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Mehr Gehalt fordern: Warum gute Vorbereitung fast alles ist

Mehr Gehalt fordern: Warum gute Vorbereitung fast alles ist
© Mayer/Getty Images/Thinkstock
Mehr Gehalt fordern: Viele Frauen scheuen davor zurück oder fangen es falsch an. BRIGITTE WOMAN-Redakteurin Christine Tsolodimos will wissen, wie es richtig geht.

Sie sitzt ganz vorn auf dem Stuhl, ist sichtlich angespannt: "Herr Müller, wir wollten ja mal über mein Gehalt reden. Sie wissen, ich bin jetzt seit zehn Jahren hier, und abgesehen von den Tariferhöhungen ist da bei mir Ginzwischen nichts passiert, und Sie wissen auch, dass meine Arbeitsbelastung ständig steigt, ich hänge fast jeden Tag zwei Stunden dran..."

Ich frage mich, wann die Frau, die offenbar vorhat, ein höheres Gehalt auszuhandeln, endlich auf den Punkt kommen will. Von der Psychologin Eva Wlodarek, die mir die Szene vorgespielt hat, will ich wissen, ob ihre Darstellung nicht reichlich übertrieben sei. Mit einem Lächeln setzt die Psychologin sich in den Stuhl gegenüber, nimmt eine selbstbewusste, entspannte Haltung ein und deutet auf den Platz, den sie eben selbst innehatte. Die Rollenverteilung ist klar: Jetzt ist sie der Chef, der mich zum Gehaltsgespräch empfängt. Leider gerate ich gleich nach der Begrüßung ins Stocken, und der Chef, alias Eva Wlodarek, nutzt die winzige Pause, um das Wort an sich zu reißen.

Während ein Monolog über die zunehmend schwierige Situation der Firma ("große Sprünge sind nicht mehr drin") und den zunehmend besorgniserregenden Zustand der Branche auf mich niederrauscht, versuche ich zunehmend verzweifelt, den Redefluss zu stoppen. "Oh - ich müsste ja schon längst in der Teamleiterrunde sein!", unterbricht "der Chef" sich schließlich selbst. "Aber schön, dass wir auf diese Art mal wieder Gelegenheit hatten, miteinander zu sprechen!" Wäre das eine echte Begebenheit, hätte ich jetzt nur noch einen Gedanken: Wie komme ich hier mit Anstand wieder raus?

"Natürlich habe ich übertrieben, aber nicht so sehr, wie Sie vielleicht vermuten" , sagt Eva Wlodarek. Die Frauen, die sich von ihr für ein Gehaltsgespräch coachen lassen, sind gut ausgebildet, hoch qualifiziert und erfolgreich, sie wirken durchaus selbstbewusst. Bei manchen ist es damit schlagartig vorbei, sobald die Psychologin sie zum "Übungs-Gehaltsgespräch" auffordert: "Da sitzt eine vor mir, die mir eben noch gelassen berichtet hat, dass sie soeben einen Großkunden in New York akquiriert hat und ihn künftig vor Ort betreuen wird. Und allein bei der Vorstellung, jetzt auch den Gegenwert für die zusätzliche Leistung einzufordern, wird sie nervös."

Es gibt kaum noch einen Beruf, den Frauen heute nicht mit derselben Selbstverständlichkeit und Professionalität ausüben, wie es Männer tun. Sie fahren Lkw, führen Unternehmen und Regierungen. Doch viele versagen, wenn es darum geht, sich zu sichern, was ihnen zusteht: die passende Position, ein angemessenes Gehalt.

"Manche halten zehn Jahre lang still, obwohl sie durchaus Chancen gehabt hätten, zumindest mal eine Prämie herauszuhandeln", sagt die Managerin Constanze Brinck*. Als Führungskraft in einem Großkonzern führt sie regelmäßig Gehaltsgespräche und will daher anonym bleiben. Was sie häufig erlebt: "Plötzlich steht eine in der Tür, ausgerechnet, wenn es der Firma gerade schlecht geht, zählt auf, welche Opfer sie seit Jahren für die Firma bringt, und will jetzt aber endlich mal mehr Geld. Solche Frauen könnte ich schütteln - sie machen wirklich alles falsch", sagt die Managerin. Wie geht es richtig, wie kann ein Gehaltsgespräch gelingen?

