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Annette Bening - Königin von Hollywood

Eine Hommage an Annette Bening. Sie ist ungeliftet und hat die wichtigsten Jahre einer Schauspielerin vorwiegend barfuß und schwanger verbracht.

Wie begrüßt man den Samenspender seiner Kinder, wenn man ihm zum ersten Mal begegnet? "Sie sind also Paul? Freut mich sehr", sagt Nic (Annette Bening) in ihrem jüngsten Film "The Kids Are All Right", während ihre leicht schlupflidrigen Augen Messer schleudern und ihr ohnehin schmaler Mund zum bösen Strich wird. Nic ist nämlich der Mann im Haus, sie verdient das Geld, Jules (Julianne Moore), ihre Lebenspartnerin, gibt lieber den Späthippie. Aber ihre beiden Kinder Joni und Laser wollen ihren Erzeuger kennen lernen, und so nimmt das Chaos seinen Lauf. Absolutes Highlight im "besten Familienfilm aller Zeiten" ("New York Times") ist Annette Bening, der die "LA Times" "schichtenweise Perfektion" attestiert. "Diesmal kriegt sie ihn", sagen die Kritiker und meinen den Oscar, für den sie bisher dreimal nominiert wurde. Es wird auch Zeit.

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Was auffällt an ihrem Gesicht - nichts fällt auf. Es ist ein kluges, stilles, auch in der Öffentlichkeit oft ungeschminktes Gesicht. Keine aufgespritzten Lippen, keine nach unten gerutschten Silikonpolster unter den Jochbögen, keine erstaunt aufgerissenen Kinderaugen mit gerafften Lidern. Annette Bening ist Schauspielerin, 52 Jahre alt, unverfälschte Natur, eine Gelassenheit, die sich sonst nur Meryl Streep und Helen Mirren trauen. Eitelkeit, sagt sie und meint damit die Botoxstarre von Kolleginnen, die jede Mimik unmöglich macht, sei doch wirklich das Letzte, was sie bei ihrer Arbeit behindern sollte. "Außerdem will ich doch nicht mein ganzes Leben gleich aussehen."

"Das bin ich?", fragt sich Annette Bening.

Aber natürlich ist da manchmal ein leichtes Erstaunen, wenn sie sich im Spiegel oder auf der Leinwand sieht. Die feinen Linien, die Krähenfüße, die weicher gewordene Kinnpartie. Das bin ich? Jetzt schon? "Aber dann gucke ich mir Frauen an, die 60, 70 und älter sind und die ich bewundere", sagt Bening, "und denke: So werde ich auch mal sein, wunderbar!" Es ist diese Unangestrengtheit, die Annette Bening in Hollywood zu einer Ausnahmeerscheinung macht. "Sie scheint sich nie um etwas zu bemühen, aber sie kriegt es immer", sagt Exfreund und Kollege Ned Bellamy über sie und meinte damit unter anderem ihren Ehemann Warren Beatty, mit dem sie seit 18 Jahren glücklich und völlig skandalfrei verheiratet ist und vier Kinder hat.

Wie haben Sie Ihren Mann gezähmt, Mrs. Bening?", wurde sie kürzlich von einer TV-Reporterin gefragt, und sie fragte zurück: "Gar nicht, möchten Sie etwa einen gezähmten Mann?" Wobei die Frage durchaus berechtigt ist, denn als Warren Beatty 1991 für seinen Film "Bugsy" die weibliche Hauptrolle castete, galt er als "Hollywoods aktivste Geschlechtsdrüse", was von so unterschiedlichen Frauen wie Natalie Wood, Joan Collins, Julie Christie und Madonna bestätigt wurde. Sein Charisma als Mann und seine Erfolge in Filmen wie " Bonnie and Clyde" oder "Reds" machten ihn zum begehrtesten Junggesellen Hollywoods. Annette Bening dagegen, mit damals 33 Jahren nicht mehr ganz jung, zwar Tony-nominierte Theaterschauspielerin aus New York, aber vergleichsweise filmunerfahren, schien im Vergleich zu ihm ein Mäuschen.

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"Na, wie war sie?", fragte Bugsy-Regisseur Barry Levinson, nachdem Beatty und Bening sich beim Italiener beschnuppert hatten. "Gut, ich werde sie heiraten", sagte Beatty, der - gegen seine Gewohnheit - während der Dreharbeiten nichts mit seinem Co-Star anfing. Nur am Schluss, so erzählte er in "Vanity Fair", habe er ihr "Ich würde dir am liebsten gleich ein Baby machen" ins Ohr geflüstert. Sie war einverstanden.

Gerade erst in Hollywood gestartet, blieb sie lange reduziert auf "die Frau, die Warren zähmte", ihn, den bald 60-Jährigen, zum Windelwechsler machte und sein altes Partyhaus in den Hollywood Hills mit Babys füllte. Sie trug es mit Humor. "Was darf ich Ihnen anbieten, Cola oder Brustmilch?", soll sie einen Reporter einmal gefragt haben.

