Anzeige

Ernährungs-Wissen Süßes Gift? Zucker in der Ernährung besser als sein Ruf

Schokokekse, Kuchen, Pralinen. Müssen wir jeder Versuchung in Sachen Ernährung widerstehen? Nein, denn Zucker ist besser als sein Ruf.

Von Geburt an sind wir auf "süß" gepolt. Doch was noch vor 200 Jahren als rares Gut in der Apotheke verkauft wurde, begegnet uns heute im Überfluss: Zucker. Höchste Zeit, mit einigen Mythen aufzuräumen - und einfach mal zu genießen.

1. Mythos: Zucker ist ein Dickmacher

Ernährungs-Wissen: Süßes Gift? Zucker in der Ernährung besser als sein Ruf
© Schwarz/iStockphoto.com

Falsch. Werden süße, kohlenhydrathaltige Nahrungsmittel verzehrt, gelangt der darin enthaltene Zucker (Glukose) ins Blut. Steigt der Blutzuckerspiegel, schüttet die Bauchspeicheldrüse das Hormon Insulin aus. "Insulin fördert Aufbauprozesse, also auch die Einlagerung von Fett", sagt Professorin Ursel Wahrburg, Ernährungs- wissenschaftlerin an der Fachhochschule Münster. Allerdings: "Eine Fetteinlagerung findet nur statt, wenn man über den Tag hinweg mehr Kalorien aufgenommen hat, als man verbraucht." Zucker bringt zwar viele Kalorien mit sich. Ist die Energiebilanz aber ausgeglichen, kann das ausgeschüttete Insulin kein Fett speichern. Man darf sich also ruhig ab und zu eine Marzipankartoffel oder eine Praline gönnen. Gefährlicher ist ein übermäßiger Verzehr süßer Getränke. "Wer regelmäßig Softdrinks trinkt, wird, wie Studien zeigen, deutlich häufiger übergewichtig", erklärt Professor Hans Hauner, Leiter des Zentrums für Ernährungsmedizin an der TU München.

Hauptgrund dafür ist, dass diese Getränke kaum sättigen und die Kalorienzufuhr pro Tag insgesamt steigt. Das zeigte eine Übersichtsstudie der amerikanischen Yale-Universität. "Ist der Zucker in einer Mischmahlzeit enthalten, steigt der Blutzuckerspiegel langsamer an", sagt der Diabetologe. "Dann entsteht ein längeres Sättigungsgefühl." Das Risiko, zu viel zu essen und dadurch übergewichtig zu werden, ist kleiner. Fazit: Wer seine Kalorienzufuhr im Auge behält und auf Softdrinks verzichtet, kann beim Essen auch das Dessert genießen.

2. Mythos: Zucker macht hungrig

Falsch. Dieser Mythos beruht auf der Annahme, dass durch den Verzehr von Zucker der Blutzuckerspiegel erst stark steigt und dann wieder steil abfällt, sogar unter das Ausgangsniveau. Diese "Unterzuckerung" löse dann Hunger aus. Tatsächlich bewirkt purer Zucker (etwa in einem halben Liter Cola) auf nüchternen Magen einen schnellen Blutzuckeranstieg. Insulin wird ausgeschüttet. Das Hormon schleust die Glukose aus dem Blut in die Muskelzellen und sorgt dafür, dass die Kohlenhydratspeicher in Muskeln und Leber aufgefüllt werden, dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel wieder. "Bei Gesunden dauert das etwa zwei Stunden, dann ist der Blutzucker wieder auf dem Ausgangsniveau", sagt Hans Hauner. "Dass der Blutzuckerspiegel unter das Ausgangsniveau fällt, passiert nur bei einer Minderheit, etwa bei sehr dünnen Frauen oder ehemals stark Übergewichtigen."

3. Mythos: Wer viel Zucker isst, bekommt Diabetes

Falsch. Nur bei Menschen, die eine genetische Veranlagung für Diabetes haben, kann ein hoher Zuckerkonsum direkt die Entstehung der Krankheit begünstigen. Allerdings kann sich Diabetes auch über einen "Umweg" entwickeln: durch Übergewicht. Das kann durch einen zu hohen Zuckerkonsum verursacht werden (siehe Mythos 1). "Bei Übergewichtigen verändert sich der Stoffwechsel", sagt Hans Hauner. "Dadurch werden die Zellen resistent gegen Insulin, das heißt, sie reagieren nicht mehr auf das Hormon. In der Folge kommt es zu Diabetes."

