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Blind Date mit Emily...

... und eine wunderbare Freundschaft beginnt. Eine Beziehung, die den Alltag schöner macht und durch alle Krisen trägt. Die Geschichte einer Katzenliebe.

Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß: Sie ist selbstbewusst, hat langes Haar und grüne Augen. Wenn wir uns mögen, geht sie mit mir. Und wenn nicht? Zwei Mal hatten wir schon ein Date. Beim ersten Mal kam ein Schneesturm dazwischen, beim zweiten Mal eine andere Katastrophe. Aber jetzt. Ich bin aufgeregt. Ich möchte die nächsten 15 Jahre mit ihr leben.

Die Frau, auf deren Anzeige ich geantwortet hatte, sagt: "Sie ist in der Küche." So schön hatte ich sie mir im Traum nicht vorgestellt. Sie tut so, als würde sie sich nicht für mich interessieren. Sie steht von ihrem Stuhl auf, läuft aufreizend langsam durch die Küche und springt auf die Fensterbank. Ich denke: Ich will dich, ich will dich, aber ich überfalle sie nicht mit meiner Leidenschaft. Kein Kraulen, kein blödes "Ach du Süße". Sie schaut mich arrogant an. Das mache ich auch gerne, wenn ich unsicher bin.

Als wir zu Hause angekommen sind, flitzt sie unter den Kleiderschrank. Da bleibt sie. Mein Mann und ich liegen auf dem Boden und wollen Freundschaft schließen. Keine Chance. Am Abend trinken wir Champagner und einigen uns auf den Namen Emily. Emily bleibt unsichtbar. Ich hatte mir die Liebe leichter vorgestellt.

Emily überzeugt jeden Katzenhasser vom Gegenteil.

Nach einer Woche hat Emily keine Lust mehr auf ihr Versteck sondern auf uns. Wir dürfen sie streicheln, sie macht uns klar, dass sie gerne Thunfisch und keinesfalls Nieren mag. Und alles bitte nur aus den Dosen mit der lustigen Werbung. Die andere Sorte wäre billiger gewesen. Nach einem Monat überlegt Emily, die etwa sechs Monate und eine perfekte Mischung aus Haus- und Perserkatze ist, ob sie nicht lieber ein Hund sein will. Sie läuft kleinen Bällen hinterher, apportiert Papierkügelchen und fängt mit der Disziplin Hochsprung an. Wir müssen, ach was, wir dürfen Bällchen aus Silberpapier hoch werfen und Emily fängt sie in der Luft auf. Wir werfen die Bällchen immer höher. Emily springt immer höher. Dann schafft sie es nicht mehr. Wir ermuntern sie, wie eben Eltern ihr Kind ermuntern. Aber jetzt hat Emily keine Lust mehr auf das Spiel. Sie schaut uns an, als würde sie denken: wie peinlich, diese Menschen. In Wirklichkeit will sie sich nicht beim Scheitern zuschauen lassen. Diese Taktik muss ich auch mal probieren. lassen?!

Ich finde meine Katze die Schönste, Eleganteste, Beste und was einem noch so an Superlativen einfällt. Ich erzähle allen, die es (nicht immer) hören wollen, was Emily heute und gestern wieder Wunderbares gemacht hat. Menschen, die keine Tiere haben, finden das nervig. Natürlich. All diese Eigenschaften, die man einem Tier andichtet, Blödsinn. Aber Emily überzeugt jeden Katzenhasser vom Gegenteil. Sie springt einem Freund, der Fell auf vier Beinen fürchtet, beim ersten Besuch auf den Schoß und schaut ihn so lange seelenruhig an, bis seine Angst vergeht. (Heute hat er selbst eine Katze.) Sie benimmt sich vorbildlich, wenn wir sie im Urlaub bei einer Freundin, die einen Kater hat, zur vorübergehenden Untermiete abliefern. Sobald wir aus der Tür sind, knurrt sie den Hauptmieter-Kater Furcht erregend an – haben Sie schon mal eine Perserkatze mit aufgerichtetem Fell gesehen? – und frisst ihm seinen Napf leer. Und wenn wir sie nach einer Woche wieder abholen, bestraft sie uns drei Tage lang mit Liebesentzug. Wie konntet Ihr mich bei diesem hässlichen Kater verhungern lassen!?

