Anzeige

"Ich liebe gute Stoffe"

Schauspielerin und Regisseurin: Das Allround-Talent Katharina Thalbach über Mode, Vetternwirtschaft, Finanz-Verbrecher und die Überflüssigkeit von Geschlechtern.

BRIGITTE-woman.de: Am 18. Januar hatte Ihre Inszenierung von "Wie es euch gefällt" in der Berliner Komödie am Kurfürstendamm Premiere – nicht Ihr erstes Shakespeare-Stück. Was fasziniert Sie so an Shakespeare?

Katharina Thalbach: Es gibt nach Gott noch jemanden, der eine Welt erschaffen hat – und das ist Shakespeare! Aber bei ihm war nicht nur am Anfang das Wort, sondern auch noch am Ende. Und eine Menge schöner Wörter dazwischen. Shakespeare ist eine Art Zuhause für mich.

BRIGITTE-woman.de: In wiefern?

Katharina Thalbach: Weil er alles auf einmal ist: Psychologe, Komiker, Dramatiker, Entertainer, Prophet. Große Liebe, große Gewalt, große Sehnsucht – alles wird extrem behandelt. Das ist für mich Volkstheater im besten Sinne.

BRIGITTE-woman.de: Warum inszenieren Sie das Stück nur mit Frauen?

Katharina Thalbach: 1993 habe ich das Stück nur mit Männern inszeniert, so wie es in der Shakespeare-Zeit üblich war, weil da ja nur Männer Schauspieler sein durften. Jetzt wollte ich mal das Gegenteil probieren und herausfinden, welche Poesie das Stück und die Geschichte hat, wenn es nur mit Frauen besetzt ist.

BRIGITTE-woman.de: Es ist total egal?

Katharina Thalbach: Es interessiert einen ab einem bestimmten Punkt einfach nicht mehr, weil nur noch die Charaktere zählen. Man steckt in einem Trottel, einem Liebhaber oder einer Hyäne, und auf einmal ist es wirklich wurscht, was der oder die zwischen den Beinen trägt.

BRIGITTE-woman.de: Sie und Ihr Ensemble standen uns ja gerade für unser Mode-Shooting Modell. Ist Ihnen Mode wichtig?

Ich finde es schön, wenn Leute sich gut anziehen.

Katharina Thalbach: Überhaupt nicht! Ich weiß nicht mal, was grade Mode ist. Aber ich liebe gute Stoffe – im doppelten Sinn. Kleidung muss sich gut anfühlen, angenehm zu tragen sein. In meinem Kleiderschrank habe ich Sachen, die 20 Jahre alt sind. Und je nach Gewichtszustand ziehe ich sie wieder an. Ich finde es sehr schön, wenn Leute sich gut anziehen. Aber für mich selbst wäre es mir am liebsten, ich hätte eine praktische Art von Uniform und müsste mir überhaupt keine Gedanken mehr machen. Ich liebe Nonnen-Trachten und finde Krankenschwestern sehr schick – so etwas hätte ich gern auch.

BRIGITTE-woman.de: Sie arbeiten immer wieder mit Ihrer Tochter Anna zusammen . . .

Katharina Thalbach: . . . weil ich sie als Schauspielerin sehr schätze! Das ist der eine Punkt. Zum anderen sind wir in einer Theaterfamilie groß geworden, da war es eigentlich immer üblich, dass man auch innerhalb der Familie miteinander gearbeitet hat.

BRIGITTE-woman.de: Fällt es Ihnen denn nicht schwer, Ihre Tochter genauso hart zu kritisieren wie jede andere Schauspielerin?

Katharina Thalbach: Man geht sogar noch etwas härter miteinander um, weil man noch härtere Ansprüche stellt. Weil man das Etikett vermeiden will, dass man Vetternwirtschaft betreibt. Anna muss sich schon besonders anstrengen . . .

BRIGITTE-woman.de: Ein frischgebackenes neues Jahr liegt vor uns, das, wie viele prophezeien, sehr hart werden wird – wie ist Ihre persönliche Prognose?

Katharina Thalbach: "Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?" – dieser Satz von Brecht hat gerade in diesen Zeiten durchaus Berechtigung, oder? Ich bin empört über die Verbrecher, die da offensichtlich am Werk waren. Der nicht ganz korrekte Kapitalismus wird vermutlich noch sehr unschöne Folgen haben, denn er ist einfach unmoralisch geworden.

BRIGITTE-woman.de: Haben Sie Ihr ganzes Geld von der Bank geholt?

Katharina Thalbach: Darüber muss ich mir zum Glück keine Gedanken machen. Ich habe keinen Besitz, außer dem geistigen – und den kann mir keiner nehmen.

Interview: Claudia Thesenfitz<br/><br/>Foto: Dietrich Halemeyer

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel