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Erben: Verschenken, vererben oder verprassen?

Sollen Eltern die Themen Erben und Vererben mit ihren Kindern vorzeitig regeln? Die könnten Geld manchmal gut brauchen. Ein Paar wägt ab. Die Tochter kommentiert.

Der Vater Hans S., 73: "Wir möchten unabhängig bleiben und weiterhin ein gutes Leben führen." "Vor ein paar Jahren haben wir unseren Kindern schon mal Geld geschenkt. Ich hatte nach einem langen Erbstreit in der Familie eine größere Summe bekommen und wollte damit nichts zu tun haben, so dass ich sie sofort auf unsere beiden Töchter verteilt habe. Jetzt hat unsere ältere ein Haus im Auge, das ideal für ihre Familie wäre, aber deutlich zu teuer für sie ist. Und meine Frau und ich fragen uns, ob wir ihr ein großes Geldgeschenk machen sollen.

Eine unserer Töchter zu unterstützen heißt für uns aber auch, der anderen dieselbe Summe zukommen zu lassen. Wir müssten also sehr viel Geld lockermachen. Und da stellt sich schon die Frage: Wollen wir das wirklich? Schließlich möchten wir unabhängig bleiben und weiterhin ein möglichst gutes Leben führen; wir möchten reisen, schön wohnen und uns ein neues Auto kaufen, sobald wir es brauchen. Und das, solange es irgend geht.

Vorzeitig vererben kann auch Einschränkung bedeuten

Wir Kriegskinder sind doch die erste Generation, die damit rechnet, dass ihre Pflege Zehntausende kosten wird, und zwar aus der eigenen Tasche: Wir wollen eine Pflegerin bezahlen können, einen Treppenlift und sonstige Hilfen, die wir brauchen, um in unserem Haus zu bleiben, wenn es uns irgendwann nicht mehr gut geht. Wir möchten nicht ins billigste, sondern in ein gutes Altersheim, das uns gefällt. Und wenn ich einmal nicht mehr lebe, möchte ich, dass meine Frau diese Freiheiten hat.

Aber mal ganz abgesehen davon: Wir sind stolz darauf, wie wir im Lauf eines Lebens ein Vermögen gebildet haben, und das nur durch unsere Arbeit. Wenn wir unseren Kindern jetzt Geld geben, werden sie dieses Gefühl nicht auskosten können. Und ich sehe genau: Sie hätten einiges mehr aus eigener Kraft schaffen können, wenn sie denn anders gelebt hätten. Meine Töchter führen in manchen Bereichen einen Lebensstil, der mir noch heute, nach vielen Jahren im Wohlstand, mitunter maßlos erscheint. Wir saßen ein Vierteljahrhundert auf einem gebraucht gekauften Sofa, das meine Frau bezogen hatte, unsere Kinder halten ihr Nickerchen auf Ligne Roset und speisen auf Thonet-Freischwingern. Mehrmals die Woche ins Restaurant oder der Pizza- Service kommt. Alles vom Feinsten, für die Enkel nur Bio. Das Einkommen einer meiner Töchter und ihres Mannes ist erheblich höher, als unseres in ihrem Alter war, inflationsbereinigt. Das gönne ich ihnen, ganz klar. Und es freut mich. Nur frage ich mich schon: Brauchen sie jetzt auch noch unser Geld?

Am meisten sorge ich mich aber, dass wir nach einem solchen Geldgeschenk nicht mehr im gleichen Umfang einspringen könnten, wenn eine der beiden wirklich einmal in Not gerät. Es ist ja einfach so: Heute enden selbst solide Karrieren jäh, viele Ehen werden geschieden, die Sozialkassen fahren ihre Leistungen immer weiter zurück . . . Auf die bisherigen Sicherungssysteme können sich unsere Kinder nicht mehr verlassen."

Die Mutter Susanne S., 67: "Es macht Spaß, großzügig zu sein." "Als meine Tochter mit mir an dem Haus vorbeifuhr, wusste ich gleich: Jetzt ist der Moment. Es ist ein schönes Haus, und ich konnte mir sofort vorstellen, wie sie mit ihrer Familie darin wohnt. Unseren Kindern Geld zu schenken, wenn sie es einmal brauchen, ist kein neuer Gedanke für meinen Mann und mich. Schon aus finanziellen Gründen, damit sie eines Tages weniger Erbschaftssteuer zahlen müssen. Aber auch, weil es Spaß macht, großzügig zu sein. Weil ich mir kaum eine bessere Investition denken kann als in das Glück unserer Töchter. Weil es schön ist, wenn die Kinder es besser haben als man selbst. Weil es uns selbst wirklich gut geht.

Die Bedürfnisse nehmen im Alter eher ab.