Katzen machen keine halben Sachen, das finde ich imponierend. Wenn ich gegen ihren Willen mit ihr schmusen will, lässt sie mich kaltblütig stehen. Wenn sie gegen meinen Willen mit mir schmusen will, springt sie auf meinen Schreibtisch und legt sich schnurrend auf die Zeitung, das Buch oder die Papiere, die ich gerade bearbeite. In Zeiten, in denen ich noch gestrickt habe, hat sie das Wollknäuel gnadenlos als Ball benutzt, damit ich mich endlich mit ihr statt mit Stricknadeln beschäftige. So viel Rücksichtslosigkeit würde ich einem Mann sehr übel nehmen. Bei meiner Katze interpretiere ich es als gelungene Verführungskunst und Willensstärke. Wirkliche Willensstärke wird erst in Krisen sichtbar. Die Krise kommt drei Jahre später.

Die Katze meines Lebens steht vor dem Bett.

Ich ziehe in eine andere Stadt, mein Mann bleibt mit Emily zurück. Wir führen eine Fernbeziehung. Nicht wirklich zum Schnurren, das Ganze. Dann hat mein Mann eine Freundin, die bei Emily einzieht und Emily nicht mag. Ich komme zu Besuch und schlafe in dem Bett, in dem ich immer geschlafen habe. Früher durfte Emily zum Schmusen in mein Bett. Also liege ich da, die Katze meines Lebens steht vor dem Bett. Ich hätte so gerne, dass sie zu mir kommt. Emily schaut das Bett an und mich. Sie weiß nicht, was sie tun soll. Früher waren das Bett und Frauchen gut. Heute ist das Bett und ein anderes Frauchen verboten. Emily möchte so gerne und sollte es sich besser gar nicht erst wieder angewöhnen. Mir geht es genau so. Darf ich sie ermuntern, zu mir zu kommen? Oder ist es dann viel schlimmer für sie, wenn ich wieder weg bin und sie keinesfalls ins Bett darf? Ich überlasse der vierbeinigen Liebe meines Lebens die Entscheidung. Sie löst das Drama der begabten Katze klug und realitätstüchtig. Sie schaut mich lange und schmusetraurig an und dann geht sie fort. Ich habe mich in vergleichbaren Situationen – Soll ich oder soll ich nicht? – schon wesentlich unreifer verhalten. Gut möglich, dass wir beide in dieser Nacht getrennt ein bisschen geheult haben, sag ich mal so.

Ein paar Monate später habe ich eine ordentliche Wohnung in der anderen Stadt gefunden und Emily zu mir geholt. Bei der langen, von ihr verhassten Autofahrt war sie so lieb, kein einziges Mal auf die Autositze zu pinkeln. Aber an einer Raststätte ist sie aus dem Auto geflitzt, ich bekam den Schock meines Lebens. Ob es Liebe war oder Angst vor den lauten Autos auf der Autobahn, weiß ich nicht. Sie hat sich jedenfalls von mir wieder einfangen lassen.

Wir haben noch neun Jahre glücklich zusammen gelebt. Mit wechselnden Gummimäuschen für sie, mit konstantem männlichen Lebensgefährten für mich, mit Katzengras auf der Fensterbank und Katzenhaaren überall. Ich habe ihr beim Tierarzt die Pfote gehalten, als ihr in Vollnarkose eine Kralle gezogen werden musste. Sie ist in Panik geraten, als ich nach einem Kreislaufkollaps Zähne klappernd im Bett lag. Dann hat sie Krankenschwester gespielt, hat sich auf mich gelegt, hat mich gewärmt und so laut geschnurrt, dass mir gar nichts anderes übrig blieb, als mich zu erholen.

Eines Tages ist sie schwer krank geworden. Emily ist nach einer Operation gestorben. Ich habe geheult, wie man dann eben heult. Manche Leute haben gesagt: "Meine Güte, es war doch nur eine Katze." Manche Menschen sind doch nur Idioten. Ich habe fast zwei Jahre gebraucht, bis ich eine andere Katze mal wieder gestreichelt habe. Meine Hände hatten immer noch das Gefühl von Emilys weichem langen Fell in Erinnerung. Meine Hände wollten keine anderen Katzen fühlen. Das hat sich geändert. Aber eine Nachfolgerin für Emily will ich bis heute nicht haben.

Text: Regina Kramer Foto: iStockphoto

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