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Wenn die Kollegen nerven

Wenn die Kollegen nerven
© Ikon Images/Corbis
Mit Highheels klappern, laut telefonieren oder lachen: Kollegen können ganz schön nerven. Was dann hilft, erklärt Psychologin und Coach Regine Heiland.
Unsere Expertin
Regine Heiland coacht für Unternehmen Beschäftigte aller Hierarchiestufen und hilft beim Klären von Konflikten. Die 50-jährige Diplom-Psychologin führt das Beratungsunternehmen "Elbdialog" in Hamburg.
© Inga Sommer

BRIGITTE WOMAN: "Wenn ich sie nur höre, krieg ich zu viel": Können Sie sich vorstellen, dass eine Frau so auf ihre Kollegin reagiert?

Regine Heiland: Natürlich. Häufig berichten mir Menschen, wie sie unter einer speziellen Person an ihrem Arbeitsplatz leiden. Und oft werden als Ursache Lappalien genannt wie etwa: Sie lacht so laut, oder ihre Stöckelschuhe nerven. Dahinter steckt allerdings meist etwas ganz anderes.

BRIGITTE WOMAN: Nämlich?

Regine Heiland: Der Konflikt, den die Leidende, wie ich sie mal nenne, mit der anderen hat...

BRIGITTE WOMAN: ...und den sie nicht lösen kann?

Regine Heiland: Den sie zu lange ignoriert hat. Wenn bereits ein eigentlich harmloses Verhalten eines Menschen Aggressionen auslöst, hat sie offensichtlich schon lange geschwiegen und ihren Ärger für sich behalten.

BRIGITTE WOMAN: Wie kann man verhindern, dass es so weit kommt?

Regine Heiland: Wenn Sie in Ihrer Arbeitsumgebung, an den Menschen in Ihrer Nähe irgendetwas stört, wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie bei Veränderungen - etwa beim Umzug in neue Räume - im Vergleich zu anderen schlecht weggekommen sind, nehmen Sie das ernst und schauen Sie, ob Sie es nicht in einem passenden Augenblick ansprechen wollen und können.

BRIGITTE WOMAN: Auch bei Kleinigkeiten?

Regine Heiland: Auch dann. Die Tür im Rücken haben, dauernd von hinten angesprochen werden? Laute Telefonate der Kollegin? Will ich das aushalten, oder riskiere ich, es anzusprechen - mit der Hoffnung auf ein besseres Miteinander? Mir geht es darum, dass Sie sich diese Frage stellen und dann entscheiden, wie Sie reagieren.

BRIGITTE WOMAN: Das klingt anstrengend?

Regine Heiland: Wenn Sie sich immer wieder an den für Sie nervigen Gewohnheiten einer Kollegin abarbeiten müssen, weil Sie lange nicht gesagt haben, was Sie stört, ist das unter Umständen auf Dauer noch anstrengender.

BRIGITTE WOMAN: Es führt also kein Weg daran vorbei, sich Konflikten zu stellen?

Regine Heiland: Konflikte gehören dazu. Gelegentlich gebe ich Seminare für neu zusammengesetzte Teams. Wenn ich die Teilnehmer nach ihren Wünschen frage, sagen viele so etwas wie "ein gutes Klima" oder "harmonische Zusammenarbeit". Dann sage ich: All das ist nachvollziehbar, aber Harmonie kann man als Ziel nicht direkt ansteuern. Harmonie ist ein Abfallprodukt geklärter Konflikte.

BRIGITTE WOMAN: Wird Harmonie überschätzt?

Regine Heiland: Sie ist als Dauerzustand eine Illusion. Wo Menschen miteinander arbeiten, gibt es unterschiedliche Interessen, und dadurch entstehen Konflikte. Das ist kein Zeichen dafür, dass jemand etwas "falsch gemacht" hat. Entscheidend ist, wie Sie mit Konflikten umgehen. Im Sich-Auseinandersetzen und Streiten liegt auch die Chance, sich anzupassen an immer neue Bedingungen.

BRIGITTE WOMAN: Angenommen, die Dame mit den Stöckelschuhen ist meine neue Kollegin, und das Klackern nervt mich schon in der ersten Woche. Was tun?

Regine Heiland: Es ansprechen, ohne ein Grundsatzurteil über die optimale, einzig wahre Lautstärke abzugeben. Sonst begeben Sie sich in die Rolle der Besserwisserin und demütigen die andere unnötig. Meist ist es sinnvoll, frühzeitig etwas zu sagen. Bloß nicht anfangen, den Ärger zu schlucken und Rabattmarken zu kleben.

BRIGITTE WOMAN: Was meinen Sie denn damit?

Regine Heiland: Zumutungen lächelnd zu schlucken, im Geiste aber zu notieren: Sie donnert ja schon wieder mit diesen Schuhen die Treppen runter. Irgendwann ist das Heft voll, und, zack, wird es präsentiert: "Siehst du, was du mir antust?"

Es geht nicht um Gewinnen oder Verlieren

BRIGITTE WOMAN: Vielleicht finde ich meine Stöckelschuh-Kollegin sonst ja durchaus sympathisch.