Gelegentlich drehte sie ein paar Filme, in denen sie mit ihrem Mann ("Perfect Love Affair"), Harrison Ford ("In Sachen Henry") oder Michael Douglas ("Hallo, Mr. President") die liebe Frau an seiner Seite spielte. "Hast du es noch in dir?", fragte sie sich manchmal, "brennst du noch genug für deinen Beruf? Auf welches Lebenswerk wirst du im Alter mal zurückblicken?"

Annette Bening: "Meine Familie liebe ich mehr"

Fragen, die sie beschäftigten, aber nicht beunruhigten, obwohl sie die wichtigsten Berufsjahre einer Hollywoodschauspielerin vorwiegend barfuß und schwanger verbrachte. Ein Leben außerhalb des Filmbusiness, ein anderes Zentrum als der eigene Bauchnabel waren ihr immer wichtiger. "Ich liebe meinen Beruf, aber meine Familie liebe ich noch mehr", sagt sie und amüsiert sich über Frauen, die unterm Karrierekostüm die Milchpumpe anlegen.

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Dass sie Kinder wollte, wusste sie schon als Kind. Mit 13 war sie der beliebteste Babysitter San Diegos, wo sie mit ihren Eltern und ihren drei Geschwistern lebte. Hier entdeckte sie auch ihre Liebe zum Theater. Ihr Vater, ein Versicherungsvertreter, und ihre Mutter, eine Kirchenchorsängerin, unterstützten ihre Pläne, ließen sie nach San Francisco ans American Conservatory Theater ziehen, wo ihren Kollegen schon damals "diese aufregende Mischung aus Unschuld und Sexappeal" auffiel.

Annette Bening hatte schon als junge Frau eine Leichtigkeit

"Bereits als junge Frau hatte sie diese Leichtigkeit und Sicherheit auf der Bühne, die sich andere mühsam erarbeiten müssen", sagt Regisseur Steven White, mit dem sie kurz verheiratet war und jetzt befreundet ist, "sie hat Lady Macbeth und Medea in ihren Zwanzigern gespielt, das hat vor und nach ihr keine geschafft."

Ende der 80er zog sie nach New York, bekam eine Tony-Nominierung für "Coastal Disturbances" und fiel in dem kleinen Schmuddelfilm "Grifters" als kleine kriminelle Punkgöre auf. Auffallen tat sie auch Warren Beatty, der für die Rolle der "Bugsy"-Geliebten Virginia Hill eine Partnerin suchte, "die gleich stark war und mich vor allem gut aussehen ließ".

Er fand sie. Und tritt jetzt, auf den wenigen Events, die das Paar besucht, ein paar Schritte zur Seite, wenn sie kluge Sätze in Mikrofone spricht. "Ich hatte meine Zeit, jetzt ist ihre", sagt diese Geste.

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Ja, sie ist dran, längst schon hat sie sich gehäutet und ist zu einer der besten Film- und Theaterschauspielerinnen Amerikas geworden. Sie dreht wenig, aber in jedem ihrer jüngsten Filme war sie erstklassig. Die dramatische Mutterrolle ist ihre Spezialität, in "Krass" spielt sie eine erfolglose Dichterin, die ihren Sohn ihrem Therapeuten überlässt, in "Mother and Child" gibt sie ihr Baby zur Adoption frei, und nie war frustrierter Narzissmus unterhaltsamer als in "Being Julia" und "American Beauty". Dabei schlüpft die leidenschaftliche Mutter von vier Kindern ihren kaputten Filmmüttern so tief unter die Haut, dass sie verständlich und verzeihbar werden. Bei ihr gibt es keinen falschen Satz, keine falsche Bewegung, sie ist eine Meisterin der Stille, die man als Zuschauer kaum aushält, mit einem Lidzucken drückt sie ganze Tragödien aus. Der innere Kampf, nach außen kaum sichtbar, keine kann das besser als sie. Bei einem Dinner in "The Kids Are All Right" erfährt sie, dass Jules und Paul eine Affäre haben. Sie sagt nichts, ihr Gesicht alles. Wie sie das schafft? "Mit einer Mischung aus Lebenserfahrung und Fantasie", sagt sie.

Annette Bening: Erwarte das Unerwartete

Bening ruht sich nicht auf ihren Lorbeeren aus, sie verschlingt Bücherberge, sucht spannende Stoffe, gute Autoren, sie weiß, dass es meistens kleine Filme sind, in denen sie die großen Rollen spielt. "Ich mach selten Millionenprojekte, sondern Filme, für die sich Menschen blutig gekratzt und die Haare ausgerauft haben, damit sie zustande kommen."

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Ein gesegnetes Leben? Ja, aber auch ein geprüftes. Erwarte das Unerwartete. Was Menschen sich erträumen, werden die Götter enttäuschen. Ein Satz, den Annette Bening als Medea auf der Bühne schon oft gesagt und jetzt erlebt hat. Kürzlich wurde bekannt, dass Kathlyn, 18, ihre erstgeborene Tochter, seit ein paar Jahren als Mann lebt und sich Stephen Ira nennt. Als sich die Gerüchte verdichteten, sagte Bening ihre Teilnahme am Belfast-Filmfestival ab. Aber es gibt ein Foto von Stephens Graduation, auf dem sie neben ihrem Sohn steht und lacht. Im Leben, nicht im Film.

Fotos: Cinetext Text: Evelyn Holst

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