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Die Neugier des Ranga Yogeshwar

Ein Ausflug in den abenteuerlichen Alltag von TV-Wissenschaftler Ranga Yogeshwar und seiner Neugier auf Leben.

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Er wohnt abgeschieden in Hennef, einem kleinen Ort in der Nähe von Köln. Ein geräumiges Arbeitszimmer mit riesigen Fenstern, durch die man ins Grüne blickt, vor einem Fenster ein großer Baum. Überall im Raum stehen Monitore herum. Yogeshwar, aus dem Fernsehen bekannt als Moderator für Wissenssendungen, zeigt auf einen Bildschirm, auf dem die Sternwarte in seinem Garten zu sehen ist - der Sternenhimmel ist seine Leidenschaft.

Ein paar Mausklicks später sieht man unter blauem Himmel eine andere Sternwarte, sie steht in Südfrankreich und gehört ebenfalls ihm. Offensichtlich ist das Wetter dort gerade besser als in Deutschland, sagt er. Da unten habe er 300 klare Nächte im Jahr. Gelegentlich fährt er hin und schaut unter südlichem Himmel in die Sterne. Wenn man ihn etwas fragt, hat Ranga Yogeshwar meist eine Antwort parat. Manchmal sagt er aber auch ganz schlicht: "Ich weiß nicht." Ungewöhnlich für einen Forscher. Beim Reden artikuliert er auffällig deutlich, fast wie aus dem Phonetik-Lehrbuch, und blickt seinen Gesprächspartner genau an. Wer tut das heute noch? Ich lege mein Aufnahmegerät auf den Tisch, Yogeshwar schaut es sich genau an, dann greift er plötzlich nach dem Kopfhörer und pult das Kabel, das völlig verheddert ist, sorgfältig auseinander.

BRIGITTE WOMAN: Vielen Dank für den Service, das hat noch keiner meiner Interviewpartner gemacht.

Ranga Yogeshwar: Bitte, bitte. Als Vater von vier Kindern kenne ich solche Kabel-Knäuel. Und ich weiß, dass Kopfhörer, wenn sie pfleglich behandelt werden, länger leben.

Er nimmt meinen Kuli in die Hand, der aus Holz ist und bei dem man auf den ersten Blick nicht erkennt, wie man die Mine herausbekommt. Sehr konzentriert untersucht er den Stift. Nach kurzer Zeit hat er den Drehmechanismus durchschaut und legt den Kuli zufrieden auf den Tisch.

BRIGITTE WOMAN: Bestimmt waren Sie als Kind auch so neugierig.

Ranga Yogeshwar: Ja, ich wollte alles wissen: Warum kleben Spinnen nicht an ihrem Netz fest? Warum fallen schlafende Vögel nicht aus dem Nest? Solche Fragen haben mich immer fasziniert.

BRIGITTE WOMAN: Und woher kommt diese Neugier bei Ihnen?

Ranga Yogeshwar: Kann ich nicht genau sagen, sie war einfach immer da.

BRIGITTE WOMAN: Ihr Vater war Ingenieur und hat Ihnen bestimmt eine Menge erklärt.

Ranga Yogeshwar: Von ihm habe ich den Mut mitbekommen, Fragen zu stellen. Er ist den Sachen immer auf den Grund gegangen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir ein Segelflugzeug zusammengebaut haben. Es war ein Bausatz mit einer Montageanleitung. Mein Vater hat die Anleitung zur Seite gelegt und gesagt: Das machen wir anders, wozu habe ich Aerodynamik studiert. Er hat die Dinge nie vorgefertigt akzeptiert.

BRIGITTE WOMAN: Und Sie? Waren Sie ein eher sperriger Schüler? Oder ein pickeliger Nerd, der ewig über seinen Büchern hockte?

Ranga Yogeshwar: Weder noch. Ich habe häufig geträumt und war in meinen eigenen Welten.

BRIGITTE WOMAN: Ein Beispiel?

Ranga Yogeshwar: Wissen Sie, wie eine Stubenfliege Zucker frisst?

BRIGITTE WOMAN: Mit dem Rüssel?

Ranga Yogeshwar: Genau. Sie befeuchtet ihren Rüssel und saugt dann den Krümel an. Für so etwas konnte ich eine ungeheure Leidenschaft entwickeln und alles andere vergessen. Eine Fliege konnte mich über eine ganze Schulstunde retten.

BRIGITTE WOMAN: Vielleicht hat Ihre Neugier auch mit Ihrer Herkunft zu tun. Ihre Mutter war Künstlerin und stammt aus Luxemburg, Ihr Vater war Inder. Sie kommen aus einer Multikulti-Beziehung.

<antwort name = "Ich bin Multikulti! Ich habe die Erfahrung gemacht, dass jeder Kulturkreis seine eigenen Werte, seine eigenen Feste hat. Ein Beispiel: Der klassische indische Kalender ist an-ders als der europäische. Ich habe wie jeder Mensch einmal im Jahr Geburtstag, und plötzlich kommt meine indische Großmutter angereist und sagt: "Herzlichen Glückwunsch!"So konnte ich ein zweites Mal feiern. Ich fand es spannend, dass es immer eine Alternative gibt, dadurch waren die Dinge nie festgefahren.</antwort>

Wissenschaft zum Anfassen: Die Magneten an der Wand in Yogeshwars Haus stehen für die Planeten unseres Sonnensystems

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Er starrt auf eine Fliege, die schon länger um mich herumkreist. Ich verstehe nicht, dass Sie die Fliege nicht stört.

