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Zwangsgedanken loswerden Wie kann man Zwangsgedanken endlich gehen lassen?

Zwangsgedanken loswerden: Frau denkt angestrengt nach
© fizkes / Shutterstock
Zwangsgedanken loslassen klingt leichter gesagt als getan. Wir zeigen dir Übungen und Tipps, wie Zwangsgedanken wieder zu "normalen" Gedanken werden können und wie du professionelle Unterstützung findest.

Inhaltsverzeichnis

Gedanken begleiten uns tagtäglich. Bereits nach dem Aufwachen begrüßen sie uns, tagsüber kommen und gehen sie wie die Wellen auf dem Meer und in den ruhigen Abendstunden können wir sie entweder sortieren, analysieren oder allmählich loslassen. Neben Gedanken, die uns Freude bereiten, tauchen auch immer mal wieder negative Gedanken auf. Vergessene Geburtstage, prokrastinierte To-Dos oder Zwangsgedanken. Unsere Gedanken sind eine bunte Mischung unseres Lebens und spiegeln relativ genau wider, was uns in dieser Minute beschäftigt. Gedanken sind immer bei uns, wie unser Atem. Manchmal nehmen wir sie bewusst wahr, in anderen Momenten scheinen sie Überhand über unseren Geist zu gewinnen. Das ist völlig normal.

Auch Zwangsgedanken reihen sich in unsere Gedankengänge ein und sind nicht unnormal. Wichtig ist, wie wir mit ihnen umgehen und welche Art der Aufmerksamkeit wir ihnen schenken. Wer seine Zwangsgedanken loswerden möchte, muss sie zuallererst akzeptieren – und sie von dannen ziehen lassen.

Was sind Zwangsgedanken?

Zwangsgedanken werden Gedanken genannt, die immer wieder unseren Geist entern. Sie lösen wiederholt Ängste, Panik, innere Spannungen und Unwohlsein in uns aus und können ganz unterschiedliche Inhalte haben. Wir können uns ausgeliefert fühlen, immer wieder an ein traumatisches Ereignis denken, Angst vor Erkrankungen haben oder befürchten, den Herd nicht ausgeschaltet zu haben. Zwangsgedanken schüren eine Angst in uns, diese kann in der Vergangenheit oder der Zukunft liegen.

Das belastende der Zwangsgedanken liegt darin, dass Betroffene in den meisten Fällen keine Handlung vornehmen können, um diese Zwangsgedanken zu beruhigen. Die einfachste Möglichkeit wäre, auf halbem Weg umzudrehen und nachzuschauen, ob der Herd ausgeschaltet ist. Danach kannst du wieder beruhigt in den Tag starten. Doch nicht alle Zwangsgedanken können so einfach gelöst werden.

Die meisten Zwangsgedanken liegen keiner Handlung zugrunde, sondern stehen für sich allein und können nicht einfach abgestellt werden. Genau das macht sie so belastend. Das psychische Leiden wächst, je mehr Betroffene gegen diese Gedanken ankämpfen. Eine natürliche Reaktion, doch ein befriedigendes Gefühl des Loslassens stellt sich einfach nicht ein. Anspannungen bleiben bestehen und die innere Unruhe wächst, statt sich zu mildern. Selbstanschuldigungen und Schuldzusprüche an die eigene Person verfestigen sich, wir reden uns ein, das Problem zu sein. Diese negativen Gedanken verschärfen wir mit jeder Selbstbewertung.

Diese Verhaltensweise führt zu einer automatischen Selbstsabotage, der psychische Druck und das Leiden erhöht sich exponentiell und der eigene Selbstwert schwindet.

An dieser Stelle möchten wir dich bitten, zu bewerten, wie schwer dich deine Zwangsgedanken psychisch belasten. Die folgenden Tipps und Übungen können ein Anstoß sein, mit den eigenen Zwangsgedanken umzugehen, ersetzen jedoch keine psychologische Behandlung. Sollten dich Zwangsgedanken in deinem täglichen Leben stark einschränken, empfehlen wir dir, psychologische Hilfe zu Rate zu ziehen, um gegebenenfalls eine Depression, Grübelzwänge oder depressive Episoden zu behandeln.

Der Unterschied zwischen Zwangsgedanken und "normalen" Gedanken

Zuallererst möchten wir betonen, dass auch Zwangsgedanken "normale" Gedanken sind. Es gibt keine unnormalen Gedanken. Sie lösen jedoch ein sehr intensives Gefühl in uns aus, was sie von anderen Gedanken, die täglich kommen und gehen, unterscheidet.

