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Moor-Packung: Das Gold der Erde

Die Natur hält wohltuende und heilsame Schätze bereit. Bei der Anwendung einer Moor-Packung wird Therapie zu Wellness. BRIGITTE-woman Autorin Anne-Bärbel Köhle hat es ausprobiert.
Moor-Packung: Das Gold der Erde
© Zykov/iStockphoto.com

Da soll ich rein? Pfui Teufel! Dunkelbrauner, klumpiger Brei schießt aus einem grauen Schlauch in eine Badewanne, die mit Plastik ausgekleidet ist. 42 Grad heiß ist die Moorbrühe. 20 Minuten lang soll ich darin liegen, nackt. Das finde ich im Moment ungefähr so sexy, wie mich in einem lauwarmen Kuhfladen zu wälzen. Mein fröstelnder Körper, der schon den ganzen Tag gegen die niedrigen Temperaturen draußen ankämpft, versinkt im Moorbad. Augenblicklich werden die Glieder warm und schwer, alle Muskeln entspannen sich. Gar nicht so übel. Ich schließe die Augen, höre dem schmatzenden Geräusch der 100 Liter Moor zu, die um mich herumschwappen, und lasse endlich auch meine Hände darin versinken.

"Das schwarze Gold" - so wird im oberbayerischen Kurort Bad Aibling das Moor genannt. Schon Römer und Kelten behandelten Verletzungen mit dem braunen Matsch. In Bad Aibling, genauer gesagt im "Kurmittelhaus Egger", werden Moorbäder seit Jahrzehnten gegen noch viel mehr Malaisen eingesetzt: verspannte Muskeln und Arthrosen, Wechseljahresbeschwerden und Rheuma, unerfüllten Kinderwunsch und ein beeinträchtigtes allgemeines Wohlbefinden.

Moor hält die Wärme fünfmal länger als Wasser

Nach 20 Minuten im Moorbad, sagt der Bad Aiblinger Orthopäde Dr. Heinz Rohrer, hat sich die Körpertemperatur um etwa zwei Grad erhöht. Ein künstliches Fieber, das die Abwehrmechanismen des Organismus aktivieren soll. Dazu kommen Enzyme und hormonähnliche Substanzen im "Badetorf", die über die Haut aufgenommen werden und Körper und Nerven guttun. Ich fühle mich müde und entspannt, meine Muskeln sind so locker wie seit Wochen nicht mehr. Nachdem ich den schwarzen Schlamm sorgfältig abgeduscht habe, darf ich mich eine halbe Stunde warm zugedeckt auf einer Liege ausruhen. Nach gefühlten drei Sekunden bin ich fest eingeschlafen.

"Moor hat eine spezifische Temperaturwirkung", erklärt Oberärztin Anett Reißhauer vom Arbeitsbereich Physikalische Medizin und Rehabilitation an der Charité in Berlin. "Es hält die Wärme fünfmal länger als Wasser." Dass man sich vergleichsweise kuschelig in heißen 42 Grad aalen kann, hängt mit der zähen Beschaffenheit des Moores zusammen; die Wirkung auf der Hautoberfläche ist dadurch träger. Alles nur Einbildung, dass ich mich plötzlich so wohl fühle?

Absolut nicht. Die Heilkraft von Moor ist wissenschaftlich erwiesen, sagt Expertin Reißhauer. Etliche Untersuchungen zeigen, dass sich damit Entzündungen und Schmerzen in Gelenken lindern lassen und sich die Beweglichkeit verbessert. Moorbäder sind ein Teil der sogenannten Peloidtherapie (von griechisch pelos = Schlamm). So heißt der Überbegriff für Anwendungen mit schlammigen Substanzen wie Moor, Heilerde, Lehm und Ton. "Für Packungen mit Heilerde gibt es gute Studienergebnisse. Beschwerden bei Gelenkarthrosen und entzündlichen Hauterkrankungen wie Psoriasis, also Schuppenflechte, und Akne lassen sich damit wirkungsvoll behandeln", erläutert Anett Reißhauer. Belegt ist auch, dass Fangopackungen die Muskeln entspannen. Außerdem wirkt Heilerde ausgleichend auf alle Hauttypen. Moor zumindest auf meinen: Nach dem Bad darin fühlt sich meine schützende Hülle wie Samt an.

