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Kein Grund zum Jammern!

Keine Arbeit? Keinen Partner? Schlecht drauf? Krise mit über 50 muss nicht sein! Das Alter ist kein Grund, sich keine Mühe mehr zu geben. Jammern hilft nicht weiter.

Erst neulich habe ich es wieder in einer Frauenrunde gehört: Ab 50 will uns keiner mehr, kein Mann, keine Firma. Ach wirklich? Rund 15 Millionen Frauen in Deutschland sind über 50 Jahre alt. Das sollen alles alte Mauerblümchen sein? Traurige Gestalten, die eher die Chance haben, mit dem Flugzeug abzustürzen, als einen Mann oder einen Job zu ergattern? Das glaube ich nicht!

Für mich - ich bin längst 50 geworden - steht fest: Das eigene Alter ist kein Grund, sich keine Mühe mehr zu geben. Dem Ruf des Sofas und der Marzipanpralinen nachzugeben. Die Verantwortung für Frust und Tatenlosigkeit auf andere zu verlagern, schön weit weg von sich selbst.

Jammern übers Altern stößt Jüngere ab, nicht das Datum im Personalausweis.

Es ist doch so: Wer keinen Bock auf sich selbst hat, darf sich nicht wundern, wenn andere auch keinen Bock auf ihn haben. Jammern übers Altern stößt Jüngere ab, nicht das Datum im Personalausweis. Können wir verlangen, dass die Gesellschaft uns respektiert, wenn wir selbst es nicht tun?

Unser Alter ist ein Teil von uns. Wer darüber klagt oder es nur hinter vorgehaltener Hand nuschelt, ist selbst schuld, wenn sein Geburtsjahr ein peinliches Thema wird. Es gibt Frauen, die sagen geradeheraus: "Ich bin 52!" Noch Fragen? Solche Frauen wirken niemals alt. Und es gibt immer mehr von ihnen. Vorneweg übrigens Frauen, zu deren Beruf es ge-hört, gut auszusehen, sich was zuzutrauen, Sinnlichkeit und Unabhängigkeit zu leben: TV-Ladys. Die Schauspielerin Rita Russek sagt: "Je älter man wird, desto stärker kommt man bei Männern an." Ihre Kollegin Erika Pluhar findet: "Sex wird mit den Jahren immer schöner." Schöne Vorbilder. Aber auch ohne deren Glamour ist das Leben ab 50 so bunt und prall und wild, wie wir es machen.

Über 50: Wir sind die neue Mitte

Jugendwahn war einmal. Wir sind die neue Mitte. Schon wegen der großen Zahl. Langsam, aber sicher erfassen es auch Finanzdienstleister, Werbeagenturen, Film und Fernsehen. Sie alle arbeiten fieberhaft daran, unseren Bedürfnissen gerecht zu werden. Sie haben begriffen: Wir bestreiken Rheumadecken und Seniorenteller. Wir haben dafür überproportional viele Handys und Computer, kaufen Autos. Und: Mit 50 haben wir im Schnitt noch 30 Jahre und mehr vor uns. Jetzt abzuschlaffen würde heißen, den 100-Meter-Lauf nach 50 Metern aufzugeben.

Ein bisschen Disziplin gehört schon dazu, wenn das Leben Spaß machen soll. Und Selbstvertrauen auch. In der Jugend ist das aber nicht anders. Ich behaupte, wir Fünfzigerinnen haben genauso viele oder wenige Chancen wie unsere süßen Töchter. Auch sie suchen oft noch den richtigen Job, auch sie haben vielleicht gerade keine harmonische Beziehung. Und auch sie sind nicht immer nur glücklich. Dass der größere Teil des Lebens noch vor ihnen liegt, macht ihre Sorgen nicht kleiner.