Regine Heiland: Wunderbar. Das ist eine gute Basis für ein konstruktives Gespräch, in dem auch die kritischen Punkte benannt werden können. Schön ist, wenn es Ihnen gelingt, deutlich zu machen: Es geht nicht um gewinnen oder verlieren, um richtig oder falsch, sondern um unterschiedliche Interessen. Die eine will ihre geliebten hohen Schuhe auch im Büro tragen. Die andere will nicht mehr erschrecken, wenn ihre Kollegin die Treppe runtergeht. Beides ist verständlich und berechtigt. Ein guter Einstieg ins Gespräch könnte sein: "Vielleicht bin ich, was Lautstärke angeht, ein bisschen empfindlich, aber ich habe damit ein Problem - lass uns überlegen, was wir tun können."

BRIGITTE WOMAN: Das mag funktionieren, wenn es nur um ein Thema geht. Manche geraten allerdings aus immer neuen Anlässen aneinander. Woran liegt das?

Regine Heiland: Häufig daran, dass Menschen unterschiedliche Grundbedürfnisse haben. Eine braucht zum Beispiel Nähe zu ihren Kollegen, die andere Distanz, um sich wohl zu fühlen. Was für die eine interessiertes Nachfragen ist, empfindet die andere vielleicht schon als Grenzüberschreitung.

Grenzen setzen ist ein wichtiges Thema

BRIGITTE WOMAN: Wie äußert sich das?

Regine Heiland: Die eine kommt am Montag rein und fragt: "Jetzt erzähl doch mal: Wie war dein Wochenende? War dein Freund wieder da? Ich hatte ihn ja neulich am Telefon, scheint ein netter Typ zu sein." Der anderen ist das viel zu persönlich, und sie reagiert kurz angebunden. Schon kann es eine erste kleine Störung geben. Grenzen sind ein wichtiges Thema.

BRIGITTE WOMAN: Was sind häufige Konfliktfelder zwischen Kollegen?

Regine Heiland: Viele Konflikte entstehen, weil einer den anderen als dominant empfindet. "Er schreibt in meine Flipcharts, wenn wir zusammen Seminare geben", hat sich eine Dozentin einmal bei mir über ihren Kollegen beklagt. Als sie ihn später darauf ansprach, zeigte sich: Es war ihm nicht bewusst, dass sie sein Verhalten übergriffig finden könnte. Und weil sie nie protestiert hatte, glaubte er sogar, ihr einen Gefallen zu tun...

BRIGITTE WOMAN: ...während seine Kollegin stillschweigend ihre Rabattmarken geklebt hat, um ihm dann seine Verfehlungen gesammelt vorzuhalten. Ist das "typisch Frau", verhalten Männer sich anders?

Regine Heiland: Viele Frauen haben in ihrer Herkunftsfamilie eher gelernt, sich für ein harmonisches Miteinander zu engagieren, sich anzupassen und eigene Wünsche zurückzustellen. Das kann schon bewirken, dass es ihnen etwas schwerer fällt als vielen Männern, die schwierigen Punkte in einer Beziehung anzusprechen. Zu lange warten, zu heftig reagieren - beides kann dazu führen, dass gar kein Gespräch mehr möglich ist.

BRIGITTE WOMAN: Und was dann?

Regine Heiland: Dann wird der Konflikt zur Chefsache. Wenn Mitarbeiter einen Konflikt nicht allein lösen können, ist die Führungskraft gefragt. Konflikte, die unbehandelt weiterschwelen, breiten sich aus: Die Beteiligten reden nicht mehr miteinander, aber übereinander. Jede zieht womöglich weitere Personen ins Vertrauen, auch aus anderen Abteilungen...

Es ist günstig, Störungen des Miteinanders anzusprechen, solange sie noch klein sind.

BRIGITTE WOMAN: ...und der an sich läppische Konflikt breitet sich wie ein Grippevirus aus?

Regine Heiland: Konflikte, um die sich niemand kümmert, können tatsächlich die Arbeitseffektivität einer Abteilung deutlich schmälern. Deshalb dürfen Führungskräfte Konflikte nicht ignorieren. Und es müsste selbstverständlich sein, dass Teammitglieder, die mit einem Konflikt nicht weiterkommen, sich an den Chef, an die Chefin wenden können. Die Führungskraft muss nicht selbst schlichten, aber sie muss sich für eine Klärung verantwortlich zeigen. Sie kann auch dafür sorgen, dass jemand eingeschaltet wird, etwa eine speziell geschulte Mitarbeiterin oder Beraterin.

BRIGITTE WOMAN: Was brauchen Menschen, damit alltägliche Konflikte im Beruf nicht zur Ursache ständigen Leidens werden?

Regine Heiland: Ein Grundgefühl gegenseitiger Wertschätzung hilft, Konflikte mit Feingefühl und konstruktiv auszutragen, so dass sie nicht eskalieren. Und es ist günstig, Störungen des Miteinanders anzusprechen, solange sie noch klein sind. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit für ein gutes Gespräch über schwierige Dinge.

Text: Christine Tsolodimos BRIGITTE WOMAN 03/2014

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