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Cecilia Bartoli und Donna Leon: Ein Fall für Zwei

Ein ungewöhnliches Projekt: Cecilia Bartoli entdeckte Arien eines mysteriösen Barock-Komponisten, und Donna Leon schrieb dazu den passenden Kriminalroman. BRIGITTE WOMAN-Autorin Carla Woter traf die beiden in Zürich.

Cecilia Bartoli und Donna Leon: Zwei Frauen, die sich verstehen

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Buongiorno!" - "Wie geht es dir, bellissima?" Sie fallen sich bühnenreif in die Arme in der Lobby des gediegenen Hotels "Eden au Lac" am Ufer des Zürichsees. Die Schriftstellerin Donna Leon, Amerikanerin, die in Venedig lebt und keines ihrer Bücher auf Italienisch übersetzen lässt. Und Cecilia Bartoli, Operndiva aus Italien, die in der Nähe von Zürich wohnt. Sie reden Italienisch miteinander, kommentieren erst mal ihre Hosenanzüge, Schuhe und Frisuren. Zwei Frauen, die sich mögen, die Spaß miteinander haben - und die unterschiedlicher kaum sein könnten. Die eine ist 70, Professorin für Literatur und sieht auch so aus: graue Haare, Brille, streng gekleidet. Bestsellerautorin, Erfinderin von Commissario Brunetti und berühmt für ihre Liebe zu Händel. Die andere ist Mitte 40, verheiratet und schafft es selbst im schlichten Hosenanzug, verführerisch auszusehen. Cecilia Bartoli versetzt Konzertsäle auf der ganzen Welt in Verzückung. Wenn sie das nicht tut, taucht sie in Musikarchive ein und erweckt vergessene Noten zum Leben.Wir sitzen in einem Séparée mit Blick auf den See. Donna Leon versorgt alle in ihrer fürsorglichen Art mit Früchten und Wasser, und Cecilia Bartoli sagt, dass sie Kuchen essen möchte. Da es keinen gibt, kann unser Gespräch beginnen:

BRIGITTE-woman.de: BRIGITTE WOMAN: Darf ich Ihnen zuerst etwas vorlesen

BEIDE: : Ja, bitte, gern.

BRIGITTE-woman.de: "Wer sich in der Opernwelt bewegt, bekommt oft zu hören, dass das Talent in der Kehle ende und es einfach nicht bis zum Hirn schaffe, auch über Cecilia Bartoli ist dieses Gerücht verbreitet worden. Man solle bloß nicht hoffen, mit ihr über anderes sprechen zu können als über Männer, Autos und Essen." Kommt Ihnen das bekannt vor?

DONNA LEON: : Ja, das habe ich geschrieben, Anfang der 90er Jahre. Ich habe Cecilia für ein Magazin interviewt und war völlig überrascht. Ich dachte, ich treffe eine Operndiva, und da stand ein Mädchen in Jeans und Turnschuhen, und ich fragte: ‚Guten Tag, ist Ms. Bartoli zu sprechen?' Sie hätten übrigens weiter vorlesen müssen. Denn sobald wir über Musik geredet haben, verwandelte sich die junge Frau in eine Musikerin, die aber auch alles über ihr Metier wusste!

BRIGITTE-woman.de: Wie fanden Sie denn diese erste Begegnung mit Donna Leon, Signora Bartoli?

CECILIA BARTOLI: : Sehr lustig. Donna schrieb, das weiß ich noch, ich sei "una ragazza simpatica", ein sympathisches Mädchen aus Rom. Das ist doch nett! Wir haben uns gleich über Händel gestritten. Darüber, ob man in seinen Arien improvisieren darf.

"Unsere Freundschaft basiert nicht darauf, dass wir uns toll finden müssen"

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BRIGITTE-woman.de: Und nach diesem Interview sind Sie Freundinnen geworden?

BARTOLI: : Ja, wir sehen uns bestimmt sechs-, siebenmal im Jahr. Was bei unseren Terminkalendern nicht gerade wenig ist. Ich mag Donna, weil Sie witzig ist, sie liebt Musik, sie versteht, wie wir Musiker ticken.