Keinen Mann? Na und? Wir können uns doch einen suchen. Klar streifen wohlwollende Männerblicke die Jüngeren öfter als uns. Aber Männer wollen nicht nur knackige Hintern und stramme Busen! Sie wollen auch Souveränität, spannende Gespräche und strahlende Augen. Niemand hat gesagt, dass diese Vorzüge mit den Jahren abhanden kommen. Im Gegenteil. Gérard Depardieu meint: "Die Libido einer 50-Jährigen ist viel interessanter als die einer 30-Jährigen." Na also. Dieser Mann hat's kapiert. Und er ist sicher nicht der einzige!

Keinen Job? Stimmt, auf dem Arbeitsmarkt wird's immer schwieriger. Aber nicht erst ab 50. Und: Fast die Hälfte der Frauen zwischen 55 und 64 sind berufstätig. Arbeitgeber besinnen sich wieder auf den Wert von Expertentum und Erfahrung.

Die Libido einer 50-Jährigen ist viel interessanter als die einer 30-Jährigen.

Was nirgendwo geschätzt wird: jammern, sich klein machen, passiv bleiben. Wer im Job gefragt sein will, muss was dafür tun. Lebenslang lernen - den Begriff kennen wir schon. Jetzt gilt es doppelt. Jetzt noch eine Fremdsprache lernen, jetzt ein Kommunikationstraining machen, jetzt investieren für den ganzen großen Rest des Lebens.

Natürlich muss es erlaubt sein, sich zurückzuziehen in die eigene kuschelige Welt, wenn die Kräfte nachlassen. Es geht nicht darum, die Jugendlichkeit ins Unendliche auszudehnen, nicht alle müssen ewig drahtig, witzig, sexy sein. Die Jungen sind es ja auch nicht immer. Aber jede muss für sich abwägen, wann sie den Anspruch aufgeben will, als begehrte, aktive Frau mitten im Leben zu stehen, zu arbeiten, zu lieben, gesehen zu werden. Wer in die eigene Attraktivität nicht investiert und zugleich ihren Verlust wütend beklagt - der hat etwas Wesentliches nicht gelernt: Verantwortung für sich zu übernehmen. Das ist jetzt natürlich doppelt wichtig.

Mit über 50 hat man die Ausgeglichenheit, die man aus der Kindheit kennt

Bald sind wir in der Mehrheit. Ab 2030 wird ein Drittel der Deutschen über 60 Jahre alt sein. Schon deswegen können wir etwas völlig Neues schaffen. Wir sind die erste Frauengeneration, die außer der Oma-Option eine Riesenpalette weiterer Handlungsmöglichkeiten haben wird. Wir können beruflich neu durchstarten, mit einer tollen Geschäftsidee eine Firma gründen oder kürzer arbeiten und dafür als Seniorinnen Kunstgeschichte studieren.

Wir können nach der Familienphase eine WG gründen, zum ersten Mal für uns ganz allein eine Wohnung anmieten, das Haus am Stadtrand verkaufen und in die City ziehen. Wir dürfen uns aus unerträglichen Ehezwängen verabschieden, mit einem anderen Mann neu anfangen, endlich an uns denken, allein verreisen oder mit Freundinnen.

Wir können Freunde unserer erwachsenen Kinder sein, ihre Musik hören, von ihnen lernen, uns von ihnen beraten lassen. Wir können Jeans und Highheels tragen und zum Fitnesstraining gehen, damit auch unser Körper jugendlich bleibt. Wir können den Enkeln unsere Rock-'n'-Roll-Platten vorspielen und ihnen von Uschi Obermaier und der Kommune 1 erzählen, wenn sie alt genug sind.

Natürlich dürfen wir auch im Schlabberpulli auf der Ofenbank sitzen, Socken stricken, Romane lesen oder auch gar nichts tun. Hauptsache, wir stehen zu uns. Bleiben uns treu. Und stecken uns hinter den Spiegel, was Erica Jong gesagt hat: "Mit 50 bekam ich die Ausgeglichenheit, die ich aus meiner Kindheit kannte, mit Dividende zurück... Nennen wir sie Gelassenheit, nennen wir sie Weisheit."

Text: Vera SandbergFoto: iStockphoto

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