Wer bei chronischen Leiden dauerhaft von den günstigen Wirkungen einer Erdkur profitieren will, braucht allerdings etwas Zeit. "Mindestens zwei bis drei Wochen sollten Mooranwendungen in einem Heilbad stattfinden", sagt Mediziner Rohrer. Am besten jeden Tag. Heilerde und Fango entfalten ihre Wirkung ebenfalls oft nicht auf Anhieb.

Ein bisschen Geduld muss also sein, wenn man die Heilkräfte der Erde nutzen möchte. Auch Behandlungen mit Salz bringen keine Erfolge über Nacht, dafür aber nachhaltige Effekte. In den kalten Wintermonaten gibt es für Dr. Miriam Ortiz von der Charité Hochschulambulanz für Naturheilkunde in Berlin-Mitte keinen besseren Ort als das Tote Meer. 345 Gramm Mineralien pro Liter hat das Wasser des Sees, das ist eine Salzkonzentration von 35 Prozent. "Die Kombination von Salz und Sonnenlicht lindert sehr gut Schuppenflechte", sagt die Allgemeinmedizinerin und Naturheilkundlerin. Die Haut wird besser durchblutet, fühlt sich "glatt und weich an, wenn man im warmen Salzwasser geschwommen ist", schwärmt die Wissenschaftlerin. Schmerzhafte Gelenkerkrankungen wie Arthrose und Rheuma werden ebenfalls gelindert. Während Moor wärmt, hat Salz einen anderen Effekt: Es reizt. Nur ganz sanft, aber wirksam. Und es ist sauberer.

Auch in Deutschland wird der gesundheitliche Effekt des "weißen Goldes" genutzt, zum Beispiel in Bad Reichenhall nahe der österreichischen Grenze. Im "Kurmittelhaus der Moderne" sollen meine Schleimhäute mit Alpensole trainiert werden.

Salz reizt sanft und fördert die Durchblutung der Haut

Auf einem Stuhl sitze ich in einer Solekammer. 20 Minuten lang strömt zischend feinster Salznebel aus an der Decke hängenden Flaschen auf mich herab. Ich atme ruhig und tief, mal durch die Nase, mal durch den Mund, muss fast ein bisschen husten. Bis in die kleinsten Verästelungen meiner Bronchien scheint der Nebel zu kriechen. Zugegeben: Der Raum versprüht den Charme einer Mini-Bahnhofshalle. Aber danach habe ich das Gefühl, völlig befreit zu atmen. Menschen mit Asthma und schwerer Bronchitis lassen sich hier in der Regel eine bis drei Wochen lang behandeln. Das sei, sagt Kur- und Badearzt Dr. Wolfgang Paa, "wie ein Anschub für mehr Luft und Leben". Studien zeigen, dass sich das Befinden von Asthmatikern und Allergiepatienten nachweislich bessert. Erkältungen haben im Winter keine Chance, wenn man sich regelmäßig Soleanwendungen gönnt. Die Schleimhäute werden dadurch trainiert und krank machende Viren und Bakterien abtransportiert. Kündigt sich bereits ein Infekt ein, wirken Bäder in Sole ebenso wie in Moor aber kontraproduktiv. "Der Körper ist mit dem Wärmereiz überfordert. Das Immunsystem wird gestresst", sagt Expertin Reißhauer. Eine Erkältung kommt so erst richtig zum Ausbruch.

Natürliche Sole aus den naheliegenden Alpen fließt in Bad Reichenhall auch in die "Rupertus Therme" und versorgt in dem gigantischen Wellness- und Gesundheitstempel Solebecken und Dampfbäder. Mit ausgebreiteten Armen lasse ich mich im warmen Wasser treiben. Im Soleschwebebecken beträgt die Salzkonzentration immerhin zwölf Prozent. Träge schwappen kleine Wellen über meinen Körper, schwerelos gleite ich durchs Nass, fühle mich dabei leicht und warm und wohl. Das Salz reizt meine Haut ein wenig, fördert so die Durchblutung, ich merke es später an einem ganz leichten Brennen und einer minimalen Rötung. In einer Biodampfsauna mit Sole gönne ich auch meinen Bronchien noch einen Kurzurlaub.

Den medizinischen vom Wellness-Effekt zu trennen ist dabei nur schwer möglich. Sole tut den Schleimhäuten und Bronchien gut. Das lässt sich messen, wenn das Lungenvolumen bei Tests steigt oder die Zahl der Infekte tatsächlich zurückgeht. Dass das Schwebebad die Nerven beruhigt und wohlige Winterglücksgefühle weckt, lässt sich vermutlich nie beweisen. Aber es wirkt entspannend, baut Stress ab: Balsam für die Seele und ein sanftes, wärmendes Streicheln für mein Immunsystem. So lässt sich die Kälte draußen herrlich aussitzen.

