Anzeige

Nachts um 3 in Deutschland

Nachts um 3 steht uns die Welt offen oder verlässt uns der letzte Funken Energie. Fünf Frauen mitten in der Nacht - und wie es ihnen dabei ergeht.

" Ich bin wie in Trance und trotzdem hoch konzentriert "

Für mich beginnt jetzt der beste Teil der Nacht. Die Leute haben sich richtig gut warm getanzt, sind locker, lassen sich voll und ganz auf die Musik ein. Ich kann sie durch meinen Sound wie auf einer Welle nach oben tragen und geschmeidig wieder heruntersurfen lassen. Ein mächtiges Gefühl. Manche Partygäste kreischen auf der Tanzfläche vor Ekstase. Auch ich bin dann wie in Trance und trotzdem hoch konzentriert. Erfüllt von Adrenalin, tauche ich vollkommen in die Musik ein.

Und dann? So gegen fünf Uhr morgens ist mein Auftritt meistens zu Ende. Viele Partygäste kommen dann auf mich zu und wollen sich unterhalten. Ich wäre jetzt lieber einen Augenblick für mich alleine, doch ich halte Smalltalk, weil ich nicht arrogant rüberkommen will. Kurz vor Sonnenaufgang tanze ich am liebsten selbst, auch, um dadurch langsam runterzukommen. Wenn ich dann schließlich zu Hause bin, lege ich mich zwar gleich ins Bett, aber tief und lange kann ich nicht schlafen. Gegen Mittag stehe ich auf. Der Tag ist dann gelaufen, großartig Energie, um zum Sport zu gehen oder Freunde zu treffen, habe ich nicht mehr. Im Grunde bin ich gar keine Nachteule. Im Gegenteil. Ich bin eine Schlaftüte - unter der Woche liege ich oft schon abends um neun im Bett.

Ist das denn gesund? In der Woche Frühaufsteher, am Wochenende Nachteule - das ist ein ziemlich krasser Wechsel für unsere innere Uhr. Sie ist klein wie ein Reiskorn und sitzt etwa auf Höhe der Nasenwurzel, hinter den Augen in unserem Gehirn, bringt aber unser ganzes Leben in den richtigen Rhythmus. "Unsere innere Uhr steuert ziemlich viel in unserem Körper", sagt Till Roenneberg, Professor für Chronobiologie an der Ludwig-Maximilians- Universität in München. Die Ausschüttung von Hormonen, die körperliche Fitness, das zeitliche An- und Abschalten einzelner Gene, den Blutdruck, unsere Lust auf Sex. Sie tickt etwa im 24-Stunden-Takt, ist ziemlich konservativ und geht gern zur gleichen Zeit ins Bett. Aber natürlich verzeiht sie uns auch mal durchtanzte Nächte und wenig Schlaf.

"Noch drei Stunden nicht aufstehen! - der Gedanke macht mich so glücklich"

image

Okay, ein bisschen verrückt mag meine Marotte vielleicht sein. Aber ich bin nicht allein. Die Gruppe "Ich rechne mir nachts aus, wie lange ich noch schlafen kann" hat bei StudiVZ 83.791 Mitglieder.

Ich schlafe so tief, als hätte mir jemand eine Narkosespritze verpasst, und spätestens nach zehn Sekunden Matratzenberührung bin ich weg. Das ist einfach schade. Denn dieser Augenblick, in dem der Körper ganz schwer wird, man der Müdigkeit nachgibt und sachte in den Schlaf gleitet, das ist für mich pures Glück. Ein wunderschönes Gefühl, das ich einfach gerne öfter auskosten möchte. Darum stelle ich mir nachts um drei Uhr den Wecker.

Und dann? Ich liege für ein paar Augenblicke mit offenen Augen da und spüre die Ruhe der Nacht. Das Wissen, dass ich noch mindestens drei Stunden nicht aufstehen muss, macht mich glücklich. Doch bevor ich dieses schöne Gefühl so richtig ausgekostet habe, bin ich schon wieder eingeschlafen. Leider kann ich meinem Wecker-Tick nicht allzu oft nachgehen, denn bei meinem Freund setzt das nächtliche Klingeln alles andere, aber bestimmt keine Glückshormone frei.

Ist das denn gesund? Kein Mensch schläft die ganze Nacht durch. Jeder wacht etwa vier bis fünf Mal auf, auch wenn wir das nicht merken. Ein Mal bewusst aufzuwachen, wenn man das genießt, ist daher völlig okay. Nur wer danach nicht wieder einschläft und dadurch gestresst wird, sollte sich diesen Spaß besser verkneifen. In der ersten Nachthälfte durchleben wir übrigens ziemlich viel Tiefschlaf in mehreren Abschnitten. "Eine Schlafphase dauert etwa 90 Minuten. Der Tiefschlaf ist besonders wichtig für Konzentration, Merkfähigkeit und geistige Wachheit", sagt Prof. Svenja Happe, Schlafmedizinerin aus Bremen. In der zweiten Nachthälfte, ab etwa vier Uhr, wird der Schlaf unruhiger, jetzt träumen wir viel. Aus der neuesten Schlafforschung weiß man: Diese Zeit ist besonders für unsere körperliche Fitness wichtig.