4. Mythos: Zucker kann süchtig machen

Falsch. Ein starkes Verlangen nach etwas Süßem ist keine Sucht. "Rein körperlich macht Zucker nicht süchtig", sagt Professor Christoph Klotter, Ernährungspsychologe an der Hochschule Fulda. Auf der psychologischen Ebene kann dagegen tatsächlich eine Art Abhängigkeit entstehen. Und zwar dann, wenn Süßes als Problemlöser, Trost oder Belohnung benutzt wird und es keine anderen Bewältigungsstrategien gibt. "Um das aufzulösen, ist es wichtig, für die jeweilige Situation eine Alternative zum Zucker zu finden", sagt Christoph Klotter. Statt einen Schokoriegel als süßen Seelentröster - er nennt es "Belohnung to go" - empfiehlt er zum Beispiel einen schnellen Spaziergang.

5. Mythos: Wer abends auf Zucker verzichtet, nimmt schneller ab

Falsch. Dieses inzwischen weit verbreitete Diätkonzept geht davon aus, dass ein zucker- und kohlenhydratfreies Abendessen (alle Kohlenhydrate werden zu Glukose verdaut) den Insulinspiegel niedrig hält. So sollen die Fettspeicher in der Nacht geleert werden können. "Diese Hypothese ist nicht haltbar", sagt Ursel Wahrburg. "Sie wurde bisher auch nicht wissenschaftlich untersucht." Dass manche mit dieser Methode trotzdem abnehmen, lässt sich wieder mit der Energiebilanz erklären. "Wer abends auf Brot zum Salat, Schokolade oder Chips vor dem Fernseher verzichtet, spart Kalorien ein", sagt die Ernährungswissenschaftlerin.

6. Mythos: Süßstoffe sind eine Alternative zu Zucker

Falsch. In einigen Fällen können sie zwar sinnvoll sein, zum Beispiel sind Softdrinks mit Süßstoffen die kalorienärmere Variante. Doch grundsätzlich raten Experten eher davon ab. "Studien zeigen: Der Körper holt die Kalorien, die ihm vorher durch den süßen Geschmack versprochen wurden, später nach", sagt Ernährungspsychologe Christoph Klotter. Gesundheitlich sind Süßstoffe wie Aspartam oder Acesulfam K unbedenklich, wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit nach einer erneuten Prüfung im vergangenen Jahr bestätigt hat. Das gilt auch für die inzwischen in Deutschland eingeschränkt zugelassene Stevia-Süße. Geschmacklich kann sie allerdings kaum mit Zucker mithalten. Während die Blätter der Stevia-Pflanze einen angenehmen Süßgeschmack haben, scheinen die aus ihnen gewonnenen Süßstoffe, die Stevioglycoside, gewöhnungsbedürftig zu sein. "Bei Studien mit verschiedenen Produkten hat ein Viertel der Tester alle Varianten abgelehnt", sagt der Stevia-Forscher Udo Kienle von der Uni Hohenheim. Manche beschreiben einen leicht metallisch-lakritzartigen Nachgeschmack. Der "unrunde" Geschmack ist ein grundsätzliches Süßstoff-Problem, weshalb die Stoffe meist kombiniert eingesetzt werden.

7. Mythos: Wenn auf einer Packung "zuckerfrei" steht, ist auch kein Zucker drin

Falsch. Mit "Zucker" ist in diesem Fall Haushaltszucker gemeint. Dass Bonbons, Kaugummis oder Schokoküsse trotzdem süß sind, erreichen die Hersteller mit Süßstoffen und so genannten "Zuckeraustauschstoffen". Das ist entweder Fruchtzucker, der genauso viele Kalorien enthält wie Haushaltszucker, oder einer der "Zuckeralkohole". Darunter fallen Sorbit, Xylit oder Maltit. Diese enthalten etwa halb so viele Kalorien wie "normaler" Zucker, sind zahnfreundlicher, haben aber eine Nebenwirkung: Wer große Mengen (über 20 Gramm pro Tag) davon verzehrt, kann Blähungen und Durchfälle bekommen.

Wie viel Zucker darf es sein?

Höchstens zehn Prozent der täglichen Kalorienmenge sollten in Form von Zucker aufgenommen werden. Das empfehlen Ernährungsexperten wie Hans Hauner. Bei einer "Durchschnittsfrau" sind das etwa 234 Kalorien oder 58 Gramm. Das entspricht etwa 19 Würfeln Zucker. Viel wichtiger als Gramm-Rechnereien ist aber, Süßes bewusst und ohne schlechtes Gewissen zu genießen. Am besten isst man Zucker in einer Mahlzeit zusammen mit Fetten, Ballaststoffen oder Eiweißen, also beispielsweise als Dessert oder als Vollkorn-Honigbrot. Verzichten sollte man möglichst auf süße Getränke wie Limonade, Eistee, Säfte oder stark gezuckerten Tee.

Text: Katrin Steffens Foto: Schwarz/iStockphoto.com Ein Artikel aus BRIGITTE WOMAN, Heft 1/2013

Mehr zum Thema