Das Wichtigste ist eine gute Vorbereitung, darin sind sich die Fachfrauen einig. "Ein Gehaltsgespräch ist ein Projekt, vergleichbar mit einer Bewerbung", sagt Psychologin und Coach Eva Wlodarek. "Sie sollten dafür alles parat haben, was Ihre Aussage stützt, dass Sie mehr leisten, als Ihnen vergütet wird." Ideal wären Belege, aus denen zum Beispiel hervorgeht, dass die eigene Arbeit der Firma mehr als üblich eingebracht hat - weil man ein unerwartet erfolgreiches Produkt entwickelt hat oder weil Kunden mit der Beratung und Betreuung so zufrieden waren, dass sie allein deshalb weitere Dienstleistungen gebucht haben.

Allerdings lässt sich Arbeitsleistung nur selten auf diese Art messen. Beraterin und Coach Doris Hartmann empfiehlt daher, beim Vorgesetzten gelegentlich eine Rückmeldung zu seiner Arbeit einzuholen: "Lassen Sie sich dafür aber nicht eigens einen Termin geben, sondern fragen Sie, wenn Sie eine besondere Aufgabe erledigt haben, ob der Chef das so in Ordnung fand. Auf diese Weise wird er immer mal wieder auf Sie aufmerksam, ohne dass ihn das viel Zeit kostet."

* Name geändert.

Eva Wlodarek empfiehlt, gleichzeitig über die Frage nachzudenken: Was ist Ihre Arbeit wert? Tarifverträge und die in der Branche übliche Entlohnung geben dafür Orientierung. Der "innere Preis", wie Eva Wlodarek es ausdrückt, kann von diesen Summen abweichen, er wird aber bei Menschen, die sich ernsthaft und ehrlich damit auseinandersetzen, realistisch ausfallen. Dafür sprechen die Erfahrungen von Betrieben, die ein utopisch anmutendes Modell praktizieren: Jeder bestimmt bei der Einstellung sein Gehalt selbst. Auch ohne dass es ausgesprochen wird, ist klar, dass er künftig an dem gemessen wird, was er selbst als seinen Preis festgelegt hat. Denn alle im Unternehmen kennen die Summe.

"Ein hohes Gehalt bedeutet, mehr als andere unter Beobachtung zu stehen", sagt Beraterin Doris Hartmann. Sie rät daher davon ab, grundsätzlich das Maximum zu fordern. "Wenn Sie zum Beispiel in eine Führungsposition befördert wurden und sich für die ersten Monate mit etwas weniger zufriedengeben, wird Ihnen anfangs auch mal ein Fehler machgesehen. Wenn Sie sich dagegen teuer verkauft haben, werden die Vorgesetzten Ihnen besonders auf die Finger schauen, weil sie das Gefühl haben: Die hat uns so viel gekostet, die muss jetzt aber auch gleich richtig was bringen."

Die Gedanken des Chefs vorwegnehmen: Wenn das gelingt, ist die Gehaltsverhandlung auf einem guten Weg. Wer den Zeitpunkt klug wählt - also nicht, wenn gerade anderswo Personal abgebaut wird - und geschickt argumentiert, kann Vorgesetzte als Verbündete gewinnen. Wer dagegen gleich die Geldforderung auf den Tisch knallt, erzeugt Abwehr: "Wir wollten ja mal über mein Gehalt sprechen" - ganz schlecht. "Der Chef will - oder muss - heute vor allem Kosten sparen. Allein das Wort Gehaltserhöhung setzt ihn unter Stress", sagt Constanze Brinck.

"Ich möchte mit Ihnen über die Bewertung meiner Arbeit sprechen", schlägt Doris Hartmann als Eröffnung vor. "Bewertung" klingt nicht gleich nach Geld, und das lässt für den - wahrscheinlichen - Fall, dass eine Gehaltserhöhung abgelehnt wird, die Möglichkeit offen, einen "Plan B" zu verfolgen. Wer Alternativen parat hat, sitzt nicht sprachlos da, wenn es zum Beispiel heißt: "Eins kann ich Ihnen gleich sagen: Mehr Geld gibt es nicht."

Solchen "Killersätzen" zu begegnen, besser noch, ihnen vorzubauen, fällt denen leichter, die den Chef oder die Chefin gut einschätzen können. Die zum Beispiel wissen, ob sie es mit einem "harten Hund" (will nichts geben und schlägt einem das um die Ohren) oder einem "Verständnisvollen" (will auch nichts geben, verpackt diese Botschaft aber in schöne Worte) zu tun haben.