BRIGITTE WOMAN: Ich höre konzentriert zu.

Ranga Yogeshwar: Aber sie ist nervig! Soll ich versuchen, sie zu töten?

BRIGITTE WOMAN: Wenn Sie wollen.

Ranga Yogeshwar: Das ist allerdings nicht so einfach: Fliegenaugen bestehen aus 3000 Einzelaugen, dadurch haben Fliegen einen 360-Grad-Rundblick und können Gefahren sehr früh erkennen. Je nach der Richtung, aus der die Gefahr kommt, organisieren sie ihre Bewegungsabläufe für die Flucht.

BRIGITTE WOMAN: Ist es für Sie eigentlich auch mal anstrengend, ständig alles erklären zu wollen?

Ranga Yogeshwar: Gar nicht! Neugier kann sehr produktiv sein. Nehmen Sie den Arzt Luigi Galvani, der im 18. Jahrhundert untersucht hat, warum Froschschenkel immer noch zucken, wenn sie mit Eisen und Kupfer in Verbindung kommen, obwohl die Tiere schon tot waren. So landete Galvani auf dem Gebiet der Elektrizität. Durch seinen Mut, Neues auszuprobieren, konnte er die Wissenschaft voranbringen. Viele Forscher haben diese Portion Beharrlichkeit und Verrücktheit.

BRIGITTE WOMAN: Sie selbst haben diverse Selbstversuche gemacht. Für eine Folge von "Die große Show der Naturwunder" sind Sie die spiegelglatte Fassade des Düsseldorfer Stadttors wie ein Insekt hochgekrabbelt, zu Ihrer Ausrüstung gehörten vier Hightech-Saugnäpfe. Warum tun Sie so etwas?

Ranga Yogeshwar: Das war die allererste „Naturwunder“-Sendung. Vor Ort gab es einen Stuntman, der für mich klettern sollte. Ich wollte aber selbst ausprobieren, wie sich das anfühlt, eine senkrechte Wand hochzukrabbeln. Da ich abgesichert war, hatte ich keine Angst. Es sieht sehr spektakulär aus, ist es aber nicht. Ich war bestimmt kein Held.

BRIGITTE WOMAN: Ein anderes Mal haben Sie sich für ein Schmerz-Experiment zur Verfügung gestellt...

Ranga Yogeshwar: Ich habe in einer Klinik in München gedreht, wo eine große Schmerz-Studie gemacht wurde. Mir wurde eine Arterie punktiert, ich lag im Kernspintomografen, und es wurde genau aufgezeichnet, was durch den Schmerz in meinem Gehirn passiert. Natürlich tat es weh, aber der Naturwissenschaftler in mir sagte: Das musst du jetzt machen. Bei einem Experiment habe ich versucht, mir die Schmerzen wegzudenken. Der Arzt hat mir nicht geglaubt, dass mir das gelingt, aber man konnte es durch die Messungen bestätigen. Ich fand es schön, der Wissenschaft nützlich zu sein.

Neugier braucht Raum, damit sie sich entfalten kann

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BRIGITTE WOMAN: Ist es für Sie immer wichtig, eine Erfahrung am eigenen Leib zu machen?

Ranga Yogeshwar: Ich verstehe schlichtweg besser, was los ist. Ein Film kann das niemals ersetzen. Die Fernsehkamera bekommt nur einen Bruchteil mit, viele Details entgehen ihr. Wenn man etwas im Herzen versteht, ist das völlig anders.

BRIGITTE WOMAN: "Staunen ist der Anfang von allem", hat Aristoteles sinngemäß gesagt. Aber nicht alle Menschen sind so neugierig wie Sie.

Ranga Yogeshwar: Jeder von uns lernt die Welt kennen, erlebt zum ersten Mal Dinge ganz bewusst: der erste Vollmond, die Haut auf der heißen Milch. Man muss nur die Augen offen halten. Es gibt so viele Phänomene, die spannend sind. Ich denke, Neugier kann auch eine Haltung sein.

BRIGITTE WOMAN: Welche Rolle spielt die Erziehung?

Ranga Yogeshwar: Sicher eine große. Eltern sollten Kindern Mut machen, Neues kennen zu lernen. Wenn Kinder ständig überbehütet werden, ist das nicht gut für die Neugier. Ich kenne Kinder, die noch nie einen Baum hochgeklettert sind.

BRIGITTE WOMAN: Und mit Ihren eigenen Kindern haben Sie es natürlich ganz anders gemacht. Wenn ein toter Käfer auf dem Boden lag, wurde der sofort auseinandergenommen.

