aber vor allem über ihre Erwartungen. Und sie gestand damals auch, dass sie nicht gewohnt sei, sich so aufgehoben zu fühlen, denn sie gehöre zu den Frauen, die sich "nach Geborgenheit sehnen und gleichzeitig den sicheren Griff zu ganz anderen Männern tun". Wenn man ihr diesen Satz heute vorliest, prustet Kramer los und ruft: "Das habe ich gesagt?" Dazu Krassnitzer: "Das war wohl auf deine damalige Beziehung gemünzt."

Seine Langsamkeit hat mich wahnsinnig gemacht!

Es scheint wie aus anderen Leben, dabei war es vor elf Jahren, beim Dreh des Films "Hurenmord". Krassnitzer sollte einen Priester spielen, der den Mörder aufgrund seines Beichtgeheimnisses nicht preisgeben kann; Kramer seine Schwester. "Wenn sich ein Team zum ersten Mal trifft, um das Drehbuch gemeinsam zu lesen", schiebt Krassnitzer schnell ein, bevor Kramer Luft holen kann, "gibt jeder erst mal den Macker, um zu zeigen, wer der Größte ist." Ann-Kathrin Kramer grinst und sagt: "Er ist halt Österreicher, er hat so umständlich geredet, und diese Langsamkeit hat mich wahnsinnig gemacht!" Er zuckt die Schultern, schaut sie - schlitzohrig - an und sagt: "Ich hielt sie für eine Zicke und Angeberin."

Harald Krassnitzer galt einmal als Frauenheld. Er jedoch hat beteuert, "Machos mit Hodenprotzereien" finde er affig und wenn er überhaupt attraktiv sei, dann vielleicht, weil die Frauen ihn "nett" fänden. "Ich habe es nie wirklich ergründet, aber vielleicht... dass ich beruhigend auf sie wirke?"

Harald Krassnitzer gab den Frauenversteher

Das ist - man merkt es, wenn man ein Weilchen mit ihm geplaudert hat, im weinumrankten Hof der Wuppertaler Stammkneipe, wo sie ihn Harry nennen - ein typischer Krassnitzer-Satz. Vorsichtiges Understatement. Dabei lächelt er so verhalten, dass man ihn nicht für kokett halten kann - eher für bescheiden, gewitzt. In der Schauspielerei nennt man einen so sparsamen Einsatz "Unterspielen". Man muss hingucken in dieses verhaltene Gesicht, um zu ergründen, was einen da so beruhigend anzieht.

Möglicherweise ist das ja auch Ann-Kathrin Kramer so ergangen? In dem am frühen Abend von letzten Strahlen beschienenen Hof sitzt sie ihm zugewandt am Tisch über Eck. Ihr lilafarbener Mantel leuchtet in der Sonne, ihre blonden Locken auch. Und wenn sie nicht vom Gespräch weg in eine Ferne schaut, das Kinn auf die Handrücken gelegt, sondern einen unverwandt anblickt - dann hat man das Gefühl, man könnte in diese Augen hineinfallen. So offen sind sie, hellblau und tief.

Eigentlich ist das Berufliche gar nicht so Thema in unserem Alltag zu Hause.

Nach zehn Jahren haben Kramer und Krassnitzer geheiratet, da werden sie nach ihrem "Glücksgeheimnis" gefragt und wie Liebe gelingen kann. Sie verraten, da sei erst freundschaftliche Liebe gewesen, aus dem sich ihr Verliebtsein entwickelt habe: Sie hatte Probleme in ihrer "damaligen Beziehung", da habe er erst mal den Frauenversteher gegeben - bis dann doch der erste Kuss dazwischenkam. Von Anfang an sei ihr aber auch Streitkultur wichtig gewesen, er habe erst lernen müssen, sich nicht trotzig schweigend zurückzuziehen.

Sie: "Er begegnet anderen sehr offen und nimmt sie ernst, ist menschenfreundlich, lebensfroh, und dabei hat er sich etwas Unschuldiges bewahrt." Diese Einfühlsamkeit sei sehr einnehmend. Er: "Ann-Kathrins Direktheit, immer gleich zu sagen, was sie denkt und fühlt, hat mich erst erschreckt, dann aber gleichermaßen angezogen." Sie sagt, man müsse auch loslassen können, um frei und für sich zu sein. Er sagt, er sei schon auch mal eifersüchtig gewesen, wenn sie interessantere Rollen angeboten bekam oder im Mittelpunkt stand. Und dass er von ihr gelernt habe, über seine Gefühle und sein männliches Selbstverständnis zu reden.

Unter der Woche mal telefonieren käme zu teuer - weil: Ich red ja so langsam...

Recht bald nach dem ersten Kuss zogen sie zusammen. Aber nicht nach München, Wien oder Berlin - sondern fernab der Branche: in ein Fachwerkhaus im Bergischen Land. Dort leben auch ihre Eltern und Brüder und sind für ihren Sohn da, wenn sie gleichzeitig arbeiten. Leo ist jetzt zwölf und sagt auch zu Harry Papa. Der kommt, wenn er dreht, jeden Freitagabend nach Hause. Dann genießen sie das Land und die Ruhe und raus zu sein aus dem Rummel. Und wenn man, wie jetzt, am Wochenende in Wuppertal ein wenig von ihrer kostbaren gemeinsamen Zeit stiehlt, bekommt man zu spüren, dass sie ihre Zeit am liebsten allein am Kamin neben der Theke mit einem guten Wein verbringen würden. Sie berühren sich sanft, sie scherzen miteinander, wirken verliebt und nicht albern dabei, sondern angekommen. Er geht schon lange nicht mehr Fallschirm springen und bunjeejumpen; dafür wirkt er jetzt viel zu gesettelt. Und sie zieht nicht mehr mit dem Rucksack durch Rhodos, um Porträts von Touristen zu malen.

Ann-Kathrin Kramer hatte mit 16 die Schule beendet, sich in ihrer Heimatstadt Wuppertal mit Jungs herumgetrieben und auch mal im Weitpinkeln gemessen - und einmal auf die Frage, ob sie sich als Mädchen eher als Prinzessin oder als Zigeunerin gefühlt habe, geantwortet: "Räuberhauptmann, da ist man der Stärkste."

Ann-Kathrin Kramer ist überschwänglich, ihr Mann ein Zweifler

Nach zehn Monaten Griechenland machte sie eine Lehre zur Schauwerbegestalterin und dekorierte Schaufenster. Mit 19 gründete sie in München eine Dekofirma. Auch heute noch findet sie nichts dabei, als junges Mädchen so frei vom Elternhaus gelebt zu haben. "Ich habe immer getan, was mir im Moment wichtig war", sagt sie, "ohne daran zu denken, wozu es führen könnte." Sie heiratete und trennte sich bald. Holte das Abitur nach. Und lernte doch noch Schauspielerei. "Wie jedes Kind habe ich die Wand angespielt und mich dabei selbst zu Tränen gerührt", sagt sie. Anders als andere Kinder ist sie dabeigeblieben. Denn: "In mir drin sind mehr Gefühle, als ein Mensch fassen kann. Die wollen raus." Wenn man jetzt in ihre Augen schaut, sieht man jenen Überschwang - und Unerschrockenheit.

Anders als bei Harald Krassnitzer. Er ist ein Zögerer, ein Zweifler, auch und vor allem an sich selbst - und erklärt gern, warum: "Immer wenn ich in eine neue Stadt gezogen bin, habe ich auf einem Stadtplan mit Kugelschreiber all die Wege eingezeichnet, die ich schon gegangen war." Schließlich sollte die Stadt von einem feinen blauen Netz überzogen sein, denn dann hatte man sie kennen gelernt. Als er in Graz spielte, sei er lange Zeit über einen dicken Balken nicht hinausgekommen: der immer gleiche Weg zwischen Wohnung und Theater.

Er hat sich etwas Unschuldiges bewahrt.

"Ich saß auf dem Rad, und da hatte ich plötzlich die Idee, eben mal einen anderen Weg zu fahren. Ich war völlig berauscht von meinem wahnsinnig genialen Einfall und hatte das Gefühl, ich bin jetzt auf dem sicheren Weg."

Er stürzte in ein Schlagloch. "Und seither", sagt er, "weiß ich, dass ich mir nie wieder einer Sache sicher sein darf." Ann-Kathrin Kramer gackert laut, denn: Man könnte die Geschichte auch ganz anders interpretieren! Er jedoch besteht auf dem selbstzweiflerischen Anspruch, sieht sie wieder mit diesem großen Ernst an und sagt: "In meinem ganzen Leben war ich mir nur einer Sache sicher - und das ist diese Frau."