"Ich kann überall sein - am liebsten über den Wolken"

image

Thailand, Südafrika, USA - ich fliege sehr oft Langstrecke, in alle Regionen der Welt. Ein fester Schlafrhythmus ist in meinem Job nicht drin. Nachts um drei kann ich überall sein - besonders gern über den Wolken auf meiner Lieblingsstrecke, dem Nachtflug von Miami nach Düsseldorf. Wir fliegen um 17 Uhr Ortszeit in Miami los, in Deutschland ist es dann elf Uhr nachts. Vor dem Start mache ich noch ein kleines Nickerchen, dann fühle ich mich fitter. Wir kümmern uns während des Fluges um mehr als 300 Passagiere, da ist man ständig am Hin- und Herlaufen. Hier ein Glas Wasser, da eine Decke. Zwischendurch Essen servieren und Tabletts abräumen. Um drei Uhr nachts sind wir schon sechs Stunden unterwegs und überqueren gerade den Atlantik. Wir haben nur noch Nachtlicht an, viele Passagiere versuchen, etwas zu schlafen. Jetzt bleibt auch mir Zeit, mich kurz hinzusetzen, einen Tee zu trinken und ein wenig auszuruhen.

Und dann? Wir landen in Düsseldorf etwa um acht Uhr morgens. Ich bin dann seit fast 24 Stunden auf den Beinen. Am härtesten ist, dass ich jetzt noch mit dem Auto nach Hause fahren muss. Gut, dass ich nur 15 Minuten unterwegs bin. Denn durch den Schlafentzug fühle ich mich wie betrunken. Zu Hause versuche ich trotzdem, möglichst den Tag über wach zu bleiben und erst am Abend ins Bett zu gehen. Nur so komme ich wieder in den deutschen Rhythmus. Das dauert etwa ein bis zwei Tage, dann folgt auch schon wieder eine neue Schicht, und meine innere Uhr kommt erneut ins Schleudern. Ich mache diesen Job, der manchmal sehr anstrengend ist, seit drei Jahren, und ich möchte ihn nicht missen.

Ist das denn gesund? Özgül Göcer befindet sich quasi im Dauer-Jetlag. Ihr Biorhythmus ist völlig durcheinander. Der beste Weg, damit umzugehen, wenn man nur ein paar Tage in einer anderen Zeitzone ist: "Den ursprünglichen Rhythmus beibehalten, sich gar nicht an die neue Zeitzone anpassen", sagt Schlafmedizinerin Svenja Happe. Die Zeitverschiebung macht Nachtmenschen übrigens weniger zu schaffen als Frühaufstehern. Als Faustregel gilt: Pro Tag gewöhnen wir uns etwa an eine Stunde. Und: Zeitverschiebungen Richtung Osten (z. B. Japan) sind schwerer zu verkraften als gen Westen, denn ostwärts fliegen wir gegen unsere innere Uhr an.

"Jetzt bloß nicht aufwachen"

image

Ich bin ein Nachtmensch und gehe sehr spät ins Bett. Um drei Uhr stecke ich meistens mitten im Tiefschlaf. Meine Kinder (inzwischen ein und drei Jahre alt) wecken mich nur noch sehr selten um diese Zeit. Zum Glück: Denn für die Schlafqualität und die Erholung ist das leider besonders ungünstig, ausgerechnet aus dem Tiefschlaf geweckt zu werden. Der Körper ist dann voller Schlafhormone, man ist nur sehr schwer weckbar und kommt schlecht aus dem Bett.

Und dann? Wenn die Kinder um diese Zeit wach werden, etwa weil sie krank sind, dann muss ich natürlich aufstehen. Ich versuche, möglichst kein Licht zu machen. So kann ich schnell einschlafen und bin am nächsten Morgen einigermaßen ausgeruht. Und ich bekomme insgesamt genug Schlaf. Das liegt auch daran, dass ich die Schlafzeiten meiner Babys möglichst schnell wieder mit meinem Rhythmus synchronisiert habe. Für mich als Nachteule hieß das, ich habe immer das letzte Stillen so gegen ein Uhr abgewartet und bin danach gleich ins Bett. So hatte ich ziemlich schnell vier oder sogar fünf Stunden Schlaf am Stück.

Ist das denn gesund? Um am nächsten Tag einigermaßen fit zu sein, ist es nicht so wichtig, wie lange wir schlafen, sondern dass wir wenigstens drei bis vier Stunden am Stück, das heißt ohne Unterbrechungen, haben. Ansonsten ist Schlafentzug auf Dauer gar nicht gut und führt dazu, dass wir körperlich und geistig weniger leistungsfähig sind und uns gestresst fühlen. Auch die Paar-Beziehung leidet, so das Ergebnis einer amerikanischen Studie. Die gute Nachricht für Eltern kleiner Kinder: Es scheint bestimmte Schutzmechanismen zu geben, die besonders jungen Eltern helfen, für eine gewisse Zeit mit wenig Schlaf auszukommen.

Fotos: Maria Dorner und Anja Lubitz Text: Katja Töpfer Brigitte Balance 3/2011

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel