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Der Chaot und die Planerin

Liebe und Freiheit - das ist der Klebstoff, der das Schauspielerpaar Anna Loos und Jan Josef Liefers zusammenhält. Dazu kommt ein straffes Management, das der Dame des Hauses obliegt.

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Das Organisationskomitee tagt heute mit Aussicht. Vor den Fenstern leuchtet blau und weiß der Himmel über Berlin, zehn Stockwerke tiefer liegt der Zoo, die Fensterfront auf der anderen Seite des Raumes gestattet dem Betrachter einen Blick auf Gedächtniskirche und KDW. Drinnen in der PanAm-Lounge sitzt Anna Loos am Schminktisch und plant das Leben. Heute Abend zum Beispiel ist sie unterwegs, "da hat der Jan Kinderdienst". Jan Josef Liefers nickt. Dann, sagt Anna Loos, während ihr die Maskenbildnerin dezent die Augenbrauen nachzieht, gilt es, Karten zu organisieren für das Konzert des belgischen Sängers Milow morgen, das darf nicht vergessen werden.

Liefers brummt, Loos grinst

Ein paar Meter weiter blättert ihre PR-Agentin, die auch die von Jan Josef Liefers ist, in ihrem Kalender und rekapituliert die Termine, die für das Schauspieler- und Musikerpaar in den nächsten Wochen anstehen. Es sind mehr als genug, Anna Loos hat reichlich zu tun, weil ihre erste CD als Sängerin von Silly herauskommt, Jan Josef Liefers muss Schwedisch lernen; er dreht demnächst in Skandinavien, es ist eine internationale Produktion, die Verfilmung eines Buches von Marianne Frederiksson, eine große Sache. Liefers brummt ein bisschen. Anna Loos grinst.

Das hier ist ein Fotoshooting für BRIGITTE WOMAN. Aber nicht nur. Die Eheleute Loos und Liefers sind viel beschäftigt in ihren diversen Berufen, haben zwei gemeinsame Kinder und auch gesellschaftlich viel um die Ohren. Da muss jeder Fetzen Zeit zur Planung genutzt werden. Und man merkt sehr deutlich, wie die Rollen verteilt sind: Anna Loos ist die Chefin vom Dienst, sie behält jederzeit den Überblick und gibt die Struktur vor. Die ist ohnehin nicht so das Ding von Jan Josef Liefers. "Ich habe mich vom Konzept der Planung verabschiedet, weil ich dann nicht durchdrehe, wenn alles anders kommt", sagt er, "und es kommt immer anders. Also strukturiere ich ungern mehr als den kommenden Tag." Das lasse sich natürlich so nicht durchziehen, wenn man in einer Familie leben will, "und das will ich. Aber das Unvorhersehbare wird immer seine Faszination für mich behalten". Loos kann damit prima leben. "Wir kennen uns sehr gut und versuchen nicht, uns zu erziehen oder den anderen zu verändern", sagt sie, "mit den Schwächen und Stärken des anderen umzugehen heißt ja auch, sie zum Teil auszugleichen."

Ich mochte Annas Energie, ihre positive Art, ihre Körperlichkeit.

Seit zehn Jahren machen die beiden das schon so. Bei den Dreharbeiten zum Film "Halt mich fest" haben sie sich 1999 kennen gelernt. Eigentlich waren beide gerade so gar nicht offen für eine neue Beziehung, aber von dieser Art von Einwand lässt sich die Liebe bekanntlich nicht beeindrucken. "Ich habe Jan Josef angesehen, ihm zugehört und mich bis über beide Ohren in ihn verliebt", sagt Anna Loos. Sie war eine Sängerin in diesem Film, Liefers spielte einen Musiker, sie probten gemeinsam die Songs aus dem Film. Zwei Menschen, die miteinander Musik machen: eine ziemlich intime Situation. Jedenfalls war auch Liefers fasziniert von der blonden Frau mit der großartigen Singstimme: "Ich mochte Annas Energie, ihre positive Art, ihre Körperlichkeit", sagt er, "und dass sie gern feierte, das volle Programm. Ich dachte nur: Wann schläft diese Frau?"