Kurbad für zu Hause

Diese Anwendungen mit Moor und Salz lindern Alltagsbeschwerden

Mit Moor, Erde und Schlamm

Gegen Muskelverspannungen

Ein Moorbad (gibt es von verschiedenen Anbietern in Apotheken) entspannt. Das Badekonzentrat enthält wärmende Huminsäure und Mineralien. Die Badezeit soll mindestens fünf, maximal 20 Minuten dauern. Sonst trocknet die Haut aus, und Herz und Kreislauf werden belastet. Die Wassertemperatur darf nicht höher als 38 Grad sein. Vorsicht: Wer unter Bluthochdruck leidet, sollte zuvor den Arzt fragen. Nach dem Bad unbedingt eine halbe Stunde ruhen .

Gegen Gelenkschmerzen in den Fingern

Jeden Morgen mehrere Minuten eine wiederverwendbare, mit Heilschlamm gefüllte Pelosepackung (kann in der Apotheke bestellt werden) kneten. Dadurch werden die Finger wieder beweglicher.

Gegen unreine Haut

Heilerde (aus der Apotheke) mit Wasser vermischen und auf die gereinigte Haut auftragen, etwa 20 Minuten antrocknen lassen und anschließend abwaschen. Diese Paste, bis zu dreimal in der Woche angewandt, klärt und reinigt die Haut und wirkt wie ein Peeling. Danach die übliche Pflegecreme verwenden.

Gegen Durchfall

Alle zwei, drei Stunden einen Teelöffel Heilerde in einem Glas mit Wasser vermischen und trinken. Wer das Knirschen zwischen den Zähnen nicht mag, holt sich aus der Apotheke Heilerde-Tabletten.

Gegen Sodbrennen

Morgens auf leeren Magen und abends vor dem Schlafengehen ein Glas Heilerdewasser (ein Teelöffel Heilerde auf 200 Milliliter Wasser) trinken. Darin sind Silizium und Magnesium enthalten, sie binden die Magensäure.

Gegen Prellungen, Verstauchungen, Insektenstiche

Aus Heilerde und Wasser eine Paste anrühren und etwa zwei Zentimeter dick auf die schmerzende Stelle auftragen. Sobald die Paste körperwarm ist, abwaschen. Die Packung immer wieder erneuern, bis die Beschwerden nachlassen.

Mit Salz

Gegen Erkältungen

Ein Dampfbad lässt die Schleimhäute abschwellen und erleichtert das Atmen. Dafür zweimal täglich heißes Wasser und Salz (1 Esslöffel auf einen Liter, normales Haushaltssalz reicht völlig) in eine Schüssel geben. Mit einem Handtuch über dem Kopf den Dampf einatmen, bis er abgekühlt ist. Beauty-Neben-Effekt: Das Dampfbad lockert Hautschüppchen, indem es sie leicht aufquellen lässt. Deshalb anschließend ein Peeling für empfindliche Haut machen und den Teint danach mit der üblichen Pflege eincremen.

Gegen Schnupfen

Etwas gewöhnungsbedürftig, aber effektiv: Eine Salz-Nasenspülung befördert Schleim und Keime aus der Nase und verhindert, dass die Erreger in die Nebenhöhlen wandern. Einen halben Teelöffel Salz in einem Viertelliter warmem Wasser auflösen. Den Kopf schräg über das Waschbecken neigen, ein Nasenloch zuhalten, durch das andere das Salzwasser hochziehen, über den Mund wieder abfließen lassen, mit dem anderen Nasenloch wiederholen. Etwas angenehmer ist diese Prozedur mit einer Nasendusche aus der Apotheke.

Gegen extrem trockene Haut

In der Badewanne 400 Gramm Meersalz in heißem Wasser auflösen. Wer will, gibt noch ein paar Tropfen Duftöl, z. B. entspannendes Lavendelöl, dazu. Die beste Badetemperatur beträgt etwa 38 Grad (mit Thermometer kontrollieren), die Temperatur sollte nicht höher als 42 Grad sein. Nach dem Bad den Körper nur mit einem Handtuch abtupfen und ein pflegendes Öl oder eine reichhaltige Creme in die noch feuchte Haut massieren.

Text: Anne-Bärbel Köhle Foto: Zykov/iStockphoto.comBRIGITTE WOMAN 02/13

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