Wenigstens ein Zugeständnis rausholen, nicht mit leeren Händen aus dem Chefbüro kommen. Das ist wichtig, um sich selbst das Gefühl zu ersparen: Der hat mich auflaufen lassen, ich bin blamiert. "Manche Vorgesetzte sind durchaus zu einem Zugeständnis zu bewegen, das den Betrieb nichts oder nur wenig kostet, der Mitarbeiterin aber womöglich genauso viel wert ist wie 100 Euro monatlich mehr auf dem Konto. Etwa die Erlaubnis, einen Tag pro Woche zu Hause zu arbeiten oder dem weit entfernt lebenden Partner zuliebe freitags früher ins Wochenende zu fahren und die noch fehlenden Arbeitsstunden an einem anderen Tag nachzuholen", sagt Managerin Brinck.

Noch besser, wenn die Chefin, der Chef von sich aus etwas vorschlägt. "Das zeigt, dass er oder sie die Mitarbeiterin schätzt und darüber nachgedacht hat, was sie zusätzlich motivieren könnte", sagt Doris Hartmann. Sie ist überzeugt: Bei der Vergütung von Arbeit geht es in erster Linie um Wertschätzung. Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, auch für das Selbstbewusstsein ist es wichtig, angemessen und gerecht entlohnt zu werden.

In einigen Konzernen gelten spezielle Vergütungssysteme, die sicherstellen sollen, dass grundsätzlich "gleiches Geld für gleiche Arbeit" gezahlt wird. Bei BMW zum Beispiel werden alle Löhne und Gehälter jährlich überprüft. Dabei werden nach einem Beurteilungssystem Punkte für verschiedene Kriterien vergeben. Wer mehr Punkte als im Vorjahr erhält, bekommt eine Erhöhung. Ein vergleichsweise gerechtes System, findet Sandra Lumpp, Führungskraft bei dem Automobilkonzern, "unter der Voraussetzung, dass Führungskräfte genau hinschauen".

Um sicherzustellen, dass geschickte Selbstdarsteller nicht unangemessen viel für sich herausholen, wird die Beurteilung durch weitere Meinungen objektiviert. Den eher Bescheidenen rät Sandra Lumpp dennoch: "Gut zu sein allein genügt nicht, ein bisschen sollte man schon dafür sorgen, dass andere es mitbekommen. Das kann sich dann auch beim Gehalt positiv auswirken."

Selbstbewusst auftreten, von Anfang an: Eine Frau, die das versäumt hat, die sich schon bei der Einstellung hat herunterhandeln lassen, holt den Rückstand vielleicht nie mehr auf - es sei denn, sie bewirbt sich woanders und fordert gleich die Summe, die zu ihrer Qualifikation und Leistung passt. Doch viele zögern, allein wegen des Gehalts diesen Schritt zu tun, wenn sie mit allem anderen - Aufgaben, Betriebsklima, Kollegen - zufrieden sind.

Es gehören zwei dazu, wenn jemand ausgebeutet wird.

"Dabei können Frauen heute alles haben: gute Arbeitsbedingungen und ein gutes Gehalt", sagt Psychologin Eva Wlodarek. Die Unternehmensberaterin und langjährige Investmentbankerin Angela Hornberg drückt es drastischer aus: "Es gehören zwei dazu, wenn jemand ausgebeutet wird. Die Frauen in Deutschland kämpfen nicht für das, was ihnen zusteht." Deshalb müssen sie im Schnitt 15 Monate arbeiten, um die Summe zu erreichen, die ihre gleichaltrigen, gleich qualifizierten männlichen Kollegen bereits nach einem Jahr erhalten. Der "Equal Pay Day" macht auf die Ungleichbehandlung aufmerksam.

Mancher Frau wäre vielleicht geholfen, wenn sie eine wie Angela Hornberg in ihr nächstes Gehaltsgespräch mitnehmen könnte. Die gebürtige Italienerin kämpft temperamentvoll für die Gleichbehandlung von Frauen, auch bei der Bezahlung. "Einige Unternehmen müssten die Gehälter aller Frauen anheben, um Gerechtigkeit herzustellen", fordert sie. Den Einwand, das könne aber teuer werden, lässt sie nicht gelten: "Sollen sie doch woanders sparen - auf Kosten der Frauen nicht mehr."

Zum Weiterlesen

Claudia Kimich: "Um Geld verhandeln. Gehalt, Honorar und Preis: So bekommen Sie, was Sie verdienen", 128 Seiten, 6,80 Euro, C.H. Beck Verlag

Martin Wehrle: "30 Minuten Gehaltserhöhung", 96 Seiten, 8,90 Euro, Gabal

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Text: Christine Tsolodimos Fotos: Mayer/Getty Images/Thinkstock Ein Artikel aus BRIGITTE woman

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