Es passt zu den beiden, dass es die Kombination aus Musik und Schauspielerei war, die beide zusammengebracht hatte. Die Brandenburgerin Anna Loos hatte schon als Kind von ihrem eigenen Taschengeld eine Gesangslehrerin bezahlt. Noch vor der Öffnung der Mauer floh sie in den Westen, sang in Hamburg weiter und machte eine Schauspielausbildung. Der Dresdener Liefers, Kind einer Schauspielerin und eines Regisseurs, machte schon zu DDR-Zeiten Musik. Und hatte mit seiner Band Oblivion ein paar Jahre nach seinem Durchbruch als gesamtdeutscher Schauspieler auch als Sänger Erfolg - sein Song "Jack's Baby" aus einem Sat.1-Film schaffte es in die Charts.

Deshalb hat Liefers eine Gitarre in die PanAm-Lounge mitgebracht. Wenn in einer Liebe Musik steckt, soll man das auch auf den Bildern sehen. Also sitzt er auf einer Bank an der Wand, klimpert, mehr beiläufig, "I Am Beautiful" von Christina Aguilera, und seine Frau beginnt dazu zu singen, kraftvoll, intensiv. Liefers stimmt ein, und als ihnen irgendwann der Text ausgeht, erfinden sie einen, singen bloß Quatsch und haben Spaß dabei. Die Musik schafft solche Momente, an die ein noch so gutes Gespräch einfach nicht heranreicht.

Anna Loos und Jan Josef Liefers: Ein Paar mit Rückgrat

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Zusammen in Filmen gab es die beiden schon öfter, sie haben da keine Berührungsängste, sagt Anna Loos: "Bei uns gibt es sowieso keine klare Linie zwischen Arbeits- und Privatleben." Durch die Arbeit hätten sie sich schließlich kennen gelernt, sagt Liefers, und das sei "Grund genug, diesem Zufall zu huldigen und uns auch beruflich zu vertrauen". Aber eine gemeinsame Platte, die gab es nicht. Noch nicht, sagt Anna Loos: "Wir haben seit zehn Jahren eine Wette laufen: Wenn einer von uns beiden in den Top Ten landet, gibt es ein Duett."

Sie ist nicht weit weg davon. Seit 2006 singt sie fest bei Silly - einer Band, die in der Ikonografie des Ostrocks ganz weit oben steht. Nicht zuletzt, weil Silly mit Tamara Danz einen der charismatischen Popstars der untergegangenen Republik als Sängerin hatte. Die ist vor 14 Jahren an Brustkrebs gestorben. Loos tritt ein Erbe an, das schwerer wiegt als Bleiwesten. Aber sie tut es selbstbewusst, eigenständig und ohne Furcht. Das scheint eine der großen Qualitäten der Anna Loos zu sein: Dinge angstfrei einfach tun. Auch das hat mit ihrer Biografie zu tun. Die DDR, sagt sie, habe ihr ein Rückgrat wachsen lassen: "Ich habe dort gelernt, dass ich an meine Ideale und Träume glauben muss. Und dass dieser Glaube auch mal einen Berg versetzen kann."

Auch Liefers hat sein Rückgrat gezeigt damals. Er durfte kein Abitur machen - wegen einer schlechten Betragensnote und weil er kein Arbeiterkind war. Hätte er sich für die Armee verpflichtet, wäre das Abi möglich gewesen, aber Wehrdienst leisten mochte er nicht. An der Schauspielschule wurde er deshalb immer kritisch beäugt. Als der Gedanke, in den Westen abzuhauen, in ihm Gestalt annahm, war die Geschichte schneller. "Mir kamen die Zeit und meine Landsleute zu Hilfe, indem sie gemeinsam die DDR in die Knie zwangen", sagt Liefers.