Ihre Direktheit hat mich erst erschreckt, dann aber gleichermaßen angezogen.

Die kann seiner Bedächtigkeit mittlerweile etwas abgewinnen, beispielsweise Tiefgang und Komplexität. Damit hat er auch das Theater hinterfragt. Es war 1995, da spielte er in Wien die "Troerinnen", ein Stück über das Grauen des Krieges. Währenddessen schlachteten sich weiter südlich in Bosnien die Menschen ab. "Diese Gleichzeitigkeit, dieser anmaßende Versuch, auf der sicheren Bühne das Leid von Menschen darzustellen, denen Scharfschützen ihre Kinder aus der Hand schossen... das war unerträglich", sagt Krassnitzer. Da ging er lieber zum Fernsehen und gab den Bergdoktor, den Winzerkönig Thomas Stickler oder den Sonderermittler Moritz Eisner. Er findet das weniger scheinheilig. Und betreibt seinen Beruf im Fernsehen nicht mit weniger Ehrgeiz. Den, sagt er, hätten sie beide. Entsteht da Konkurrenz in der Beziehung?

Kramer sieht ihn herausfordernd an... und da legt Harald Krassnitzer einen Schalter um, von einem nachdenklichen Gespräch zu einem humorvollen Schlagabtausch, das beherrschen die beiden lustvoll. "Jeden Morgen beim Frühstück", sagt er, "werden die Ellenbogen rausgefahren, und dann fliegen dir die Eierbecher und Teller um die Ohren, und jeder schaut, dass er sich in Deckung bringt." Sie lächelt und sagt, dass das Berufliche gar nicht so ein großes Thema in ihrem Alltag zu Hause sei. "Und unter der Woche mal telefonieren", sagt Krassnitzer, "käme zu teuer - weil: Ich red ja so langsam... "

Übrigens ist Harald Krassnitzer ein Promi, der sich nach dem Gespräch dafür bedankt, dass man sich Zeit genommen hat, "für uns". Man könnte das für provozierendes Understatement halten. Man kann aber auch einfach finden, dass ein geradezu altmodisch höflicher Mann mit einer äußerst unabhängigen Frau ein ziemlich gelungenes Paar abgibt.

Zur Person: Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer

Ann-Kathrin Kramer, 43, spielt im Fernsehen häufig Kommissarinnen, die neugierige Nonne Camilla oder auch mal eine Wuppertaler Kioskbesitzerin. Das Drehbuch dazu schrieb sie selbst. Eine ihrer liebsten Rollen, sagt sie, sei bislang die "Konkurrentin" von 1997 gewesen. Da ist sie eine junge Geschäftsfrau, die in Konkurrenz zu ihrer Vorgesetzten getrieben wird und sich in diese verliebt.

Ihre Partnerin ist Charlotte Schwab, mit der sie später "Das Duo" wird. In diesem Film sei etwas geschehen, was das Spielen für sie außerordentlich macht: "Es war möglich, sich gehen zu lassen und Unbekanntes, Neues auf sich zukommen zu lassen." Ähnliches habe sie gerade auch beim Dreh des Psychothrillers "Ungesühnt" erlebt: Mut, Vertrauen und Liebe zum Beruf.

Harald Krassnitzer, 49, wuchs in Grödig bei Salzburg auf, der Vater war Schlosser, die Mutter arbeitete in einer Süßwarenfabrik. Schon während seiner Lehre zum Speditionskaufmann spielte er nebenher und landete beim Theater, in Salzburg, Graz, Wien, Saarbrücken. Bekannt wurde er dann im Fernsehen als "Bergdoktor", ORF-"Tatort"-Kommissar und "Winzerkönig".

Verunsichern kann man Krassnitzer, wenn man ihn nach seiner bislang liebsten Rolle fragt. "Im Nachhinein denke ich immer, es hätte noch besser sein können." Seine Frau schätzte sein zurückgenommenes Spiel als Ehemann zwischen zwei Frauen in "Mein Mann, seine Geliebte und ich" (2009). Privat engagiert sich Krassnitzer wie sie gegen den Missbrauch von Kindern, für Afrika und die österreichischen Sozialdemokraten.

Text: Nataly Bleuel

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