BRIGITTE-woman.de: Das ist ja fast eine Liebeserklärung, und was fällt Ihnen zu Cecilia Bartoli ein, Ms. Leon?

LEON: : Cecilia ist eine der charismatischten Menschen auf der Bühne, die ich kenne. Wenn sie lächelt, zeigt sie ungefähr 212 Zähne, und alle im Theater sind auf der Stelle in sie verliebt. Wann immer ich kann, gehe ich in ihre Konzerte. Sie singen zu hören macht mich glücklich. Wir haben gemeinsame Freunde, treffen uns zum Essen. Wir reden viel über Musik, über bestimmte Aufführungen, das ist unsere Leidenschaft.

BARTOLI: : Und ich habe schon oft für Donna gekocht. Ich hätte übrigens jetzt wirklich gern Kuchen, Aprikosenkuchen, sagte ich das schon? (Sie lacht)

LEON: : Stimmt, Cecilia kocht fantastisch. Ich sage nur Kürbisravioli, für die könnte ich sterben. Ich gebe zu, ich habe noch nicht für sie gekocht. Ich bin lieber Gast, bringe Wein, Grappa oder Parmigiano mit.

BARTOLI: : Mach's doch trotzdem mal, ich warte schon!

BRIGITTE-woman.de: Donna Leon sitzt also in Konzerten von Cecilia Bartoli, und wann haben Sie zum ersten Mal ein Buch von ihr gelesen, Ms. Bartoli?

Es entsteht eine kleine Pause. Cecilia Bartoli guckt ein bisschen ertappt, Donna Leon schaut wie eine freundliche Lehrerin, die gespannt ist auf die Frage ihrer Lieblingsschülerin.

BARTOLI: : Das ist eine harte Frage, Sie wissen ja, Donna lebt in Venedig, aber keines ihrer Bücher erscheint auf Italienisch. Das ist eine Tragödie. In 34 Sprachen, aber nicht in meiner. Alle italienischen Freunde fragen ständig: Wann werden deine Bücher übersetzt, Donna? Und sie antwortet: Nie!

LEON: : Ich will es einfach nicht. Ich will meine Ruhe haben. Basta.

BRIGITTE-woman.de: Was denken Sie, was passieren würde? Ein kleiner Massenauflauf auf dem Markusplatz?

LEON: : Vielleicht (sie grinst). Auf jeden Fall müsste ich immer viel erklären, wenn ich jemanden beim Cappuccino treffe. Ich hätte sicher ein schlechtes Gewissen, würde mich jemand fragen, ob das stimmt, was ich dichte. So bleibt es mein Fantasie-Venedig.

BARTOLI: : Ich würde gern viel mehr von Dir lesen. Aber ich gebe zu, auf Englisch oder Französisch ist es anstrengend für mich. Ich kenne ein paar Brunettis, die ich auf Französisch gelesen habe. Aber das ist nicht dasselbe.

LEON: : Ich weiß das wirklich zu schätzen, das ist nett von dir, aber nicht nötig.

BRIGITTE-woman.de: Ist das nicht ein bisschen seltsam für Sie? Sie gehen in die Oper, hören ihre Arien - und sie liest Sie nicht?

LEON: : Ehrlich gesagt, es stört mich überhaupt nicht. Cecilia mag mich, weil ich ihre Freundin bin, weil wir über Musik reden können. Und das, obwohl wir aus so unterschiedlichen Welten sind. Unsere Freundschaft basiert nicht darauf, dass sie mich toll finden muss.

BRIGITTE-woman.de: Wer von Ihnen hatte eigentlich die Idee, dass sich ein Kriminalroman und Barock-Arien gut ergänzen könnten?