Opfer des DDR-Regimes, sagt Liefers, seien sie beide nicht geworden, "wir haben den Untergang der Titanic gut überstanden". Ob die Identität als Ostdeutsche eine Rolle spielt in ihrem gemeinsamen Leben? Ja, sagt Anna Loos: "Wir haben dieselben Wurzeln, dieselben Empfindungen in speziellen Situationen. Es gibt eine Verbindung, das kann man nicht abstreiten." Nein, sagt Jan Josef Liefers: "Anna hat die DDR mit 16 Jahren verlassen, ich war 24, als die Mauer fiel. Unsere Identitäten sind längst weitergeschrieben worden." Sie seien, sagt er, "Deutsche, die sich in Europa am besten aufgehoben fühlen".

Haben Anna Loos und Jan Josef Liefers keine Leichen im Keller?

Und tatsächlich: Liefers ist vielleicht der erste wirklich gesamtdeutsche Schauspieler. Als seine Filmkarriere 1997 mit "Rossini" und "Knockin' on Heavens's Door" so richtig ins Rollen kam, fragte niemand nach seiner Herkunft - allein sein Talent spielte eine Rolle. Heute ist er einer der beliebtesten Schauspieler des deutschsprachigen Raumes. Mehr noch: Eigentlich findet man niemanden, der ihn nicht mag. Er ist ja auch freundlich zu jedermann, klug und oft originell, das weiß man spätestens seit seiner genialen "Tatort"-Figur des Münsteraner Gerichtsmediziners Professor Börne. Dazu die Musik, die vielen Hörbücher - Liefers tanzt auf vielen Hochzeiten, und Loos tanzt mit. Die beiden haben sogar erstaunlich wenig Berührungsängste mit dem Boulevard. Sie sind wahrscheinlich das meistgesehene Paar auf roten Teppichen und Galas, haben für jedes ihnen hingehaltene RTL-Mikrofon einen sendefähigen Satz parat. Über ihre Hochzeit 2004 berichtet unter anderem die "Bunte"; in diesem Blatt legten sie auch die Beweggründe ihrer Trauung dar: "Man erklärt die Testphase für beendet, macht Nägel mit Köpfen und steht für andere Paarungen nicht mehr zur Verfügung."

Liest man Geschichten über die beiden, fällt oft ein Wort: Traumpaar. Und dann liest man weiter und sucht nach Brüchen, nach Abgründen. Und findet nichts. Das kann zweierlei bedeuten: Entweder schaffen es Loos und Liefers perfekt, ihre Leichen im Keller zu lassen. Oder sie gehören einfach zu den wenigen Glücklichen, bei denen alles stimmt, passt, wackelt und Luft hat.

Unser größtes Projekt heißt: unser gemeinsames Leben

Das Spielen liegt den beiden ja. Aber bei aller Inszenierungskunst - auch das BRIGITTE WOMAN-Shooting ist eine Demonstration perfekter Inszenierung - wirken sie wirklich eins mit sich und der Welt an diesem Tag in Berlin. Vertraut, eingespielt, einander uneingeschränkt bewundernd. Und verschieden: Anna Loos quirlig, anpackend, ansteckend gut gelaunt. Jan Josef Liefers introvertierter, in sich ruhend. Es scheint zu funktionieren. Vielleicht auch deshalb, weil die beiden sich Freiraum gewähren, der in anderen Beziehungen eine Belastungsprobe wäre. Wie vor drei Jahren, als Liefers und sein bester alter Freund, der Schauspieler Tobias Langhoff, auf Motorrädern Südamerika durchqueren wollten - während der Weihnachtszeit, Loos hochschwanger mit dem zweiten gemeinsamen Kind. Ach was, sagt Loos, alles kein Problem: "Jan und Tobi hatten einen Traum. Und ich habe diesen Traum sehr gut verstanden", sagt sie, "für mich war es nur wichtig, dass Jan bei der Geburt unserer Tochter da ist."