Ich finde auch nicht, dass wir von unseren Töchtern abhängig werden, wenn wir ihnen jetzt einen wesentlichen Teil unseres Geldes schenken. Wir haben immer bescheiden gelebt, das wird sich im Alter nicht ändern. Die Bedürfnisse nehmen doch eher ab im Verlauf des Lebens. Und unser Einkommen im Ruhestand ist noch immer vergleichsweise gut und vor allem sicher. Außerdem haben wir ja das Haus, in dem wir wohnen. Wenn mein Mann oder ich in ein teures Pflegeheim müssen, können wir das Haus verkaufen. Falls unsere Kinder ihr Elternhaus dann nicht erben, ist das der Preis dafür, dass sie sich in jungen Jahren ein schönes Zuhause kaufen können. Da bin ich ganz pragmatisch. Es ist doch so: Die Enkel würden jetzt im Garten spielen. In 15 Jahren sind sie groß."

Die Tochter Nicole S., 35: "Ich kenne nur ein Paar, das sein Haus aus eigener Kraft bezahlt." "Vor zwei, drei Jahren fing es an: Auf einmal war die Immobilie ein Thema, in der Kneipe, im Café, bei Freunden. Mit dem ersten Kind werden kleine Wohnungen eben zu eng, und das Leben wird leichter mit einem Garten. Heute kenne ich einige Immobilienbesitzer aus meiner Generation.

Das Erstaunliche ist allerdings: Kaum einer hat es aus eigener Kraft geschafft. Einige haben geerbt, von den Großeltern, oder sie haben ihre Eltern früh verloren. Andere haben ihre komplette Wohnung von Mutter und Vater finanziert bekommen; oder die Eltern haben eine große Summe zur Verfügung gestellt mit der Aufforderung, sie als Anzahlung für eine Immobilie zu verwenden. Ein einziges Paar kenne ich, das finanziell alles allein stemmt. Und die sagen, sie hätten den Kredit nur bekommen, weil die Bank seit einigen Jahren auch ihre gut gehende Praxis betreut.

Wir werden wieder ganz klein, die Eltern ganz mächtig.

Wir sind alle Mitte 30, die meisten seit Jahren im Beruf. Einige von uns haben dort viel zu entscheiden und verdienen wirklich gut - als Chefin von 50 Mitarbeitern, als Arzt, Richter oder Anwalt. Wir stehen schon lange auf eigenen Beinen und legen großen Wert darauf. Haben uns ganz bewusst von den Eltern gelöst, so früh es eben ging. Aber wenn es an die Erfüllung des Traums vom eigenen Heim geht, ist es vorbei mit der Unabhängigkeit. Wir klopfen demütig bei unseren Eltern an, die längst in Rente sind. Wir machen Andeutungen und fragen zwischen den Zeilen nach Unterstützung. Oder wir sprechen das Thema mutig an, fühlen uns übergriffig und haben Angst vor der Reaktion. Wir werden wieder ganz klein und die Eltern wieder ganz mächtig.

Was läuft da schief? Haben wir nicht genug Biss? Wenn wir wirklich einen Garten wollen, müssten wir das doch schaffen können. Sind unsere Ansprüche zu hoch? Wir möchten ja schließlich nicht irgendwohin ziehen. Wollen wir zu wenig Opfer bringen für den eigenen Garten? Oder haben wir zu Recht Angst, dass wir einen hohen Kredit nicht lange tilgen könnten, weil kein Job mehr sicher ist? Ich weiß es nicht. Aber für sehr viele von uns sieht die Sache tatsächlich so aus: Entweder es kommt Geld von den Eltern. Oder das eigene Haus, die eigene Wohnung ist ganz schnell kein Thema mehr. "

Info: Schenken in Deutschland Das große Erben (und Schenken) hat in Deutschland längst begonnen: Im laufenden Jahrzehnt wechseln unvorstellbare 2000 Milliarden (also zwei Billionen) Euro als Erbschaft oder Schenkung den Eigentümer, Tendenz steigend. Nie zuvor gab es so viel weiterzugeben - Vermögen, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem in Westdeutschland aufgebaut wurden. Es wird viel mehr vererbt als geschenkt: Nur jeder zehnte Euro vom Erbe fließt bereits zu Lebzeiten.

Das Schenken kann dem Nachwuchs Zehntausende sparen. Denn jedes vermögende Elternteil darf alle zehn Jahre bis zu 205 000 Euro an jedes seiner Kinder weitergeben, ohne dass diese Steuern darauf bezahlen müssen. Experten sagen voraus, dass Erbschaften und Schenkungen spätestens in den 20er Jahren des angebrochenen Jahrhunderts wieder deutlich kleiner werden. Der wichtigste Grund: Auch die Älteren müssen heute angesichts knapper Sozialkassen vieles aus eigener Tasche bezahlen. Zudem sind die so genannten jungen Alten (die heute 60- bis 70-Jährigen) konsumfreudiger als Gleichaltrige vor 10 oder 20 Jahren, so Prof. Meinhard Miegel vom Deutschen Institut für Altersvorsorge.

Text: Diana HelfrichFoto: Fotolia

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