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Warum Frauen eine spezielle Medizin brauchen

Warum Frauen eine spezielle Medizin brauchen
© Nejron Photo/shutterstock
Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Frauen brauchen eine andere Medizin als Männer. Jetzt gibt es Programme, die auf weibliche Bedürfnisse zugeschnitten sind.

Heiß ist es unter der knisternden Goldfolie, sehr heiß. Der Körper wird weich, zerfließt, wie Schokolade im Hochsommer. Nur die Atemmaske über Mund und Nase stört etwas, verhindert, dass sich auch im Kopf alles komplett auflöst. "Oxythermie" heißt dieses Verfahren, künstliches Fieber bis 39,5 Grad wird dabei erzeugt und gleichzeitig Sauerstoff zugeführt, entwickelt wurde es ursprünglich mit höherer Temperatur für die Krebstherapie. Das Immunsystem wird dadurch angekurbelt, man schwitzt stark. Entgiftung über die Haut.

"Der Körper ist eine große Mülldeponie. Je älter wir werden, desto mehr Schadstoffe aus Medikamenten, Umwelt, Essen hat er eingelagert. Dazu kommen emotionale Belastungen und Stress. Dagegen sollten wir etwas tun, wenn wir gesund und fit bleiben wollen. Vor allem wir Frauen", sagt Dr. Gabrielle Dienhart-Schneider, ärztliche Leiterin von la pura im österreichischen Gars am Kamp, dem ersten Gesundheitsresort exklusiv für Frauen in Europa. "Frauen haben andere Stressauslöser, gesundheitliche Risiken und Krankheitssymptome als Männer", so die Fachärztin für Allgemeinmedizin, Psychotherapie und Homöopathie. "Deshalb brauchen sie eine andere medizinische Betreuung, eine spezielle Gender-Medizin, auch zum Entgiften.

Frauen können nicht einfach wie "leichte Männer" behandelt werden

Unterschiede zwischen Frauen und Männern haben Ärzte und Wissenschaftler bei der Diagnose und Therapie von Krankheiten lange Zeit völlig ignoriert. Erst allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass Frauen nicht einfach wie "leichte Männer" behandelt werden können. Noch immer sind sie in Studien zur Einführung neuer Medikamente oft unterrepräsentiert, Ergebnisse werden nicht getrennt für beide Geschlechter ausgewiesen, wie Professorin Alexandra Kautzky-Willer, Gender-Medizinerin von der Medizinischen Universität Wien und wissenschaftliche Beraterin im "la pura", kritisiert.

Dabei gibt es zum Teil große Unterschiede: Gene, Hormone, Stoffwechselprozesse, Schmerz- und Stressempfindlichkeit - alles ist bei Frauen anders als bei Männern. "Wir wissen, wie ein weiblicher Organismus funktioniert, und haben unsere medizinischen Programme speziell darauf zugeschnitten", sagt Gabrielle Dienhart-Schneider. So wird zum Entgiften die F. X.-Mayr-Methode angeboten, ein besonderes Heilfasten, benannt nach seinem Begründer, einem österreichischen Kurarzt, angepasst an moderne und speziell weibliche Bedürfnisse. Statt Brötchen und Milch wie früher gibt es eine individuelle leichte Kost, nach neuesten ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen zusammengestellt und zubereitet. Ziel ist es, nicht nur den Darm zu sanieren, sondern durch ergänzende physikalische und entspannende Maßnahmen den ganzen Körper zu regenerieren. "Frauen sind durch ihr forderndes Leben oft vegetativ ständig gereizt. Sie brauchen, anders als Männer, vor allem Ruhe, Entschleunigung", betont die leitende Ärztin. "Wenn sie sich von schweren Speisen ebenso wie von 'toxischen' Menschen fernhalten und alles von sich abfallen lassen können, ist das schon ein erster Schritt, um zu entgiften - körperlich wie mental."

Sanft und gleichmäßig pumpt die Maschine, sie saugt die Haut in die kleinen gläsernen Schröpfköpfe. Mal sitzen die unterhalb der Schlüsselbeine, mal am Unterbauch, mal auf dem Rücken. Gifte und Abbauprodukte des Stoffwechsels sollen so aus den Zellen herausgezogen werden. Die Finger der Therapeutin massieren Richtung Lymphknoten. Die sollen für den Abtransport zu den Ausscheidungsorganen sorgen.

Haut, Lungen, Leber, Nieren, Darm - unser Körper hat ein perfektes System, um sich von Schadstoffen zu befreien. Physikalische Maßnahmen wie eine solche Detoxmassage unterstützen ihn bei dieser Arbeit. Ebenso wie Salzbäder und -peelings, Bewegung an der frischen Luft und Wickel für die Leber. Gerade dieses Organ braucht bei Frauen besondere Unterstützung. Ihr Leberstoffwechsel ist weniger leistungsstark als der von Männern, sie entgiften schlechter. Bestimmte Medikamente sind für sie deshalb überdosiert oder gar nicht geeignet, und bei einer Laktose- oder Fruktose-Intoleranz bekommen sie mehr Probleme. Frauen bilden auch nur halb so viel des Enzyms, das Alkohol abbaut. Dass sie weniger Wein und Bier vertragen als Männer, ist bekannt. Das bedeutet aber auch, dass sie auf Alkohol, der durch Fehlverdauung und Gärung im Darm gebildet wird, empfindlicher reagieren.