BARTOLI: : Ich liebe es, in Musikarchiven zu verschwinden. Noten erzählen mir Geschichten. Das ist meine Art zu lesen, wenn Sie so wollen. Den noch unbekannten Komponisten Agostino Steffani habe ich so entdeckt. Der Mann ist die Verbindung zwischen Renaissance- und Barockmusik. Ein faszinierender Typ. Schillernd und böse. Er war Komponist, Kirchenmann, Diplomat und Spion. Und: Er beeinflusste Händel! Klar, wer mir da in den Sinn kam! Wenn ich an Händel denke, denke ich an Donna. Da hatte ich dann diese Idee, Donna könnte, wenn sie sich meine Stimme dazu vorstellt, eine Geschichte erzählen. Also habe ich sie angerufen. Und sie ging sogar ans Telefon. Was sie nicht oft macht!

LEON: : Ich liebe E-Mails, ich telefoniere nicht so gern. Nicht sehr italienisch. Jedenfalls hat mir Cecilia von diesem Steffani erzählt. Die Musik gefiel mir gut. Sein Leben weniger. Es ergab überhaupt keinen Sinn. Alles ziemlich verwirrend. Das ist immer eine gute Herausforderung für einen Schriftsteller.

BRIGITTE-woman.de: "Himmlische Juwelen", so heißt der Kriminalroman, den Sie dazu geschrieben haben. Er spielt in Venedig, aber es ist kein Brunetti. Ziemlich mutig...

LEON: : Finden Sie? Oje. Ich habe ein Jahr daran gearbeitet, und ich gebe zu, ich bin etwas nervös, wie die Leute das wohl finden: ein Buch von Donna Leon ohne Commissario Brunetti? Aber ich beruhige mich dann wieder, ich bin jetzt 70. Seit ich 60 bin, trage ich nichts Schwarzes mehr, das ist mir auch gut bekommen. Das Risiko gehe ich jetzt einfach ein.

"Bücher bringen dich zum Nachdenken, Musik vermittelt Gefühle"

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BRIGITTE-woman.de: Wie darf man sich Ihre Zusammenarbeit vorstellen? Sie sangen in Zürich in den Hörer, und Sie lasen am anderen Ende der Leitung in Venedig etwas vor?

LEON: : Nein, jeder arbeitete für sich, nur am Schluss war die Zusammenarbeit sehr konkret. Ich fragte Cecilia etwa um Rat, als ich an einer bestimmten Passage arbeitete. Da wollte ich die Gefühlslage mit einer Arie beschreiben.

BARTOLI: : Stimmt. Die Heldin des Stücks ist Musikwissenschaftlerin. Wenn ich das sagen darf, Donna beschreibt ihren Charakter sehr gut, eine leidenschaftliche Frau, die von ihrem Weg nicht so leicht abzubringen ist. Vielleicht habe ich dich da ja inspiriert?

BRIGITTE-woman.de: Was meinen Sie? Werden sich Buch und CD gemeinsam besser verkaufen? Helfen Sie sich da gegenseitig?

BARTOLI: : Das ist ungefähr so, als würde man fragen: Was ist wichtiger, das Libretto oder die Musik?

BRIGITTE-woman.de: Und was ist nun wichtiger?

LEON: : Wenn die Leute mein Buch mögen, haben sie vielleicht Lust, sich mit der Musik zu beschäftigen, was sie sonst nicht unbedingt getan hätten.

BRIGITTE-woman.de: Ihre Leser gehen eher nicht in die Oper?

LEON: : Oper, Arien, das ist für viele Musik für reiche alte Leute. Oder Snobs. Sie haben keine Lust drauf und manche sogar Angst davor. Die nehme ich ihnen gern.

BRIGITTE-woman.de: Können Sie übrigens lesen und dabei zugleich Musik hören?

BARTOLI: : Zur selben Zeit? Ausgeschlossen! Nie. LEON: Ich lese und esse gleichzeitig, das finden andere wahrscheinlich seltsam. Ich lese sehr viel, aber niemals, wenn ich Musik höre. Das geht nicht zusammen.

BRIGITTE-woman.de: Was denken Sie, was kann ein Buch, was Musik nicht schafft? Oder andersherum.

LEON: : Bücher bringen dich zum Nachdenken, Musik vermittelt Gefühle.

BARTOLI: : Genau. Musik ist eine Sprache, die jeder versteht. Man muss noch nicht mal das Alphabet kennen und kann vollkommen berührt sein.

LEON: : In unserer Familie wurde viel gelesen. Jeder saß abends in einer Ecke mit einem Buch. Wenn mir als Kind langweilig war, ging meine Mutter mit mir in die Leihbücherei. Ich sehe nicht fern, gehe nicht ins Kino. Ich lese. Manchmal denke ich, ich kenne Madame Bovary besser als meine Nachbarin.

BRIGITTE-woman.de: Wann haben Sie überhaupt Zeit zum Lesen, Signora Bartoli?

BARTOLI: : Selten. Anders gesagt: Auch wenn ich lese, dreht sich bei mir alles um Musik. Ich lese Noten, Biografien von Musikern, Libretti. Manchmal schlafe ich sogar darüber ein und werde wach - umgeben von den Büchern und Notenblättern.

LEON: : Im Bett lese ich nur Magazine. Romane muss ich komischerweise im Sitzen lesen, sonst kann ich mich nicht konzentrieren. Einen der schönsten Romane über das Singen hat übrigens der Amerikaner Richard Powers geschrieben, das Buch heißt "Der Klang der Zeit". Als ich das gelesen hatte, schrieb ich ihm einen Fanbrief. Seitdem sind wir Freunde. "Il tempo di una canzone" heißt sein Roman auf Italienisch. Manche lassen ihre Bücher ja übersetzen...

Donna Leon,

geboren 1942 in New Jersey, studierte englische Literatur in den USA, arbeitete u. a. in China, Saudi-Arabien und im Iran als Lehrerin. Seit Anfang der 80er Jahre lebt sie in Venedig. Mit 50 fing sie an zu schreiben. Vor 20 Jahren erfand sie ihren Helden Commissario Brunetti und schreibt jedes Jahr einen Krimi. Ihre Bücher werden in 34 Sprachen übersetzt - außer in Italienisch. Leons Liebe gilt der Musik, vor allem der Händels. Von ihren Honoraren unterstützt sie junge Musiker.

Cecilia Bartoli, geboren 1966 in Rom, gilt als die erfolgreichste Mezzosopranistin der Welt. Ihre Eltern waren Opernsänger. Sie wurde von ihrer Mutter unterrichtet. Als 13-Jährige riss sie aus, wollte Flamencotänzerin werden. Mit 17 ging sie aufs Konservatorium. Entdeckt und gefördert haben sie Karajan, Barenboim, Harnoncourt. Bartolis Repertoire umfasst v. a. Werke des Barock und Belcanto. Sie lebt bei Zürich und in Rom und ist künstlerische Leiterin der Salzburger Pfingstfestspiele.

Infos zu Buch, Hörbuch und CD

Donna Leon: "Himmlische Juwelen" (Ü: Werner Schmitz, 304 S., 22,90 Euro, Diogenes); Hörbuch, gelesen von Annett Rennberg (6 CDs, 29,90 Euro, Diogenes). Cecilia Bartoli: "Mission", CD, Arien von Agostino Steffani (1654-1728), 80 Min., 21 Weltpremieren, Decca. CD und Buch erscheinen gemeinsam in einem Schuber bei Decca für 39,99 Euro. Konzerttermine von Cecilia Bartoli: Oktober: 19. München, 22. Nürnberg, 25. Leipzig, 29. Berlin; November: 1. Wien, 13. Paris, 15. London, 18. Brüssel, 20. Luxemburg, 22. Köln, 25. Amsterdam, 27. Dortmund, 30. Baden-Baden Gemeinsame Auftritte von Donna Leon und Cecilia Bartoli: Buchhandlung Hugendubel, Steinweg 12, Frankfurt/M., 11. Oktober, 13-14 Uhr; lit.Cologne Spezial, Walraffplatz, WDR, 12. Oktober, 18 Uhr

Fotos: Christoph Kaminski BRIGITTE woman 11/12

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