Das war er dann ja auch. Es war das vierte Kind für den Schauspieler, 2002 hat Anna Loos ihre erste gemeinsame Tochter bekommen. Mit Ann Kathrin Kramer hat er seit 1997 einen Sohn, seine Tochter Paulina ist bald 22 und stammt aus seiner ersten Ehe mit der russischen Schauspielerin Alexandra Tabakowa. "Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an Paulina und Leo denke", sagt Liefers, "wenn Anna, Lilly und Lola nicht wären, würde ich dann tagelang darüber nachgrübeln, warum alles so kompliziert ist, obwohl es doch ganz einfach sein könnte. Das teile ich vermutlich mit 90 Prozent meiner Mitmenschen." Sein Familienideal, sagt Jan Josef Liefers, sei nicht neu: "Die Großfamilie, in der alle Generationen ihren Platz haben. Wir wären als Eltern ohne die Hilfe von Oma und Opa aufgeschmissen, könnten nicht so ein Pensum arbeiten, wie wir das tun, ohne dass die Kinder zu kurz kämen."

Und auch Anna Loos hat dieses Bild vor Augen, geprägt durch ihre Eltern, die bis heute glücklich verheiratet sind. "Ich komme aus einer Familie, die voller Liebe und Zusammenhalt ist", sagt sie und lässt keine Zweifel offen: So soll es sein. Ein Liefers/Loos-Clan mit Hauptsitz in Berlin-Steglitz, eine Organisation voller Emotion. Und Planungssicherheit. Am Ende muss es nämlich ganz schnell gehen: "Wir müssen unbedingt unsere Kinderfrau auslösen", verkündet Anna Loos "sie hat einen Termin."

So ist das bei Menschen, die ständig etwas um die Ohren haben, ein Film nach dem anderen drehen, Platten besingen, zwischendurch auf Bühnen stehen. Die immer irgendwelche Projekte am Laufen haben. "Aber unser größtes Projekt", sagt Anna Loos, "heißt: unser gemeinsames Leben."

Anna Loos

Anna Loos, 1970 in Brandenburg an der Havel geboren, begann ihre Karriere als Sängerin und wurde - nach ihrer Flucht in den Westen 1989 - an der Hamburger Stage School of Music, Dance und Entertainment ausgebildet. Über die Musik kam sie dann zum Film. Einem größeren Publikum bekannt wurde sie vor allem durch ihre Rollen in "Anatomie" oder "Das Mambospiel" und als "Tatort"-Assistentin Lissy. Wenn Anna Loos nicht gerade dreht oder als Frontfrau der Rockband Silly auf Tournee geht, lebt sie zusammen mit Jan Josef Liefers und den gemeinsamen Töchtern Lilly und Lola in Berlin.

Jan Josef Liefers

Jan Josef Liefers, 1964 in Dresden geboren, ging gleich nach der Wiedervereinigung ans Hamburger Thalia Theater und wurde 1997 mit zwei Rollen zum Kinostar: als neurotischer Poet in Helmut Dietls "Rossini" und als unheilbar Kranker an der Seite von Til Schweiger in "Knockin' on Heaven's Door". "Tatort"-Zuschauer lieben ihn als ebenso kompetenten wie komischen Gerichtsmediziner Karl-Friedrich Boerne. Für die Folge "Frauenflüsterer" stand er 2005 gemeinsam mit Anna Loos vor der Kamera. Für seine Arbeit wurden Jan Josef Liefers zahlreiche Preise verliehen, u. a. der Adolf-Grimme-Preis und der Bambi. Aber auch er blieb immer der Musik treu: Mit seiner Band Oblivion brachte vor kurzem das Programm "Soundtrack meiner Jugend" auf die Bühne.

Text: Stephan Bartels Fotos: Jonny Soares

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