Wiederkehrende Gedanken, die uns zum Nachdenken anregen oder zum Handeln bringen, sind nützlich. Sie können in die Tat umgesetzt werden, woraufhin sie sich verflüchtigen. Zwangsgedanken hingegen verschwinden durch eine Handlung nicht oder nur selten.

Ganz wichtig ist es zu verstehen, dass du nicht deine Gedanken bist. Versuche, keine Rückschlüsse auf deine Person zu ziehen, sondern sie unabhängig von einer Bewertung wahrzunehmen.

Welche Arten von Zwangsgedanken gibt es?

Der britische Psychologe und Professor für klinische Psychologie, Paul Salkovskis, definierte das kognitiv-verhaltenstherapeutische Störungsmodell der Zwangsstörungen, in dem zwischen zwei Arten von Zwangsgedanken unterschieden wird: 

  1. Zwangsgedanken mit Stimulus-Charakter
  2. Zwangsgedanken mit Reaktions-Charakter
  • Zwangsgedanken mit Stimulus-Charakter entern den Geist von Betroffenen, ohne dass sie es möchten und lösen Angst- und Unruhezustände aus
  • Bei Zwangsgedanken mit Reaktions-Charakter wird eine Zwangshandlung aktiv ausgeführt, um einen Zwangsgedanken verschwinden zu lassen. Betroffene entwickeln daraus beispielsweise einen Wasch-, Putz- oder Ordnungszwang, Zählzwang oder andere ritualisierte Kontrollzwänge. Man könnte doch meinen, dass der Zwangsgedanke durch das einmalige Ausführen einer Tätigkeit für immer verschwinden kann? Das stimmt nicht. Die Angst lässt zwar kurzzeitig nach, nachdem beispielsweise kontrolliert wurde, ob das Bügeleisen vom Strom getrennt wurde oder die Hände nach dem Berühren eines schmutzigen Gegenstandes gewaschen wurden. Doch nur, da diese bestimmte Handlung ausgeführt wurde, ist laut Gedanken der Betroffenen nichts Schlimmes passiert. Durch diesen Gedankengang gewinnt die Zwangshandlung an Gewicht und Bedeutung und muss immer wieder aufs Neue ausgeführt werden.

Zwangsgedanken allein loswerden: 3 Tipps

Es gibt keinen Knopf, kein Mantra oder keine Tastenkombination, um Zwangsgedanken loszuwerden und sie aus deinem Kopf zu verbannen. Das ist auch gar nicht unser Ziel. Vielmehr sollten Zwangsgedanken wieder Teil der "normalen" Gedanken werden, die du wahrnimmst, reflektierst und wieder ziehen lässt.

1. Bewertung der Gedanken

Gedanken sind nicht gefährlich. Sie sind in unserem Kopf eine kleine Blase, die wir durch Daraufherumdenken künstlich aufblähen können. Wenn wir ihnen wenig oder keine Beachtung schenken, wird die Blase nach kurzer Zeit zerplatzen und andere, vielleicht schönere Gedanken ziehen in unserem Geist ein. Klingt in der Theorie plausibel, in der Praxis lässt sich das jedoch oft nicht sofort durchsetzen. Und das ist auch kein Problem. Das Beste ist: Wir können diese Verhaltensweise trainieren.

2. Gedanken beobachten

Eine tolle Übung dafür ist das Gedankenbeobachten. Dabei geht es darum zu lernen, dass Gedanken kommen und gehen. Wie Wolken, die am Himmel vorbeiziehen und nach einiger Zeit wieder komplett verschwinden. An manchen Tagen ist der Himmel voller Wolken, sodass wir die Sonne nicht sehen. Doch an anderen Tagen ist keine einzige Wolke zu sehen und unser Geist ist im übertragenen Sinne völlig frei.

3. Meditation

Mediation kann uns helfen, unsere Gedanken wahrzunehmen, einzuordnen und wieder gehen zu lassen. Sie sind nichts Bedrohliches. Wie eine Filmszene, die dir Angst machen kann, dich aber körperlich nicht bedroht. Beobachte deine Gedanken wie einen Film, der keine Auswirkungen auf deine Gesundheit hat. Die Meditationsübung des Gedankenbeobachtens kannst du jederzeit durchführen. Wenn du Zwangsgedanken verspürst, entspannt bist oder den Tag in völliger Ruhe abschließen möchtest.