Ranga Yogeshwar: Nein! Das ist so eine Unterstellung, die ich immer wieder höre: Die Yogeshwar-Kinder sitzen ständig am Mikroskop. So war das nicht. Ich habe vor allem versucht, sie in ihren Interessen zu ermutigen. Meine Tochter ist 14 und liebt Fotografie. Ich unterstütze sie darin, aber sensibel, sonst lehnt sie es vielleicht ab.

BRIGITTE WOMAN: Neugier wecken - das klingt gut und schön. Aber wie kommt man heute gegen die vielen Trägheitsangebote an, die Fernsehen und Computerspiele liefern?

Ranga Yogeshwar: Das ist in der Tat nicht leicht. Früher gab es diese Art von Langeweile, bei der man als Kind die Knochen wachsen hören konnte. Momente, in denen einfach mal gar nichts los war. Heute leben wir in einem medialen Overkill und stopfen unsere Antennen zu...

BRIGITTE WOMAN: ...wobei Sie als Infotainer im Fernsehen ja selbst Teil dieses Overkills sind.

Ranga Yogeshwar: Das stimmt. Und ich habe zunehmend das Gefühl, dass uns das Fernsehen entmündigt. Aber noch habe ich die Leidenschaft, Informationen in diesem Medium zu vermitteln. Als ich vor 25 Jahren beim Fernsehen anfing, gab es nicht so viele Sender, kein Privatfernsehen. Für die Kids ist es heute viel schwerer, die guten Angebote herauszufiltern.

BRIGITTE WOMAN: Ist Kindheit heute überhaupt schwieriger als früher?

Ranga Yogeshwar: Ja. In meiner Kindheit konnte ich viel mehr basteln, als es die Kinder heute tun. Ich habe mit Leidenschaft mein erstes Radio gebaut und daran herumgeschraubt. Heute sind die Geräte viel perfekter, man kann nicht mehr daran herumwerkeln. In meiner Kindheit kam es immer wieder vor, dass meine Eltern nicht wussten, wo wir waren, weil wir keine Handys hatten. Heute gibt es eine Art von Dauertransparenz, Kinder sind verpflichtet, erreichbar zu sein. In meiner Kindheit in Luxemburg haben wir Seifenkisten gebaut und sind die steile Dorfstraße heruntergerast. Heute würde nach fünf Minuten die Polizei kommen und sagen, dass wir gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen.

BRIGITTE WOMAN: Sie meinen, die Neugier der Kinder wird quasi wegreglementiert.

Ranga Yogeshwar: Zum Teil schon. Wir sind in manchen Situationen überängstlich, fast paranoid.

BRIGITTE WOMAN: Woran liegt das?

Ranga Yogeshwar: Wir haben hier im Westen eine ausgeprägte Bewahrer-Mentalität entwickelt und sind bestrebt, den Level, den wir erreicht haben, um jeden Preis zu halten. Mit dem Wohlstand kommen die Verlustängste: Was wir haben, wollen wir unbedingt behalten. Wer viel hat, muss viel bewahren. Wir haben zig Versicherungen, Ernähungsregeln, Beziehungsratgeber. Wir glauben, dass wir eine Garantie fürs Paradies bekommen, wenn wir uns an das alles auch halten. Und vergessen dabei, dass uns das Leben überraschen kann - im Guten wie im Bösen.

BRIGITTE WOMAN: Was würden Sie denn empfehlen, damit wir wieder mehr zu uns selbst kommen?

Ranga Yogeshwar: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich hatte neulich den Kopf zu voll und habe mich auf unsere Terrasse gesetzt. Es regnete, ich habe die Augen zugemacht und auf die Geräusche geachtet: Wie klingen Regentropfen, wenn sie auf die Blätter der Bäume fallen? Wie klingt es, wenn sie auf dem Boden aufkommen? Es war schön, mich meiner Umgebung über das Ohr zu öffnen. Normalerweise haben wir die Tendenz, zuzumachen, um Lästiges wegzufiltern -Radio-Spots, Mails, überflüssige Verkehrsschilder. Wir sollten lernen, uns neu zu öffnen. Neugier braucht Raum, damit sie sich entfalten kann.

Ranga Yogeshwar

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wurde 1959 in Luxemburg geboren. Sein Vater war Ingenieur und stammt aus Indien, die Mutter, Künstlerin, aus Luxemburg. Bis zu seinem zehnten Lebensjahr lebte Yogeshwar in Indien, dann kehrte die Familie nach Luxem-burg zurück. Nach dem Abitur studierte er Physik und arbeitete in der Forschung.

Nach einer Auszeit, in der er ein Jahr allein durch den Himalaja wanderte, begann Yogeshwar 1986 als Wissenschaftsredakteur beim WDR. Beim Fernsehen entwickelte er verschiedene populäre Wissenschaftssendungen und tritt als Moderator auf, zum Beispiel in "Quarks & Co" oder "Wissen vor 8". Sein Buch "Sonst noch Fragen?" über die Rätsel des Alltags wurde ein Bestseller (KiWi Paperback). Yogeshwar arbeitet heute als Freiberufler, er ist verheiratet mit der Sopranistin Uschi Yogeshwar, zusammen haben sie vier Kinder.

Interview: Franziska Wolffheim Fotos: Sandra Stein

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