Auch die hormonellen Veränderungen im Laufe eines Frauenlebens können den Darm ungünstig beeinflussen. Sinkt der Östrogenspiegel in den Wechseljahren, wird der Darm oft träger. Da viele Frauen zu wenig trinken, leisten sie einer Verstopfung zusätzlich Vorschub. Der Stuhl gärt noch länger als nötig im Darm, die Schleimhaut wird angegriffen, sie wird durchlässiger, es kommt zum "Leaky-gut-Syndrom", zum "leckenden Darm", Fremdstoffe dringen ins Immunsystem ein. Chronische "stille" Entzündungen von geringer Intensität, im Blut nicht messbar, entstehen.

Diese "silent inflammations", wie Mediziner sie nennen, sind Wegbereiter für fast alle Zivilisationskrankheiten, für Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ebenso wie für Diabetes, rheumatische Beschwerden und Fibromyalgie. Progesteronmangel, wie er zu Beginn der Wechseljahre entsteht, begünstigt sie. "Die Franzosen sagen: 'Man gräbt sich sein Grab mit den Zähnen selbst.' Dagegen können wir etwas tun. Wer regelmäßig entgiftet, kann Krankheiten vorbeugen", sagt Gabrielle Dienhart-Schneider. "Der Darm ist die Wurzel des Menschen, das zentrale Organ, das uns ernährt. Ist er nicht in Ordnung, hat das enorme Auswirkungen auf das gesamte Wohlbefinden einer Frau."

Bei den meisten Frauen drückt der Darm auf Blase und Gebärmutter

Die Hände streichen, drücken, kneten. Erst sanft, dann zunehmend kraftvoller, zupackender graben sie sich tief in den Bauch hinein, als wollten sie ihn auswringen. Sie schieben Organe hin und her, lockern Muskeln in den Hüften, vor allem aber pressen sie den Darm energisch nach oben Richtung Rippenbögen. Bewegen soll er sich, heraus aus seiner Trägheit und zurück an seinen richtigen Platz im Körper, an den Platz, den er nur noch bei den wenigsten von uns einnimmt, den er aber braucht, um seine Arbeit gut erfüllen zu können: uns von Ballast und Abfällen des Stoffwechsels zu befreien.

"Diese Bauchbehandlung ist ein wichtiger Teil der F. X.-Mayr-Methode zur Darmsanierung. Die Intensität passe ich individuell an", sagt Dr. Alex Witasek, Präsident der Internationalen Gesellschaft der Mayr-Ärzte. Seit der Allgemeinmediziner und Arzt für manuelle Medizin im "la pura" arbeitet, hat er die Methode entsprechend erweitert: "Bei den meisten Frauen hängt der Darm herunter und drückt auf Gebärmutter und Blase. Deshalb mache ich zusätzlich spezielle Griffe aus der viszeralen Osteopathie, die die inneren Organe mobilisiert. Damit kann ich den Beckenboden besser entlasten und den Druck auf die Organe senken."

Ein Nebeneffekt: Fehlhaltungen lassen sich so oft korrigieren, Nacken- und Rückenschmerzen lindern. Denn: "Magen-Darm-Trakt, Bewegungsapparat und Psyche sind ursächlich miteinander verdrahtet", sagt Alex Witasek. "70 Prozent unserer Beschwerden kommen nicht von der eigentlichen Ursache, sondern von der Reaktion darauf." Ein herunterhängender Darm kann zum Beispiel zu einem Hohlkreuz führen, das wiederum Hartspann in der Muskulatur des oberen Rückens hervorruft; eine vorgeneigte Haltung soll entspannen, signalisiert dem Gehirn aber depressive Stimmung. Gelingt es, den Darm anzuheben und die Betroffene so wieder aufzurichten, fühlt sie sich sofort besser.

Unterstützt werden kann dieser Aufrichtungsprozess durch eine besondere physiotherapeutische Behandlung, die Unterwasser-Extensionstherapie. Dabei hängt die Patientin mit Gewichten an den Beinen in einem Ring oder einer Kopfschlinge frei im warmen Wasser. Die Wirbelsäule wird gestreckt, die Muskulatur kann mit einem Wasserstrahl effektiv massiert werden. Das fast schwerelose Schweben begünstigt das Loslassen, Entspannen. Schonhaltungen, die durch Probleme im Bauchraum entstanden sind, können sich auflösen. "Über die Körperarbeit und das körperliche Entgiften kommt auch psychisch etwas in Bewegung", sagt Mayr-Arzt Witasek. "Das begünstigt eine ganzheitliche Schau, ein Neustart ist möglich."

Zweimal im Jahr, im Frühjahr und im Herbst, jeweils acht Tage lang, empfehlen die Experten - gemäß dem eigentlichen Sinn des Wortes "Diät" -, "Ordnung im Leben zu halten", zu fasten oder maßvoll zu essen und auf alle schädigenden Einflüsse und Gifte wie Alkohol und Nikotin zu verzichten. Das ist auch zu Hause möglich. Wichtig ist jedoch, dass gerade für Frauen unbedingt Entspannung dazugehört. "Eine solche Zeit des Entgiftens, des Fastens kann ein Kick-off sein, um auf Dauer in einen gesünderen Lebensstil einzusteigen", sagt Gender-Medizinerin Alexandra Kautzky-Willer. "Einen ganzheitlichen Lebensstil, der uns im Alltag immer entgiftet. Dafür ist es nie zu spät."

Text: Monika Murphy-Witt Ein Artikel aus BRIGITTE WOMAN 03/2014

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