Setze dich dafür gerade auf die Kante eines Möbelstücks oder lege dich auf den Boden. Wenn du ein Meditationskissen hast, setze dich in deinem favorisierten Sitz darauf. Der Rücken ist gerade, deine Arme und Beine entspannt. Wenn du möchtest, kannst du deine Augen schließen oder deinen Blick verschwimmen lassen. Was nimmst du äußerlich wahr? Geräusche, Gerüche, eine angenehme Temperatur um dich herum? Wende den Blick danach nach innen. Was nimmst du in dir wahr? Alles darf da sein, du brauchst nichts zu verändern. Registriere es einfach nur. Welche Gedanken tauchen auf? Tauchen überhaupt welche auf? Nimm sie wahr und lasse sie wieder ziehen. Wie Wellen auf dem Meer, Wolken am Himmel oder Schneeflocken, die sich auf dem Boden verflüchtigen. Alle Gedanken sind willkommen. Versuche, sie zu beobachten, anzunehmen und wieder gehen zu lassen. Fällt es dir schwer, einen bestimmten Gedanken loszulassen? Das ist kein Problem, manchmal dauert es ein wenig länger. Diese Übung solltest du zu Beginn für nicht länger als drei Minuten durchführen. Steigere dich von Mal zu Mal und stelle dir einen Wecker. Wenn du lieber angeleitet werden möchtest, findest du online eine Menge Meditationen zum Gedankenloslassen.

Zwangsgedanken loswerden: Die Kraft der Gedanken nutzen

Zwangsgedanken können ungeheuer belastend und schmerzhaft sein, je mehr Beachtung wir ihnen schenken. Durch die Meditationsübung kannst du nicht nur lernen, deine Zwangsgedanken wieder zu „normalen“ Gedanken werden zu lassen, sie kann dir auch helfen, im Alltag weniger vorurteilsbehaftet zu leben. Denn Gedanken sind nicht immer wahr. Eine schüchterne Person ist nicht automatisch arrogant, nur weil sie nicht viel mit dir redet. Auch wenn deine Gedanken dir etwas anderes Erzählen wollen. Voreilige Schlüsse entsprechen oftmals nicht der Wahrheit und sind nur Gedanken. Mit der Wahrheit hat es oft nichts zu tun.

Wer sich mit seinen Gedanken auseinandersetzt, arbeitet an seiner Persönlichkeitsentwicklung und wird von Zeit zu Zeit viel über sich lernen. Das erfordert viel Mut, lässt dich aber innerlich wachsen.

Zwangsgedanken loswerden: Die ersten Schritte zu einer Psychotherapie

Wenn Mediationen und das Beobachten der Gedanken keine Wirkung erzielen, könnte es daran liegen, dass deine Zwangsgedanken einen tieferen psychologischen Ursprung haben. Du hast bereits einen großen Schritt gewagt, indem du dich mit dir und deinen Gedankengängen auseinandergesetzt hast. Eine Behandlung durch Psychotherapeut:innen kann deine innere Unruhe und dein Leid schmälern und sogar beenden. Sprich mit deinem Hausarzt oder deiner Hausärztin über eine Überweisung zu Psychiater:innen oder Psychotherapeut:innen. Du kannst auch über die bundesweite Hotline 116117 ein Erstgespräch vereinbaren. In diesem Fall wird dir schnell ein:e Psycholog:in in deiner Nähe vorgeschlagen, der:die Kapazitäten für dich hat.

Psychische Erkrankungen sind kein Tabu-Thema. Sie sind genauso real wie ein gebrochenes Bein und können von Psycholog:innen behandelt werden. Laut "Zahlen und Fakten der Psychiatrie und Psychotherapie" (Stand Juli 2019) werden etwa 2,5 Millionen gesetzlich versicherte Menschen von Fachpersonal für Psychiatrie und Psychotherapie in ambulanten Praxen behandelt. Bundesweit erfüllt jede:r vierte Erwachsene im Zeitraum eines Jahres die Kriterien einer psychischen Erkrankung. Die häufigsten Krankheitsbilder stellen Angststörungen, Depressionen und Störungen durch Alkohol- oder Medikamentengebrauch dar.

Wir wünschen dir für den Weg der Genesung viel Kraft und glauben an dich, den Weg in eine psychologische Therapie zu meistern.

Verwendete Quellen:

Brigitte

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